TAGESABLAUF
Während meines PJs waren Allgemein- und Unfallchirurgie noch eine Abteilung unter Prof. Hild. Mit dessen Berentung wurden die Abteilungen getrennt. Die Assistenten haben sich entsprechend ihrer Präferenzen auf die Abteilungen aufgeteilt.
Visite beginnt zwischen 06:30 Uhr und 06:45 Uhr. Um 07:30 ist Frühbesprechung. Wenn man Glück hat geht man im Anschluss in den OP, wenn man Pech hat muss man ein Bad in einer ekelhaften Mixtur aus gefühlten 100 Blutentnahmen (von denen 80 unnötig sind), Braunülen, i.v. Medikamenten und garstigem, überforderten Personal nehmen.
POSITIV
- Umgangston im OP. Nette Oberärzte
- Mittagspause ist regelmäßig möglich.
- Essen umsonst (aber von bestenfalls mittelmäßiger Qualität)
- Kleidung gestellt
- 400 EUR Bezahlung, wenn 4 Wochenenddienste im Tertial geleistet werden.
- Wenn man Ambulanzzeit und Dienste geschickt legt (d.h. mit dem richtigen Ambulanzarzt / Diensthabenden zusammen) kann man viel machen und lernen.
- Braunülen legen kann man nach diesem Tertial mit Sicherheit ;-)
NEGATIV
- Das Pflegepersonal hat größtenteils leider keine Erziehung genossen und ist z.T. frustriert mit der eigenen Tätigkeit. Deshalb wird häufiger mal versucht etwas Frust am PJler abzulassen. Ich kann nur jedem empfehlen, der in dieser Hölle landet ziemlich schnell klar zu machen, dass man Wert auf die grundlegenden Regeln der Höflichkeit legt und ein erwachsener Mensch ist der 5 Jahre studiert hat und kein kleines Schulkind. Das entspricht nämlich in etwa dem Ton, den man dort begegnet.
- 80-90% der Assistenten haben scheinbar vergessen, dass sie auch mal PJs waren. Das geschieht erstaunlich schnell. Bei einem Exemplar schon 4 Monate nach dem Examen. O-Ton: „Ihr seid in erster Linie nicht hier um was zu lernen, sondern um die Ärzte zu entlasten.“
Als PJ-ler ist man die „Nadelschlampe“ des Hauses und leider ist das auch allgemeiner Konsens.
Wir waren zu dritt. Meist war einer im OP und einer hatte Studientag. Das Telefon klingelt permanent und jede Braunüle ist wichtiger als die Andere. Häufig muss man dabei die mangelnde Organisation der Station ausbaden. Da meist erst bemerkt wird dass die Braunüle fehlt, wenn der Patienten zum CT abgeholt werden soll o.ä.. Allerdings kann man natürlich nicht überall sein, den Anpfiff bekommt man allerdings trotzdem.
Der Gipfel der Dreistigkeit ist einfach, dass das Pflegepersonal in solchen Fällen lieber einen PJ anruft als den Stationsarzt zu fragen, der neben der jeweiligen Pflegekraft sitzt.
- Ein ganz großes Problem ist, dass man nicht nur für seine Station verantwortlich ist, sondern für die ganze chirurgische Abteilung. Diese ist riesig und dominiert die gesamte Klinik. Auf Dauer ist es einfach nur frustrierend jeden Tag für 4 große Stationen Blut abzunehmen und wieder nach Hause zu gehen.
Als ich das am Ende des Tertials mal in einem ruhigen Moment mit einem OA thematisiert habe (hätte ich früher machen sollen), war dieser ganz verwundert, dass wir für das ganze Haus blutabnehmen. Wir haben das leider sowohl von unseren Vorgängern, als auch von den Assistenten so eingetrichtert bekommen und deshalb mitgemacht. Ich kann Euch nur empfehlen, Euch auf Eure Station zu beschränken und das auch so kommunizieren. Im Zweifelsfall auch mit einem OA, die insgesamt recht PJ freundlich sind.
- Man darf nur 2 Wochen in die Ambulanz. Auch wenn man mal nichts zu tun hat (was je nach PJ Besetzung häufig oder gar nicht vorkommen kann) ist man in der Ambulanz nicht erwünscht. Warum das so ist konnte mir auch keiner erklären. Wahrscheinlich ist die Angst zu groß, dass irgendwo eine Braunüle liegen bleibt.
In der Ambulanz lernt man logischerweise nicht nur am meisten, sondern genau genommen ist es der einzige Ort im Haus an dem man überhaupt etwas lernen kann. Auch hier wird man allerdings völlig dreist angerufen um Viggos zu legen und blutabzunehmen, obwohl man während dieser 2 Wochen ganz offiziell nicht zuständig dafür ist. Man wird ebenso nicht in den OP eingetragen. Die Stationsarbeit habe ich während dieser Zeit dann auch „verweigert“. Es sei denn es war in der Ambulanz nichts los und der Stationsarzt war nett (einige wenige nette gibt es).
- Die Tätigkeit im OP beschränkt sich zum Großteil auf das Haken halten. Je nachdem mit welchem OA man im OP ist, darf man auch zunähen (allerdings muss man sich das häufig erbetteln). Es ist mir auch schon passiert, dass der Oberarzt explizit mich gebeten hat die Hautnaht zu machen und den OP verlassen hat und der Assistent mir praktisch die Nadel aus der Hand genommen hat und selbst zugenäht hat. Dafür soll man aber immer schön mit der Anästhesie ausschleusen.
Im Anschluss an dieses Ereignis bin ich so verfahren bei einigen Assistenten nur noch auszuschleusen, wenn ich auch zunähen durfte. Andernfalls hab‘ ich das den jeweiligen Assistenten selbst machen lassen.
- Die Feiertags- / Wochenenddienste (von 8-20 Uhr) sind nicht minder katastrophal. Man kann durchaus bis 16 Uhr mit Blutentnahmen, Viggos und dem Spritzen von i.v. Medikamenten beschäftigt sein (die Schwestern spritzen nicht mal Furosemid und hängen auch keine Erstantibiosen an).
Es haben immer zwei Ärzte Dienst. Einer ist auf Station und sollte eigentlich die Arbeit machen, die ihr macht. Geholfen wird Euch deshalb aber trotzdem nicht, sondern lieber Briefe geschrieben. Der Andere ist in der Ambulanz. Ihr solltet Eure Dienste möglichst immer mit einem Ambulanzarzt machen, mit dem Ihr Euch gut versteht. So wird man auch mal angerufen um zu reponieren oder eine Wundversorgung durchzuführen. Ich durfte bspw. eine Extension bei SHF anlegen und eine kleine ambulante Metallentfernung selbstständig durchführen.
Übrigens hat man anfangs versucht uns an Weihnachten (inkl. Heilig Abend) einen Dienst aufzuschwatzen, den wir aber verweigert haben. Dann war das Thema auch schnell erledigt, was es aber nicht minder unverschämt macht.
- Operatives Spektrum. Unfallchirurgisch wird eigentlich alles an gängigen Osteosynthesen und Prothesen durchgeführt. Viszeralchirurgisch fällt nicht viel an. Meist handelt es sich um Cholezystektomien, Hernien und kolorektale CA. In den 4 Monaten, in denen ich dort war wurde eine Schilddrüse und ein Pankreas-CA (Whipple) operiert, es gab‘ auch 2 Thorakoskopien. Wer große Chirurgie und Polytraumen sehen möchte, ist hier leider fehl am Platz.
Die Chirurgie am Uniklinikum bietet in dieser Hinsicht natürlich mehr und soll auch studentenfreundlicher sein als ihr Ruf.
- Fortbildungen leider zu unregelmäßig, aber meist von guter Qualität.
- Nahezu kein Teaching oder persönlicher Benefit bei Visiten. Hab‘ nie verstanden, weshalb ich da überhaupt dabei bin.
FAZIT
Ich bin wirklich chirurgiebegeistert und heute auch chirurgischer Assistenzarzt und hatte mich sehr auf dieses Tertial gefreut. Dennoch war dieses Tertial einfach nur schrecklich. Ich kann Euch nur raten Euch mit Händen und Füßen zu wehren, wenn man Euch dort hinstecken will. Tauscht, geht ins Ausland oder was –weiss-ich. Viel schlechter könnt ihr es nicht erwischen!
Auch die 400 Euro haben mich nicht ausreichend dafür entschädigt mitten in der Nacht aufzustehen und dann 8 Stunden ohne persönlichen Benefit zu arbeiten. Lieber hätte ich auf das Geld verzichtet und dafür eine anständige Ausbildung erhalten. Das „erwünschte“ Arbeitsende wäre übrigens gegen 16:30 nach der Mittagsbesprechung gewesen (also nahezu 10h Arbeit!). Aufgrund der Umstände dort habe ich aber nach 8h alles fallen gelassen und bin nach Hause gegangen.
Schließlich ist das PJ keine moderne Sklavenhaltung. Wer nichts bietet, kann auch nichts erwarten.