Ich habe länger überlegt, wie ich einen guten Einstieg in die PJ-Bewertung finde. Am liebsten wäre es mir das Tertial schlicht und einfach als herausragend zu beschreiben und dieses Wort allein für sich stehen zu lassen. Da ich im 2. Tertial bereits das Glück hatte in einer anderen Klinik eine sehr gute internistische Ausbildung zu bekommen, habe ich mich zu Beginn des Neurologie-Tertiales gefragt, ob sich die Erfahrungen in der Inneren Medizin überhaupt noch übertreffen lassen. Und Ja: die Ausbildung wurde in nahezu allen Bereichen noch um Klassen übertroffen.
Da die Bewertung ja vor allem dazu dienen soll eine objektive Entscheidungshilfe zu geben folgt jetzt erstmal die Beschreibung der Klinik und der
Ausbildungsorganisation:
Die Neurologie im St. Bernward KKH versorgt, je nach Auslastung der Klinikkapazität, stationär zwischen 50 und 80 Patienten und bewegt sich somit in Größe und Fallzahl im Bereich der größeren neurologischen Kliniken (Unikliniken eingeschlossen). Die Belegung teilt sich auf auf eine Normalstation (43 Pat.) , eine Stroke-Unit/IMC (8 – 15 Pat.) , eine gemischte Privatstation und auf Belegbetten, die bei Bedarf in anderen Bereichen des Klinikums genutzt werden können.
Die Funktionsdiagnostik deckt mit EEG, Video-EEG (EEG-Ableitung über mehrere Tage unter Kameraüberwachung), Neuroultraschall (Doppler, Duplex, US peripherer Nerven), SEP, VEP, Neurographie, EMG und Liquorlabor alle Bereiche der neurologischen Diagnostik ab. Eine Neuroradiologie mit MRT ist natürlich auch vorhanden und rund um die Uhr nutzbar.
Ausbildung:
Es können pro Tertial 2 PJler gleichzeitig anfangen. Mit PJ-Studenten aus dem voran gegangenen Tertial kommt man somit auf max. 4 PJler.
Allem voran sollte erwähnt werden, dass man sich je nach Interesse und in Absprache mit den anderen PJlern und dem Chefarzt völlig frei auf die Bereiche einteilen kann, die einen am meisten interessieren.
Normalerweise beginnt man sein Tertial auf der Normalstation und arbeitet dort für 5-6 Wochen am Stück mit. Die neurologische Normalstation wird von 3 Ärzten betreut, von denen jeder einen Bereich der Station mit 12-14 Patienten versorgt. Die Station ist relativ groß und mit 5 Computern im Arztzimmer ausgestattet. Da man maximal zu 2. beginnt tritt man sich hier sicher nicht auf die Füße. Die Vormittage beginnen mit Früh- und Röntgenbesprechung für ca. 1 Std, daran schließt sich dann meist der Stationsalltag mit Visite, Entlaßbriefen und Patientenaufnahmen bis zum Mittagessen (keine Sorge, dass alle rechtzeitig in die Mittagspause können wird oberärztlich streng überwacht :) ) an. Am Nachmittag werden meist die Liquorpunktionen gemacht oder Angehörigengespräche geführt. Zudem erfolgt bei Neuaufnahmen am Nachmittag die ausführliche Nachuntersuchung und Besprechung mit dem/der zuständigen Oberarzt/Oberärztin.
Auf Station findet man somit genug Möglichkeiten, angeleitet durch Stationsärzt-e/innen und Oberärzt-e/innen, seine neurologischen Untersuchungsfertigkeiten zu verbessern. Durch die regelmäßige Besprechung der aufgenommenen Patienten in den ersten Wochen schärft man zudem seinen Blick für neurologische Defizite und Differentialdiagnostik und ist somit gut vorbereitet für den Wechsel auf die Stroke-Unit und die ZNA.
Auf der Stroke-Unit/IMC sieht man vor allem Schlaganfälle, Status epileptici, mannigfaltige neurologische Defizite und natürlich alle weiteren akut überwachungsbedürftigen Erkrankungen. Man kann hier sehr viel über Akutneurologie, Evaluation von Schlaganfall-Risikoprofilen, antikonvulsive Medikation, Sekundärprophylaxe und das Scoren/Einteilen neurologischer Defizite lernen.
Die ZNA spricht natürlich für sich selbst. Hier sieht man von „mir hat ein ambulanter Termin zu lange gedauert“ bis zu komplizierten neurologischen Befunden die ganze Palette und es macht sehr viel Spaß dort zu arbeiten.
Lehre / Teamstimmung
Dieser Punkt hat sicherlich am meisten zur Bewertung „herausragend“ beigetragen denn:
Jeder Arzt der Abteilung (Chefarzt, Oberärzte/innen, Stationsärzte/innen) hatte wirklich Spaß an der Ausbildung der PJ-ler. Die Stationsärzte/innen haben sich bei Fragen immer ausführlich Zeit für die Beantwortung genommen und waren jederzeit verfügbar, wenn man sich bei klinischen Befunden nicht sicher war. Zudem hatte man nie das Gefühl unliebsame Aufgaben zu bekommen. Die Oberärzte/innen haben sich ebenfalls viel Zeit genommen die zuvor aufgenommenen Patienten mit einem zu besprechen und nochmal klinisch zu untersuchen. Es war sogar so, dass der Oberarzt früher auf Station gekommen ist wenn man eine Fortbildung um 15 Uhr hatte, damit man den Pat. noch zusammen untersuchen kann. Auch die Interpretation von EEG und NLG/SEP/EMG ist am Nachmittag zusammen mit den Oberärzten/innen regelmäßig möglich und es wird gerne viel erklärt.
Einmal pro Woche gab es eine Fortbildung mit dem Chefarzt und den PJlern der Neurologie. Wir PJler haben zuvor untereinander ein Thema festgelegt, z.B. Epilepsien, und uns darauf vorbereitet. Die Fortbildung mit dem Chefarzt bestand dann u.a. aus einer Simulation einer mündlichen Prüfungssituation im Staatsexamen über das jeweilige Thema - dies jedoch in sehr entspannter Stimmung. Innerhalb dieser Frage /Antwort-Runden, die durch den Chefarzt wahlweise durch Fallstudien oder offene Fragen eingeleitet wurden, ließ sich jedes Thema in vollem Umfang besprechen. Das hat gerne auch mal 1 ½ Stunden gedauert und man hatte nie das Gefühl, dass es für den Chef gerade etwas Wichtigeres zu tun gäbe, als sich um die Ausbildung der PJ-Studenten zu kümmern. Wirklich einmalig.
Die Stimmung im Team war ebenfalls super. Wenn es die Zeit zuließ, was eigentlich regelmäßig der Fall war, haben alle zusammen nach der Röntgenbesprechung noch Kaffee getrunken und entspannt den Tag beginnen lassen. An 4 von 5 Tagen der Woche hat eigentlich immer jemand Kuchen gebacken/ gekauft und mitgebracht.
Fazit:
Wie am Anfang schon gesagt herausragend und jedem der sich für Neuro interessiert uneingeschränkt zu empfehlen. Dabei ist es auch letzlich unerheblich wieviel neurologische Vorbildung durch Famulaturen etc. man mitbringt. Sobald man Interesse für das Fach Neurologie zeigt haben alle Ärzte, egal auch welchem Stand man sich befindet, wirklich Lust einem etwas beizubringen und jede Frage ist erlaubt.