PJ-Tertial Pädiatrie in Royal London´s & St. Bartholomew´s (6/2012 bis 9/2012)

Station(en)
Pädiatrische Neurologie, Nephrologie u.a.
Einsatzbereiche
Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme
Heimatuni
Leipzig
Kommentar
Zur Stadt London muss ich nicht viel sagen, da gibt es Reiseführer und Menschen mit Geheimtipps. Langweilig wird es hier jedenfalls nicht, billig ebensowenig.
Royal London
Mein PJ-Tertial im Royal London Hospital war sehr interessant und ich möchte es nicht missen. Es war jedoch auch ganz anders als das deutsche PJler-Leben.
Das fängt bei der Bewerbung an: Man muss etwa ein halbes Jahr im Voraus den Anmeldestart von der Barts and The London Medical School erwischen und dann schnell sein. Jede Menge bürokratische Hürden gilt es zu überwinden, Impftiter nachzuweisen und so weiter. Das im Bewerbungskatalog allen Ernstes aufgeführte Rötngenbild Thorax zum Tbc-Ausschluss kann man sich aber dann doch sparen. Auch den Sprachnachweis habe ich nie erbracht, geht auch ohne. Die Bewerbungsgebühr von stolzen 100 Pfund zahlt man ganz altmodisch per Scheck und muss sich dafür wahrscheinlich zunächst einmal von seiner deutschen Bankangestellten auslachen lassen („also mit Scheck arbeiten wir eigentlich gar nicht mehr…“). Eine Garantie, dass dieser Scheck dann per Post angekommen ist, bekommt man nicht, auch sonst kann man sehr lange auf Antwort warten und muss sich nicht einbilden, dass eventuelle Zwischenfragen zeitnah beantwortet würden. Die englische Krankenhausbürokratie ist eine Servicewüste - das hätte ich auch nicht gedacht.
Wenn man dann aber erstmal drin ist, sind sie alle sehr nett und hilfsbereit. Alles ist dann plötzlich kein Problem mehr, wie so oft in der Medizin.
Ich wurde einer pädiatrischen Neurologin zugeteilt, die aus Kolumbien stammte, und bin dann einfach zu deren Sprechstunde marschiert. Die war immer genau Montags und Dienstags von halb zehn bis so kurz nach Mittag. Danach hat es meine Ärztin im Prinzip nicht mehr interessiert was ich mache, da sie selbst dann nach Hause fuhr oder Privat-Sprechstunden in anderen Häusern abhielt. Einmal die Woche war eine Fortbildung, zu der sie mich mitgenommen und auch extra abgeholt hat. Ansonsten habe ich für diesen Einsatz nach acht Wochen meine Unterschrift bekommen.
So weit, so gut, ich hatte mir dann doch etwas mehr von meinem PJ erhofft, und so angenehm es auch war, sich hin und wieder seine Zeit selber einteilen zu können, so wollte ich doch gerne noch etwas mehr mitnehmen, und auch ganz ernsthaft etwas lernen. Nach einer ersten eher unbefriedigenden Woche, in der ich mich recht verloren fühlte, habe ich dann selbst angefangen, mir ein Programm zusammenzustellen: Bin morgens um halb neun auf der Allgemeinstation zur Ward Round aufgeschlagen und dort bis Mittags mitgelaufen. Die Ward Round macht jede Woche ein anderer Consultant, manche fanden das nett, das ich mitkam und haben sich große Mühe gegeben, mir zu jedem visitierten Patienten etwas beizubringen. Anderen war ich ziemlich egal, da wurde es dann schnell langweilig. Nachmittags konnte ich mich dann, wenn ich wollte, den Stationsärzten anschließen und deren Aufgaben mitübernehmen. Musste ich aber auch nicht.
Des Weiteren gibt es im Royal London, diesem Multikultikrankenhaus, extrem viele Sprechstunden zu den speziellsten Krankheitsbildern. Die wöchentliche Sichelzellanämie-Sprechstunde war z.B. immer zum Bersten ausgebucht und für Studenten ganz interessant. Ich bin da einfach morgens hinmarschiert und habe mir, wenn ich nicht mit auf die Ward Round wollte, einfach von den Schwestern das Angebot der Sprechstunden aufzählen lassen und mich dann spontan für eine davon entschieden. Über die Zeit hinweg habe ich so jede Sprechstunde mindestens einmal einen vormittag oder nachmittag lang genossen und auf jeden Fall viele verschiedene Krankheitsbilder kennengelernt. Die Ärzte kannte ich natürlich anfangs alle nicht, musste aber meist nur sagen, wer mein Supervisor ist, und das die nur an zwei Tagen pro Woche für mich da sein kann, und dann war ich herzlich willkommen. Zu schätzen gelernt habe ich bei der Gelegenheit doch im Großen und Ganzen die englische Lehrmentalität, von der auch ausländische Austauschstudenten profitieren können. In manchen Sprechstunden saß man nur daneben und hat zugehört und nachher mit dem Arzt ein wenig gesprochen; in anderen durfte ich als Student auch selber allein Patienten sehen und nachher mit dem Arzt zusammen besprechen. So hab ich dann auch gleich im kalten Wasser Medical English gelernt.
Eine andere gute Sache war die pädiatrische Notaufnahme, wo ein Consultant die Leitung hatte, der mich sehr beeindruckt hat: Nie ist mir ein Arzt begegnet, in dessen Anwesenheit man so viel in so kurzer Zeit gelernt hat; ständig hat er mit Assistenten oder Studenten gesprochen, erklärt, Fragen gestellt, geduldig beantwortet, und gleichzeitig die Patienten gut behandelt und optimal versorgt. Dort habe ich auch viele Patienten allein gesehen und durfte auch bei Kindern Blut abnehmen und Flexülen legen (im Auslandspraktikanten-Leitfaden von Barts and The London steht, dass ausländische Studenten all das nicht dürften – stimmt also auch in der Realität nicht). Die Zeit in der Aufnahme war also sehr lohnenswert (und ebenso frei eingeteilt).
Alles in allem kann man also hier viel lernen und sehen und auch selber machen – wenn man sich selber um alles kümmert, sich überall vorstellt und sich seine Nischen sucht. Personal und Patienten sind schon anders als in deutschen Krankenhäusern. Jede vierte Frau trägt hier Burka und für einen Ausländer wie mich ist das Englisch anfangs noch schwerer zu verstehen, wenn man den Mund des Sprechenden nicht sehen kann… Ansonsten sind alle irgendwie am Englisch radebrechen und mit einem Standard-Schulenglisch ist man für den Durchschnitts-East-Ender schon ziemlich gut aufgestellt. Gebürtige Engländer sind hier die wenigsten. Dementsprechend flott und routiniert wird man als weiterer Ausländer schnell integriert und fühlt sich eigentlich überall willkommen.
St.Thomas Hospital
Dieses war ein ganz anderer Fall. Im Vergleich zum Royal London ist dies hier das Gegenbeispiel eines ur-englischen Krankenhauses.
Zunächst einmal die Lage: Direkt gegenüber vom Parlament an der Themse, das bedeutet Kantinenessen mit Blick auf Big Ben.
Dann die Ärzte und Schwestern: Viel mehr Weiße, viel vornehmeres Englisch, und im Umkehrschluss auch höhere Ansprüche an die Studenten. Man hat mich auf die Kindernephrologie eingeteilt und da stand ich dann erstmal.
Aus dem „Kommt macht alle mit“-Krankenhaus Royal London kommend, war das für mich erst einmal eine Enttäuschung: So richtig willkommen war ich nicht, einfach irgendwelche Sprechstunden besuchen war auch nicht so gern gesehen, Blut abnehmen auch nicht erlaubt und das Englisch von den richtigen Engländern ist auch schwieriger zu verstehen als das von den Indern und Pakistani, weil die nämlich viel schneller reden.
Ich hab mir dann auch dort meine Nischen gesucht, meine netten Consultants, bei denen n ich viel machen durfte und Blut abnehmen durfte ich am Ende auch weiter üben. Aber der Zugang war insgesamt schwieriger.
Ansonsten galt auch hier: Wenn man als Auslandsstudent mittags gehen wollte oder gar nicht kam, hat das im Prinzip keinen interessiert und gemerkt hats schon gar keiner. Freizeit hallo. Anders herum gesagt: Man musste sich echt bemühen, wahrgenommen zu werden und etwas Sinnvolles zu tun zu bekommen. War aber möglich.
Insgesamt also zwei sehr unterschiedliche Krankenhäuser, beide auf ihre Art hochinteressant, manchmal sehr gut, manchmal auch frustrierend. Im Prinzip aber ja auch nichts anderes als im deutschen PJ.
Für die frustrierenden Momente entschädigt hier jedoch die Weltstadt, die auch in vier Monaten keinen Tag langweilig wird.
Bewerbung
man sollte ein 3/4 Jahr vorher anfangen, seine Unterlagen zusammen suchen und sich vor allem die Bewerbungsfristen und -stichtage genau anschauen, die etwa ein halbes Jahr im Voraus liegen
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Braunülen legen
Blut abnehmen
Patienten untersuchen
Notaufnahme
Patienten aufnehmen
Dienstbeginn
Nach 8:00 Uhr
Dienstende
Vor 15:00 Uhr
Studientage
Frei verfügbar
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Gebühren in EUR
400 Pfund für beide Kliniken

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
3
Ansehen des PJlers
3
Klinik insgesamt
2
Unterricht
4
Betreuung
4
Freizeit
1
Station / Einrichtung
3
Gesamtnote
2

Durchschnitt 2.4