PJ-Tertial Chirurgie in Kantonsspital Frauenfeld (6/2012 bis 10/2012)

Station(en)
Notaufnahme, I, K, L
Einsatzbereiche
Station, OP, Notaufnahme
Heimatuni
Kiel
Kommentar
Organisation:
Die organisatorische Seite des Kantonsspitals ist hervorragend. Es war mehr oder weniger das erste Mal überhaupt, dass ich erlebt habe, dass der Beginn eines Praktikums, welcher Art auch immer, so reibungslos verlief. Wir haben hier eigene mobile Diensttelefone, nicht nur Pieper, ein Dosimeter, ein Zimmer, Kleidung und eine Spitalführung bekommen, jeder war auf uns vorbereitet und man hatte das Gefühl, dass sich die Sekretärinnen wirklich um einen kümmerten. Wenn man irgendwas vergessen hatte oder nicht gemacht hatte, wurde man freundlich erinnert oder eine Lösung gesucht mit der alle leben konnten. Von daher waren die Rahmenbedingungen sehr sehr gut.

Zimmer:
Die Unterbringung ist sehr zweckmässig, aber tadellos in Schuss. Man hat ein Bett, einen Schreibtisch, einen Schreibtischstuhl, einen bequemeren Stuhl, einen begehbaren (!) Kleiderschrank und ein Waschbecken im Zimmer. Alles sehr sauber, ohne Geruch, der Teppichboden hatte keine Flecken und das riesige Panoramafenster war frisch geputzt. Die Zimmer sind 12qm gross, aber zum Leben wirklich absolut ausreichend. Um Müll und Reinigung der Gemeinschaftsräume (Toilette, Dusche) musste man sich nicht kümmern, das hatte ein Roomservice für einen übernommen. Die Küche musste man wie im Wohnheim selber saubermachen. Es gibt auch eine Dachterrasse, auf der man hervorragend grillen kann. Insgesamt ist das Wohnheimleben das gewesen, welches das Tertial in Frauenfeld nicht zu einem gigantischen Fehler gemacht hat. Alle Unterassistenten (PJler in der Schweiz) wohnen in diesem Wohnheim und als ich hier war, waren es fast ausschliesslich Deutsche.

Station:
Der Stationsalltag war letzten Endes der ausschlaggebende Punkt dafür, dieses Krankenhaus nicht für ein Tertial zu empfehlen. Man langweilt sich hier zu Tode. Die meiste Zeit (ca. zweieinhalb Monate) habe ich auf Station verbracht. Teilweise habe ich zusammen mit 3 (!) Assistenzärzten ca. 8 (!) Patienten behandelt. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass man so nur ca. eine Stunde pro Tag gearbeitet hat. Ich habe mir den Rest der Zeit mit Wikipedia vertrieben. Wirklich alle Assistenzärzte im Spital sind unheimlich entspannt und es macht wirklich Spass mit ihnen zusammen zu arbeiten. Ellenbogendenken existierte hier überhaupt nicht. Von den Oberärzten bekommt man auch standardmässig sofort das Du angeboten und die meisten sind unheimlich nett. Ein so klarer hierarchischer Stellungskampf wie in Deutschland habe ich hier nicht erlebt.
Das einzige Manko ist der Chef. Wenn ihr weiblich, blond und ganz nett anzuschauen seid, dann ist er euer bester Freund und unterhält sich wo es nur geht mit euch. Ich glaube dann ist er sehr umgänglich und nett. Wenn ihr allerdings Mann oder brünett seid, könnt ihr von Glück reden, wenn er sich euren Namen merken kann. Sein Desinteresse gegenüber der studentischen Ausbildung ist sehr spürbar, vor allem weil er so omnipräsent ist, dass man das Gefühl hat, er wäre in jeder OP dabei.

Ausbildung

Einen PJ-Unterricht gibt es nicht. Akademische Gespräche in den Operationen gibt es nicht. Bedside Teaching gibt es nicht. Befundbesprechungen mit Oberärzten gibt es nicht, mit Assistenzärzten eher selten. Eine interdisziplinäre Fortbildung gibt es immer Dienstags gegen 18.15 Uhr, aber die ist meistens nur für Fachärzte interessant und behandelt keine examensrelevanten Themen.
Es ist hier selten vorgekommen, dass den Studenten von Oberärzten oder dem Chef auf Station (z.B. im Rahmen der Visite) etwas erklärt worden ist. Ich hatte zuerst gedacht, es liegt an mir, aber alle anderen PJler hier berichten dasselbe.

OP

Die Facharzt für Chirurgie in der Schweiz behandelt anders als in Deutschland gefässchirurgische, allgemeinchirurgische und traumatologische Krankheitsbilder. Daher kann man hier von ein und denselben Leuten sehr viele unterschiedliche Operationen sehen. Aber wie in Deutschland ist man hier eher Hakenhalter. Einige Oberärzte lassen einen nähen, aber die meisten "machen das mal schnell selber". Wenn ihr wirklich assistieren wollt, dann vergesst es.
Eine weitere wichtige Sache, die man unbedingt wissen muss, wenn man in dieses Spital geht ist, dass an jedem (!) Tag (auch Feiertage und Wochenenden)im Jahr ein PJler 24 Stunden Rufbereitschaftsdienst haben muss. Hierbei teilen sich die orthopädischen und chirurgischen PJler die Dienste. Wenn ihr also zusammen 10 Leute habt, ist es total entspannt. Wenn ihr aber wie ich 2 Monate lang nur 3 Leute zur Verfügung habt, wird es echt hart. Ach ja, Kompensation für diese Dienste gibt es im Übrigen nicht. Ihr kriegt pauschal für alles 6 1/2 Tage frei, das wars. Im Dienst wird man zu OPs und manchmal auch in die Notaufnahme gerufen. Es gibt Dienste, in denen man durchschlafen kann, es gibt aber Dienste, in denen man von Nachmittags 17 bis morgens um 8 Uhr durchgängig im OP steht. Essen und schlafen könnt ihr dann natürlich vergessen. Am nächsten Morgen ist es dann von der Gnade der Oberärzte abhängig ob ihr den Vormittag zu Schlafen bekommt oder nicht. Aber meistens bekommt man den Vormittag frei.

Notaufnahme:
Das absolute Highlight meines Aufenthaltes hier. Endlich konnte man in gewohntem Umfang arbeiten und selber machen. Man Abszesse drainieren, Fingernägel annähen, Wunden versorgen, Anamnese und klinische Untersuchungen machen und all das zum Teil eigenverantwortlich mit ärztlicher Kontrolle im Hintergrund. Man ist normalerweise 3 Wochen für die Notaufnahme eingeteilt, da ich Spätdienste gemacht habe, konnte ich das auf 6 Wochen ausdehnen. Man fühlte sich in der Notaufnahme sehr wohl und konnte endlich das machen, wozu man in die Schweiz gekommen ist, nämlich ein bisschen Arzt sein. Dabei ist es natürlich immer abhängig davon, was man für einen Charakter von Arzt hat, aber mit den meisten war es in Ordnung.

Conclusion
Zusammenfassend kann man sagen, dass dieses Krankenhaus für Studenten geeignet ist, die kein Interesse an Chirurgie haben und die sich alles selber mit Büchern beibringen wollen.
Das Team ist extrem nett, man hat einen superguten Kontakt zu den anderen PJlern auch ausserhalb der Arbeitszeit und das Wohnheimleben macht echt Spass. Über den Chef ärgert man sich die ersten 2 Monate, aber irgendwann wird einem auch das egal.
Man fühlt sich hier abseits davon auch wirklich wertgeschätzt in dem was man tut und hat auch gegenüber der Pflege eine Art selbstverständliche Weisungsbefugniss. Wenn man etwas anordnet, wird es gemacht und nicht nochmal der Assistenzarzt gefragt. Je nachdem wie sicher man sich fühlt, kann man diese Befugniss nutzen, oder man lässt es halt.
Bewerbung
ca. eineinhalb Jahre
Unterricht
Kein Unterricht
Dienstbeginn
7:00 bis 8:00 Uhr
Dienstende
16:00 bis 17:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Aufwandsentschädigung / Gehalt
Essen frei / billiger
Kleidung gestellt
Mittagessen regelmässig möglich
Unterkunft gestellt
Gehalt in EUR
1075
Gebühren in EUR
350

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
2
Ansehen des PJlers
2
Klinik insgesamt
4
Unterricht
6
Betreuung
4
Freizeit
1
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
4

Durchschnitt 3.47