Der Ort
Langenthal liegt im Schweizer Mittelland im Kanton Bern. Der Ort ist sowohl mit Schiene, als auch mit dem Auto oder vom Flughafen Zürich her gut zu erreichen. Die Züge fahren regelmäßig nach Bern, Zürich und Basel. Je nach Verbindung braucht man zu jedem dieser Städte zwischen 40 und 50 min. Langenthal selbst hat 10k Einwohner. Es gibt eine kleine Fußgängerzone mit einigen Modegeschäften, Handyshops, Sportläden und Kaufhäusern. Wenn man etwas braucht, kann man es in der Regel fußläufig besorgen. So weit so gut.
Das Spital
Mit 150 Betten, von denen zirka 70 zur Inneren gehören ist es ein kleines Spital. Es gibt 3 medizinische Stationen und eine Notaufnahme. Man rotiert im 2-Wochen-Rhythmus durch die Stationen und ist ab und zu auf dem Notfall eingeteilt. Jede Station wird von einem Kaderarzt geleitet, der die Assistenten betreut und mit dem Behandlungskonzepte besprochen und die Prozedere für die einzelnen Patienten festgelegt werden. Man selbst ist einem Assistenten zugeordnet und übernimmt zum Teil ärztliche, zum Teil typische PJ-Aufgaben (Blutabnehmen übernimmt allerdings komplett die Pflege). Insgesamt wird man jedoch ernst genommen und hat die Möglichkeit eigene Patienten zu übernehmen. Es gibt wöchentlich Journalclubs, Patientenvorstellungen und Fortbildungen. Gearbeitet wird offiziell von 8h bis 17h. Meistens kommt das auch ganz gut hin.
Man arbeitet abwechselnd jedes 2., dann jedes 3. Wochenende, so dass man mal 2 Wochenenden pro Monat arbeitet, mal eines. Das ist völlig okay.
Das Wohnheim
Sehr restriktiv. Jeder Bewohner hat mehrere Fächer in verschiedenen Räumen des Wohnheims, wo man seine Lebensmittel, Besteck und Geschirr etc. aufbewahren kann. Es wird nichts gestellt, jeder hat eigene Töpfe, Teller und Co. Wer sich ein hostel- oder wg-artiges Zusammenleben vorgestellt hat, wird bitter enttäuscht. Um 22h ist Nachtruhe angesagt und das wird auch von einer Sicherheitsfirma kontrolliert, die jeden Abend gegen 23h ihre Runden durch das Haus macht. Bei Verstoß gegen die Hausordnung werden die Gemeinschaftsräume und Küchen abgeschlossen und sind danach nur noch nach Absprache mit dem Hausrat zugänglich. Geeignete Räume in denen man sich trifft und zusammensitzen kann gibt es leider keine schönen. Die 2 Küchen sind ungemütlich und steril, der Gemeinschaftraum im Erdgeschoss erinnert an das Wartezimmer einer Praxis aus den 70ern. Internet ist nicht fest installiert. Man hat die Möglichkeit Datenvolumen für 3G Handys zu kaufen oder sich einen Surfstick zu besorgen. Letzterer schlägt mit 50.- CHF pro Monat zu Buche. Insgesamt ist das Wohnheim ein Enttäuschung. Schade.
Aktivitäten
Man muss zusehen, dass man an den freien Wochenenden raus kommt. In Langenthal selber gibt ein wirklich nettes Kino, sonst nicht besonders viel. Die Bars sind zum Teil okay, doch man merkt am Publikum sehr deutlich, dass man auf dem Land ist. Dazu ist man noch Ausländer. Diese Kombination erschwert das Kontakteknüpfen ungeheuerlich. Das wäre in Deutschland sicherlich nicht anders, doch man muss sich vor Augen führen, dass die Schweizer ein eher schwer zugängliches Volk sind. Bis man ein gutes Gespräch auch über Privates führt, muss man schon viel Zeit und Mühe investieren. Für mich war diese Erfahrung eher befremdlich und hat dazu beigetragen, dass ich mich hier nicht besonders wohl gefühlt habe.
Wenn man gute Leute um sich hat, in der Regel andere deutsche PJler, und viel unternimmt (Städtetouren, Skifahren, im Sommer Wandern oder Mountainbiken) kann man hier eine klasse Zeit haben. Der Wohlfühlfaktor steigt und fällt mit den Leuten und den Freizeitaktivitäten. Die Hälfte meiner Zeit hier war ich der einzige Uhu und entsprechend langweilig und mühsam war es. Später jedoch kamen noch einige Leute dazu und am Ende war es fast ein bisschen schade, dass alles schon vorbei war.
Verdienst und Kosten
Man verdient nach Abzügen von Steuern und Wohnheim 900.- CHF. Wochenenden werden mit 80.- CHF pauschal vergütet. Das klingt erstmal nach viel, doch das Geld ist schnell weg. Lebensmittel sind mindestens 1/3 teurer und die Wochenendaktionen fressen Löcher in den Geldbeutel. Man entwickelt jedoch einen anderen Umgang mit dem Franken und haut die Kohle relativ locker raus. Das muss man auch, sonst macht es keinen Spaß. Ich konnte hier kein Geld sparen, aber gut davon Leben und an den Wochenenden in die Berge fahren und mir Städte angucken, ohne aufs Geld schauen zu müssen.
Fazit
Ich habe viel gelernt und durfte viel machen. Vom Medizinischen her ist es sicher kein schlechtes Los. Ich habe mich doch sehr schwer getan mit der Mentalität der Schweizer und der provinziellen Umgebung. Wer damit ein Problem hat, sollte sich wirklich überlegen, ob er diesen Schritt wagen möchte. Ob ich es nochmal machen würde weiß ich nicht. Zum Glück habe ich gegen Ende ein paar nette Leute kenn gelernt, wo durch viele negative Erfahrungen mit Land und Leuten aufgewogen wurden. Ohne die sozialen Kontakte wäre ich hier sicher eingegangen und hätte es bereut hierher gekommen zu sein. Letzten Endes ist dann doch noch alles gut geworden.
Bewerbung
ca. 12 Monate im Voraus, aber kurzfristiges Bewerben (Email) möglich.