Ich hatte mir für mein Wintertertial Bad Reichenhall ausgesucht um Ski fahren zu können. Allerdings kann man auch im Sommer hier super wandern und Radtouren machen (Im Winter Bergwandern geht auch, zumindest wenn man so bekloppt wie wir waren ist). Die Klinik liegt recht mittig im kleinen Ort welcher von den Hausbergen umgeben ist. Zur besseren Übersichtlichkeit gliedere ich meine Bewertung:
Unterkunft:
Ihr seid auf der stillgelegten Station 4b untergebracht mit ikeamäßig umgebauten Patientenzimmern für Pjler/Famulanten/Gastärzte etc. Ansonsten gibt es dort noch ein Paar OA-Büros im vorderen Teil sowie Räume vom personalrat und ein oder zwei Untersuchungszimmer. Es gibt eine kleine Gemeinschaftsküche mit Kühlschränken und Fächern. Im Zimmer selbst gibt es ein Bett, Schreibtisch und Kleiderschrank sowie geräumiges Patientenbad. Es gibt Einzel-und Doppelzimmer. Bettbezüge, kleinere Handtücher gibt’s in nem Durchgang weiter hinten sowie eine Waschküche ganz vorne. Wenn man mit nem Lächeln die Reinigungsteams fragt, bekommt man auch Klopapier.
Klinik
In der chirurgie rotiert ihr gleichmäßig für immer ca. 5 Wochen durch ACH, GCH und UCH. Je nach Absprache und Interesse sind auch kürzere bzw. längere Rotationen möglich, das war kein Problem. Dienstkleidung gibt’s im Keller, ihr bekommt ein eigenes PJler-Telefon und Schlüssel für Zimmer und Arztzimmer/OP-Umkleiden.
GCH:
Definitiv die beste Rotation, kleines Team welches euch freundlich aufnimmt und sich über Unterstützung freut. Der leitende OA und seine „rechte Hand“ haben uns sehr nett begrüßt und es wurde sich überall geduzt (bis auf die Chefs). Es gab nur zwei Assistenzärzte und eine ärztliche Assistentin, alle waren super nett. Letztere kann im Stress manchmal etwas schroff sein, das möglichst nicht persönlich nehmen, sie ist sonst super lieb. Hier sind alle dankbar wenn ihr bei den überschaubaren BEs und Flexülen helft. Im OP seid ihr immer gern gesehen, müsst aber wenig wenn ihr nicht wollt. Die genannten OÄ bringen euch super gerne was bei, grundlegendes wie nähen wird euch geduldig gezeigt und könnt ihr fast immer üben. Auch Varizenziehen und kleinere Ligaturen sind möglich mit etwas Interesse und Eigeninitiative. Zudem gab es hier einen Studientag pro Woche.
Beginn ist mit Stationsbesprechung und gemeinschaftlicher Visite. Kleine Anmerkung: Achtet bei den Chefvisiten mal auf seine Hygiene, da wird einem Angst und Bange. Aber das wurde einem bei so manchen Dingen in diesem Haus..
ACH:
Sehr kleines Team mit damals lediglich einem Assistenten, der Allgemeinmediziner werden wollte und keine Lust auf den OP hatte. Assistiert hat hier oft der Physician Assistent, die briefe hat er auch gemacht. Bei uns kam ein neuer leitender OA, der genau wie der vorherige lt. OA sich euch angenommen und viel beigebracht hat. Im OP waren eure Aufgaben meist Kameraführung (Hernien,Gallen,Blinddärme) aber auch gerne mal die 1. Assistenz bei Darmresektionen o.Ä., auch hier war nähen fast immer mögllich. Neben BEs/Flexülen seid ihr hier öfter fest im OP eingeteilt. Leider gabs einen OA (unverkennbar mit seinem Camp-David-Kleidungsstil) der schlecht operiert hat und gerne ausfallend gegenüber uns oder den OTAs wurde. Ihr wisst ja wer schuld ist wenn die OP länger als geplant dauert oder irgendwas nicht nach seinem Gusto verlief. Ich hab den genau wie meine Vorgängerin probiert zu meiden, was manchmal zu Konflikten mit dem PA auf station geführt hat. Der hat gerne mal früher Schluss gemacht weil er wusste dass er euch die Assistenzen im OP überhelfen konnte. Der Assistenzarzt welcher mittlerweile weg ist war auch etwas schroffer und man hat ihm seine Unzufriedenheit angemerkt. Deshalb war das die schlechteste Rotation, wobei die immernoch sehr gut im Vergleich zu den meisten anderen Häusern war.
UCH
Das größte Team am Haus, mit größtenteils sehr netten Assistenz/OberärztInnen. Hier freute man sich auch über Hilfe bei den BEs/Flexülen und konnte sich dann relativ frei bewegen. Notaufnahme hat sich immer gelohnt, hier dürft ihr Platzwunden nähen, Gelenke einrenken und Patienten selber übernehmen. Das war super lehrreich, auch weil viele Skiunfälle eingeliefert wurden. Im OP war man abundzu eingeteilt, konnte aber bei Interesse immer dazu. Hier hat man meist Haken gehalten, konnte aber auch oft zunähen oder je nach OperateurIn auch mal mehr machen. Mir wurde am Ende angeboten eine ME selber zu operieren, also ist auch das mit etwas Eigenintiative möglich. Hier konnte man auch Bereitschaftsdienste übernehmen und die Assistenten und OÄ habens euch wirklich gedankt, war aber definitiv keine Pflicht und wurde auch nicht erfragt!
Generelles zur Klinik:
Ihr habt verdammt viel Freizeit. Oft kann man je nach OPs schon Mittags Schluss machen (wir waren oft telefonisch noch erreichbar, wurde aber selten genutzt), wenn man mal n Tag frei machen möchte ist das auch gar kein Problem. Selbst ganze Urlaubswochen wurden nicht dem Sekretariat weitergegeben (also solltet ihr es auch nicht tun 😉 ). Wenn nix los war konnte man sich immer in der Küche aufn Kaffee treffen, oder wie macheiner auch n Mittagsschläfchen machen.
Am Wochenende könnt ihr BE-Dienste als innere PJler übernehmen, dafür gibt’s 20 Euro die Stunde und n freien Asugleichstag (schreibt euch die vollen 6 stunden an, auch wenns weniger waren, juckt eh keinen). Wenn ihr nette Kommilitonen habt, dürft ihr auch als chirurgischer PJ euch dranbeteiligen.
Die Versorgungsqualität ist leider sehr unterdurchschnittlich (bezogen auf die gesamte Klinik). Es gibt keine Mülleimer im patientenzimmer sondern kleine Plastiktüten am Nachttisch, Hygiene wird hier sehr alternativ betrieben und es gab regelmäßig Vorfälle (besonders in der Inneren) wo man einfach nur schockiert war (z.b. viel zu niedrige Clexane-Dosierungen weil betreffende Ärztin „mal davon gehört hat, oder Tumor-OPs die abgebrochen werden mussten weil nicht vernünftig gestaged wurde vorher und vieles mehr). Der Chef der Inneren hat gegenüber den PJlern mal gesagt „Bad Reichenhall, man nennt es auch Bad Leichenhall“ – und das war manchmal leider wirklich Programm, vor Allem da der Altersschnitt in dem Ort so um die 80 gelegen haben musste. Er hatte sogar am ende gesagt, er könnte die AssistentInnen alle feuern und die Pjler einstellen und hätte ne wesentlich bessere Versorgung, das sagt eig. Schon alles. Chirurgisch war es allerdings meistens gut.
Umgebung:
Ihr habt die Hausberge nebenan, nahegelegene Skigebiete (Lofer bereits 20Km entfernt) und Salzburg in 15min Reichweite. Wir waren immer entweder wandern oder skifahren, haben abends immer zusammengesessen und oft auch auf dem Klinikdach mit Panorama den tag ausklingen lassen. Nachts beschwert sich abundzu mal n bereitschaftsarzt oder wer von Station wenn man zu laut ist, dann mäßigt man sich bisschen und das passt. Mit dem Bierkasten durch den Seiteneingang und niemand fragt da weiter nach.
Anzahlmäßig schwankten wir durch unterschiedliche Rotationszeiten bzw. halbe Tertiale zwischen 6-16 PJlern, mit nem harten Kern und einigen die eher für sich blieben. Natürlich hängt das auch von den anderen PJlern dort ab, Ich hatte definitiv ein paar der geilsten Monate im Studium dort und grüße an der Stelle auch nochmal die geilsten Holzköpfe Daniel (zusätzlich auch bester Mitbewohner), Max, Pablo, Felix, Marie . An der Stelle auch der wichtige Hinweis: Wenn ihr scheißen geht, geht aufs Transportklo ganz vorne auf der Etage. Die habens verdient, ihr werdets schon sehen :D
Wer wert auf kleine, familiäre Teams legt und ne toller außerklinische Zeit in der Natur ist dort genau richtig. Wer nicht in die Chirurgie möchte muss hier wenig in den OP, und wer es möchte oder zumindest was mitnehmen will ist hier auch an der richtigen Stelle. Die Freizeit wie hier werdet ihr kaum woanders haben und 600 Euro Gehalt sind auch ne nette Sache.
Bewerbung
Über das PJ-Portal 3-6 Monate vorher, jenachdem welche Zeiten ihr habt. Auch halbe Rotationen sind möglich.