Als ich in meinem ersten PJ-Tertial in der Chirurgie im dritten Orden antreten musste, hatte ich schon ein wenig Bedenken, da die Chirurgie im Studium sehr kurz gekommen ist und ich auch nie chirurgisch famuliert hatte. Ich wurde dann jedoch überaus nett aufgenommen und habe mich schnell eingelebt und wohlgefühlt.
Es gibt zwei PJ-Mentoren, die insofern optimal gewählt sind, da sie noch jung genug sind, um an uns Studenten noch nah genug dran zu sein, aber andererseit schon so lang dabei, dass sie sich selber schon super auskennen und eine gewisse Erfahrung mitbringen. Sie haben mir den Einstieg ungemein erleichtert und sich auch immer wieder nach meinen Anliegen und Wünschen/Kritiken erkundigt, so dass ich mich echt gut aufgenommen gefühlt habe.
Auch die für einen PJler erforderlichen Skills wurden mir dann nach und nach beigebracht, sei es das Nähen und Knüpfen, die Abdomenuntersuchung oder Tipps beim Nadeln legen und und und. Es ist auch meiner Meinung nach nicht selbstverständlich, dass ein junger Arzt nach seinem Nachtdienst extra noch länger dableibt, um mir ausführlich eine chirurgische Abdomenuntersuchung am Patienten beizubringen.
Aber auch alle anderen Ärzte dort waren überaus nett, hilfsbereit und geduldig mit mir und meinen Fehlern, so dass ich mich selten so wohl gefühlt habe wie im Chirugieteam im Dritten Orden. Dasselbe gilt natürlich auch für die Schwestern sowohl auf Station als auch im OP. Das ungeschriebene Gesetz, dass der Ton in der Chirurgie gewöhnlich sehr rau ist, kann ich aus meiner Zeit überhaupt nicht bestätigen. Vom Chefarzt über die Oberärzte bis zu den Assistenten behandelte mich jeder äußerst respektvoll und kollegial und die meisten erklären auch bereitwillig, man muss sich nur trauen zu fragen, was ich in der Nachbetrachtung noch öfters hätte tun sollen, gerade bei den großen OPs, bei denen schon eine konzentrierte Stimmung herrschen kann.
Nun zu den Tätigkeiten:
Man hat einen eigenen Spind in der Umkleide und bekommt auch die komplette Wäsche gestellt (Hose, Kittel und blaues Hemd, welche man sich jederzeit in der Wäscherei - geöffnet nur bis 14 Uhr- nachholen kann).
Der Arbeitstag beginnt dann um 7 Uhr mit der Visite. Hier empfiehlt es sich, sich zunächst einmal einen Überblick über die Anzahl der Blutabnahmen und Braunülen zu machen. Es hält sich jedoch immer in Grenzen, da die gehfähigen Patienten selbständig ins Labor zur Blutentnahme geschickt werden.
Ich habe es dann so gehalten, dass ich je nach Anzahl der Blutentnahmen mit auf Visite gegangen bin oder gleich meine Runde gestartet habe. Manchmal habe ich dann die halbe Visite geschafft, manchmal die ganze, manchmal war ich aber in der Zeit nur mit Blutentnahmen beschäftigt, die dann teilweise gar nicht so leicht sind, da ja die Patienten mit den guten Venen ins Labor geschickt werden. Dabei kann man nur sagen nicht verzweifeln, man wird wirklich besser und die Ärzte haben auch wirklich Geduld mit einem.
Von 7.45 bis 8.00 Uhr ist dann die Morgenbesprechung, in der Neuaufnahmen und das Tages-OP-Programm durchgegangen werden und von 8.00 Uhr bis 8.15 Uhr dann die Röntgenbesprechung, in der man auch einiges mitnehmen kann, ehe dann das OP- Programm losgeht.
Den OP-Plan sollte man sich schon in der Früh ausdrucken, um einzuschätzen, ob man gleich in den ersten OPs gebraucht wird. In dem Fall habe ich mir die Morgenbesprechungen geschenkt, um mit meinen Stationsarbeiten bis dahin fertig zu sein, damit die Assistenzärzte die nicht selber machen müssen, während ich im Op stehe. Auf Station kann man nämlich außer den Blutentnahmen selbständig Drainagen ziehen und spülen, Verbände wechseln oder den Patienten nach den Struma-OPs im HNO-Raum den Kehlkopf spiegeln. Die jeweilige to-do-list für die Patienten auf Station steht in so einer Art Kalenderbüchlein, welches während der Visite ausgefüllt wird. Dies kann man, wenn man auf Visite dabei ist, auch gerne selbst übernehmen.
All diese Tätigkeiten nehmen den Ärzten viel Arbeit ab und führen dazu, dass man gut ins Team integriert wird. Im Gegenzug wird einem dann auch viel erklärt, so dass ein beiderseitiger Nutzen gegeben ist.
Einmal die Woche ist Chefvisite, was dazu führt, dass ein ganzer Rattenschwanz an Weißkitteln die Patientenzimmer überrennt. Es muss hier immer schnell gehen, da die Besprechungen nahen, so dass ich hier trotz versammeltem Know-How wenig lernen konnte. Aber sonst erklären sowohl der Chef als auch die Oberärzte gerne und ausführlich.
Jetzt zum OP:
Auch hier war ich ein völliger Neuling, zumindest, was steril am Tisch stehen betrifft. Die meisten OP-Schwestern sind sehr nett und erklären einem auch das Einmaleins. Klar gibt es einige ältere, die für Studenten ein gar nichts übrig haben, aber das ist ja normal. Selbst als ich mich anfangs ein, zwei mal unsteril gemacht habe, hat mir niemand den Kopf abgerissen.
Über die Struma-Chirurgie im Dritten Orden ist ja schon einiges geschrieben worden. Es gibt nach wie vor noch keine eindeutige Regelung, zu welchen Strumen man dazugehen soll und welchen man fernbleiben darf. Es kommt sehr auf die Studentenbesetzung an, bei wie vielen man täglich assistiert. So kam es schon mal vor, dass ich an manchen Tagen nichts anderes gemacht habe von 9 bis 17 Uhr und an anderen andere OPs angeschaut oder auf Station ausgeholfen habe, aber dann gerügt wurde, weil kein Student in der Struma-OP war. Im Schnitt würde ich sagen, war es eine Struma am Tag über das gesamte Tertial gesehen und sonst ist das gefühlsmäßig sogar weniger, da wir zu meiner Zeit nur zwei einsatzfähige PJler in der Allgemeinchirurgie waren.
Sicher, man steht hinter dem Kopf und hält die Haken, aber wenn man einen Nutzen für sich daraus zieht, kann es durchaus auch lehrreich sein. Zu empfehlen ist es, sich einen niedrigeren Antritt zu nehmen, um Rückenweh zu vermeiden. Es ist dann auch gar nicht anstregend, wie hier schon so oft bemängelt. Natürlich geht dies zu Lasten der Sicht, aber auch mit dem höchsten Antritt ist diese sehr mau. Man kann jedoch jederzeit Fragen stellen und mit Operateuren und sonstigen Anwesenden scherzen, so dass ich die Stimmung eigtl immer ziemlich genossen habe und die Zeit dann auch recht schnell vorbeigegangen ist. Das Highlight folgt aber immer zum Schluss, wenn der Oberarzt abtritt und man dann beim Zumachen assistieren darf. Die meisten Assistenten lassen einen dann knüpfen (je nach Fähigkeitenstand) und die subkutane Hautnaht machen. Diese ist vor allem anfangs anspruchsvoll, wird einem aber gerade auch von den PJ-Mentoren aufopferungsvoll und geduldig beigebracht, so dass man am Ende eines Tertials in Geschwindigkeit und Qualität der Naht den Assistenten schon einigermaßen nahekommt ;-)
Dies hat dazu geführt, dass ich sogar die "verhassten" Strumen eigtl ganz gern gemacht hab.
Schaut aber trotzdem, dass ihr auch die andren OPs sieht, denn der Dritte Orden bedient fast die gesamte Palette der Allgemein- und Gefäßchirurgie. Bei den laparoskopischen OPs kann man, wenn es die Zeit erlaubt, jederzeit gerne zuschauen und bekommt ausführliche Erklärungen. Klar kann man auch mal zur Anatomie befragt werden, aber auch wenn man zur Antwort passen muss ist das kein Beinbruch.
Bei den großen Bauch-OPs haben wir durchsetzen können, dass fest auf dem OP-Plan steht, bei welchen ein PJler am Tisch assistieren darf. So habe ich beispielsweise OP-Klassikern wie dem Whipple, der Gastrektomie, einer Lungenlappenresektion und und und beiwohnen dürfen und da auch einiges mitnehmen können. Stellt euch in dem Fall darauf ein, dass es lange dauern kann und auch anstrengend werden kann, zumal man als 4. Assistent nur eingeschränkte Sichtverhältnisse hat. So kam es vor, dass ich es an manchen Tagen weder zum Mittagessen noch zur PJ-Fortbildung geschafft habe, also empfiehlt es sich auf jeden Fall, ordentlich zu Frühstücken(auf den Stationen besorgen die Schwestern immer Semmeln und Brezen, so dass man ausgiebig frühstücken kann).
Entschädigt wird man aber auch hier durch Erklärungen zur Anatomie oder zum Hintergrund, die aber meiner Meinung nach teils noch etwas ausführlicher hätten ausfallen können. Man traut sich nämlich doch nicht. ständig Fragen zu stellen, wenn die Operateure höchst konzentriert sein müssen. Auch bei den großen OPs darf man am Schluss dann beim Zumachen (Tackern oder Nähen, Drainagenannaht etc) helfen.
Mit der Zeit habe ich dann echt einen guten Einblick in die Chirurgie bekommen und es hat nahezu in jeder Operateur-Assistenten-OP-Schwestern-Konstellation richtig Spaß gemacht.
Wenn man vormittags anstatt im OP auf Station ist, kann man dort einen guten Einblick in die Stationsarbeit bekommen, selbständig Untersuchungen anmelden, Laborzettel ausfüllen oder auch Arztbriefe schreiben. Die Neuaufnahmen darf man als Student leider noch nicht aufkläre, man kann aber behilflich sein, wenn man die mitgebrachten Unterlagen sortiert und sich dann überlegt, welche präoperativen Untersuchungen noch nötig sind. Man kann auch hierbei eine Menge lernen, wenn man fleißig dabei ist und auch Fragen stellt.
Wenn mal nichts geboten ist, kann man auch jederzeit in der Notaufnahme vorbeischauen. Man lernt hier beispielsweise das klassische Vorgehen beim akuten Abdomen, insbesondere bei Appendicitisverdacht bei Unterbauchschmerz oder auch beim Gefäß- oder Wundpatienten. Interessant war vor allem die Indikationsstellung zur OP. Es kann aber auch sehr zermürbend sein, wenn lediglich bekannte Patienten zum Verbandswechsel kommen, aber dann geht man halt wieder auf Station oder in den OP.
Hier habe ich noch einen Tipp: Macht mal einen Nachtdienst mit, da hier nur die wirklichen Notfälle kommen und man wirklich viel mitnehmen kann. Schaut halt, wann ein Mentor Dienst hat oder auch einer von den vielen andren netten Ärzten. Es gibt ein super Zimmer zum Übernachten auch für Studenten.
Ab 14 Uhr ist von Montag bis Donnerstag dann die relativ neu eingeführte PJ-Fortbildung, bei der pro Woche ein Leitsymptom im Vordergrund steht, das dann von den verschiedenen Fachrichtungen abgearbeitet wird. Es kann natürlich hier von sehr interessant bis langweilig gehen, je nach Interesse und Dozent. Wie gesagt, habe ich es oft aufgrund des straffen OP-Programms nicht dorthin geschafft. Ich habe jedoch zumindest darauf geachtet, die chirugischen Themen zu besuchen, da man hier gut den Hintergrund zum täglichen OP-Alltag vermittelt bekommt.
Ich hoffe, ich konnte mit meinem Text euch ein bisschen den chirurgischen Alltag im Dritten Orden vermitteln und meine tolle Zeit dort widerspiegeln.
Ein Kritikpunkt ist aber, dass ich noch gerne mehr Examenswissen,insbesondere hinsichtlich praktischer Fähigkeiten vermittelt bekommen hätte. Zu selten habe ich einen Bauch abgetastet, einen Pneumothorax perkutiert oder etwa eine Leistenhernie entdeckt, so dass ich mich in der körperlichen Untersuchung immer noch nicht wirklich firm fühle. Das liegt aber nicht unbedingt an den Assistenten, die einen tollen Job in der Studentenbetreuung machen, sondern eher am fordernden Stationsalltag. Hier hätte ich im Nachhinein mehr Eigeninititative in der begrenzten Zeit, in der man nicht im OP steht oder sonst aushilft, zeigen sollen. Es heißt aber nicht, dass ich jetzt nicht weiß, wie man beim akuten Abdomen vorgeht oder etwa die Verschlussdrücke beim pavK-Patienten misst. Die Theorie wurde mir auf jeden Fall super näher gebracht, der Rest kommt dann denke ich mit der Erfahrung, wenn man es immer wieder selber macht. Gerade die Bäuche sind als Anfänger teilweise schwer zu beurteilen, es kann gut sein, dass ich hier auch die Ansprüche an mich zu hoch gestellt habe.
Ich habe jedenfalls sehr viel mitgenommen, was ich anfangs so nicht erwartet habe und mich für das, was da so kommen mag, vom Chef sowie den Oberärzten und Assistenten, vor allem auch den PJ-Mentoren sehr gut vorbereitet sehe.
Es waren echt 4 Monate, die ich nicht missen möchte und in denen ich mich zum ersten mal in meiner Studentenzeit als wertvolles Teammitglied gefühlt habe. Jederzeit würde ich wieder dort hingehen. Habe ich die Chirugie hinsichtlich meiner Zukunftsplanung im Vorfeld noch komplett ausgeschlossen, so wird sie jetzt zumindest in meine Überlegungen mit aufgenommen, dank dem Team im Dritten Orden.