Einmalige Erfahrung! Ich bin an einem Freitag in St. Anthony am Flughafen gelandet. Ein Shuttle, dass vom Krankenhaus organisiert war, hat mich dann die 50 km bis in die Stadt gefahren. Es lag noch überall Schnee und gleich am Flughafen habe ich die ersten Karibus gesehen. Am Krankenhaus habe ich mir dann die Schlüssel für die Wohnung abgeholt, die in einem Appartementgebäude gegenüber vom Krankenhaus war. Die Unterkunft war wirklich super: wir haben zu dritt dort gewohnt, 3 Zimmer, 1 Wohnzimmer, gut ausgestattete Küche, Bad und WC, WLAN und Telefon in jedem Zimmer, Waschmaschinen und Trockner gab es im Keller.
Am Montagmorgen hatte ich dann meine Einführung mit Frau Pilgrim (die sich auch um die Bewerbungen kümmert). Sie hat mir alles Wichtige gezeigt und erklärt und allen Leute vorgestellt. Nach der allgemeinen Einführung wurde ich dann dem Chefarzt der Chirurgie übergeben, der mir dann nach ein paar einführenden Worten und seinen Erwartungen an mich, den OP gezeigt hat. Dort wurde mir dann vom leitenden OP-Pfleger alles gezeigt: chirurgisches Einwaschen (ist etwas anders als in Deutschland), Kleiderordnung, Verhalten im Saal, OP-Pläne... Dann ging es auch schon los. Meine erste OP dort war eine Lap-Galle mit dem Oberarzt. Sofort war man mittendrin, statt nur dabei, denn in St. Anthony übernimmt man als PJler bei 90% der OPs die 1. Assistenz.
Es gab 3 Allgemeinchirurgen, den Chefarzt und 2 Oberärzte, häufig war dazu noch ein vierter Chirurg aus einem anderen kanadischen Krankenhaus da, der als „Locum“ für 1-3 Wochen z.B. mit Endoskopien ausgeholfen hat. Die OPs dort waren häufig Routine-/Elektiveingriffe wie „Lap-Galle“, Hernien-OP oder Entfernung von Hautläsionen. Es wurden aber auch größere Bauch-OPs wie Kolektomien, Dünndarmteilresektionen, Adhäsiolysen und offene Cholezystektomie durchgeführt. Besonders der Chefarzt dort ist noch ein wirklicher „Allgemein-Chirurg“, der ALLES operiert und macht: Amputationen, Nephrostoma-Einlage, Mediastinoskopie, kleinere plastische Eingriffe, ...
Als PJler darf man nähen, mitoperieren und kleiner Eingriffe (Hautläsionen, Vakuum-Verbandswechsel) auch selbst durchführen. Vor der OP hilft man dem Anästhesisten beim „Verkabeln“ und Intubieren und lernt so nebenbei noch etwas Anästhesie. Nach der OP macht man den Verband und schreibt die Anordnungen für den Patienten. Neben den Operationen hilft man 2-3 Mal pro Woche bei Endoskopien und macht 1-2 Nachmittage in der Woche die Sprechstunde mit, wo man die Patienten zuerst selbstständig befragt und untersucht und dann dem Arzt übergibt. Jeden Morgen war um 7:00 Uhr Visite (am Wochenende um 8:00 oder 9:00) auf allen Stationen (denn die chirurgischen Patienten liegen auf den drei Stationen verteilt), danach musste man als PJler Anordnungen schreiben und Konsile erfüllen, alles wird natürlich von einem der Ärzte kontrolliert und abgesegnet. Jeden 4. Tag/Nacht hatte man Rufdienst, wenn man mochte, konnte man da mit den Family-Doctors die Notaufnahme betreuen oder man ließ sich nur für chirurgische Notfälle anrufen.
Da wir 2 PJler in der Allgemeinchirurgie waren, hatte man auch mal die Chance bei den gynäkologischen, orthopädischen oder urologischen OP zu assistieren.
Regelmäßige Fortbildungen gab es 1 Mal pro Woche, aber alle Ärzte waren auf Nachfrage immer bereit zwischendurch Unterricht zu machen. Aber das meiste habe ich sowieso nebenbei gelernt, denn besonders die Chirurgen heben andauernd Fragen gestellt, auf die man auch erst mal keine Antwort bekommen hat, so dass man gezwungen war selbst nachzulesen, damit man die Antwort beim nächsten Mal wusste. Anfangs war das sehr gewöhnungsbedürftig, aber ich habe es zu schätzen gelernt.
Auch wenn man unter der Woche häufig erst zwischen 17:00 und 18:00 Feierabend hatte, gab es an den Wochenenden trotz morgendlicher Visite genug Zeit die Umgebung zu erkunden. Wir haben uns meistens das Auto vom Krankenhaus geliehen und sind damit in der Umgebung (Radius von 50 km) wandern gefahren. Für einen längeren Wochenendtrip in den Nationalpark hatte uns der Chefarzt sein Auto gegeben.
Die Natur im Norden von Neufundland ist einzigartig. Wenn man so wie ich im April kommt, wo noch -10°C waren und Eis und Schnee alles bedeckten, kann man miterleben, wie es so langsam Frühling wird und alles erwacht. Besonders beeindruckend fand ich die Eisberge, die ab Mitte Mai an St. Anthony vorbeitreiben, und die Wale, die man ab Anfang/Mitte Juni beobachten kann. Leider habe ich den Sommer, wo alles grünt nicht mehr mitbekommen.
Eine weitere Besonderheit in Neufundland sind die Menschen dort. Alle sind sehr herzlich, offen und hilfsbereit. Für die Patienten ist es ganz normal, dass sie im Krankenhaus von Studenten behandelt werden und sie sind sehr freundlich und bescheiden.
Tipps:
1. Leider haben die beiden Oberärzte wegen anderer Verpflichtungen das Krankenhaus verlassen und auch der Chef wird im nächsten Jahr wahrscheinlich in Pension gehen. Würde empfehlen vor der Bewerbung sie Situation mal zu erfragen.
2. Im Sommer soll die Natur zwar schöner sein, aber das Krankenhaus läuft dann nur auf halber Fahrt, da sowohl Patienten als auch Ärzte im Urlaub sind.
3. Auf der Rückreise unbedingt einen Abstecher nach St. John´s machen, tolle kleine Stadt.
Bewerbung
Bewerbung 9-4 Monate vorher direkt an Denise Pilgrim (denise.pilgrim@lghealth.ca), auf Anfrage schickt sie euch alle Unterlagen für die Bewerbung zu.
Die 100 CAD Bewerbungsgebühr bekommt man am Ende des Aufenthalts wieder.
Nach der Zusage braucht man dann noch ein paar Unterlagen für das College und die Einreise:
- Einreiseuntersuchung 250-270,- Euro
- Führungszeugnis
- aktuelle Fotos
- 50 CAD für die Einschreibung am College