PRO:
-In der Schweiz wird man als PJler als feste Arbeitskraft mit eingeplant, man hat seine festen Aufgaben und diese auch sorgfältig zu erledigen. Mir persönlich hat das gut gefallen, da man das Gefühl bekommt, gebraucht zu werden und nicht, nur dumm im Weg rum zustehen. Dafür ist man aber auch recht lange im Spital, durchschnittliches Arbeitsende ist etwa 17.30 Uhr. Wer sich also nicht für Orthopädie interessiert und möglichst zeitig gehen möchte, ist hier nicht gut aufgehoben. Für mich war es jedoch eine wertvolle Erfahrung um zu sehen, wie der Arbeitsalltag und die Arbeitsbelastung in einem chirurgischen Fach ist.
-Man darf viel selbstständig bzw. unter Anleitung eines Assistenzarztes machen:
Es gibt feste Termine für Gelenksinfiltrationen, zu denen man einen Assistenzarzt begleitet. Die ersten Male assistiert man ( Medis öffnen, steriles Anreichen), darf aber schon recht schnell selbst Gelenke punktieren. Ein großes Plus, an meiner Heimatuniversität dürfen Studenten solche Tätigkeiten nicht durchführen.
Sprechstunde: die Patienten werden zuerst von einem Assistenzarzt oder einem Studenten befragt/ untersucht und dann dem Chef bzw. dem zuständigen OA vorgestellt (Meist eher eine kurze Patientenvorstellung aus Zeitgründen, jedoch besteht trotzdem ein kleiner Übungseffekt ).Die entsprechenden Röntgenbilder werden mit einem auch besprochen und Fragen bereitwillig beantwortet. Je nach Zeit erfolgen kurze Erklärungen zum Krankheitsbild, jedoch ist hier auch etwas Eigeninitiative gefordert. Angenehm war auch, dass der Chef sich nicht zu fein war, Studenten Untersuchungstechniken zu zeigen oder Fälle zu besprechen.Man kann in der Sprechstunde sehr viel lernen, da man im Endeffekt wie ein Arzt die Patienten untersuchen und befragen kann. Am spannendsten sind natürlich Erstkonsile, es kommen aber auch viele Patienten zu postoperativen Nachkontrollen. Diese sind gerade gut, um sich anfangs einarbeiten zu können, da es seltener komplizierte Fälle sind. Nachdem das Procedere mit dem zuständigen Arzt besprochen wurde, musste man einen Sprechstundenbericht über den Patienten für den Hausarzt diktieren. Anfangs gar nicht so leicht, jedoch auch eine wichtige Angelegenheit, für die man mit der Zeit auch mehr Routine gewinnt.
Auch die Anmeldung von Konsilen erfolgt häufig durch den PJler. Sowohl schriftlich über das Computer-System als auch per Telefon. Dadurch lernt man auch, auf welche Informationen über den Patienten bei den Kollegen anderer Fachrichtungen wert gelegt wird. Auch hier erlebte ich meist nur geduldige und kollegiale Ärzte, die nicht gleich wütend wurden wenn man gewisse Fragen nicht beantworten konnte. Der Infektiologe z.B. nahm sich auch ein wenig Zeit, um einem etwas erklären.
Mit eine der Hauptaufgaben des PJlers sind Eintritte (stationäre Aufnahmen) machen. Man erhebt selbstständig Anamnese und Status und stellt den Patienten dann bestenfalls dem zuständigen Assistenzarzt vor. Das hat zu Beginn meines Tertials nicht so gut funktioniert, wurde dann aber deutlich besser. Wenn Zeit war, wurde noch über Medikamente oder Diagnosen des jeweiligen Patienten gesprochen, oft wurde das Ganze aber auch sehr kurz gehalten. Je nachdem, wieviele studentische Kollegen und Aufnahmen man hat, kann das schon einen einen ganzen Vormittag beschäftigen. Auch hier wird im System ein Eintrittsbericht angelegt.
Ich bin ohne jegliche chirurgische Erfahrung in dieses Tertial gegangen und war positiv über den Umgang untereinander im OP überrascht. Es wurde einem Alles mit Geduld und Ruhe gezeigt, vom Waschen bis zum Haken halten und schliesslich das Hautnähen. Sowohl die OP-Pflege als auch die Operateure verhielten sich kollegial und nicht herablassend. Fragen zu OP-Techniken konnten fast jederzeit gestellt werden, wenns mal brenzlig wurde hat man es schon selbst gemerkt, dass es wohl klüger ist still zu bleiben. Anfangs musste ich noch fragen ob ich die Hautnaht machen durfte, dann wurde es jedoch schnell zur Selbstverständlichkeit, es sei denn es bestand enormer Zeitdruck oder komplizierte Verhältnisse. Ich habe vorallem bei Hüft-TPs, Knie-TPs, Kniearthroskopien, VKB-Plastiken,Metallentfernungen,Krallenzehen-/Hammerzehenkorrekturen, Chirurgischen Hüftluxationen (seltener), PAOs (seltener) assistiert. Da man bei Hüft-TPs auf der "falschen" Seite steht und nichts sieht, freut man sich natürlich sehr, wenn sich der Chef manchmal eine Kamera aufsetzt, damit man etwas mitbekommt. Auch er erklärt meist gerne die anatomischen Verhältnisse und die Vorgehensweise.
Im Morgenrapport (7.15 Uhr) werden die postoperativen Röntgenbilder vorgestellt/kurz besprochen. Hier ist es Aufgabe der Studenten, um 7 Uhr im System nachzusehen und die Patienten mit Röntgenbildern rauszusuchen. Nach dem Rapport ist Visite (ca. ab halb 8 bis 8). Je nachdem wie interessiert man ist und der zuständige Assistenzarzt drauf ist, bekommt man selbst Patienten zugeteilt, für die man zuständig ist. Das heisst man darf diese visitieren, bespricht mir Ihnen die Befunde und das weitere Procedere. Verordnungen an die Pflege darf man unter Aufsicht auch geben. Ansonsten verläuft die Visite recht kurzweilig, da ab 08.15.Uhr schon mit den ersten OPs bzw. um 08.00 Uhr mit der Sprechstunde begonnen wird.Verläufe schreiben gehörte auch zu meinen Aufgaben: kurzer Text über den Zustand/Besonderheiten des visitierten Patienten. Desweiteren sollte ich Reha-Anträge, Physioverordnungen und Kostengutsprachen ausfüllen.
Austrittsberichte werden auch von Studenten erstellt und anschliessend von Assistenzärzten visiert.
Worüber wir uns sehr gefreut haben, war der schweizerische Orthopädiekongress, zu dem wir alle 3 Tage fahren durften, ohne dafür Fehltage berechnet zu bekommen oder die Kongressgebühr zu bezahlen (der Chef zeigte sich hier grosszügig). Wenn man 4 Monate arbeitet, hat man 5 Kompensationsstage und 8 Urlaubstage. Die Urlaubstage kann man aber nur nehmen, wenn genug PJler/ Personal da ist, ansonsten bekommt man diese ausbezahlt. Ich konnte problemlos nach Wunschtermin meine Kompensationstage und Urlaubstage nehmen.
Im Gegensatz zu den chirurgischen PJlern hatten wir in der Orthopädie keine Dienste (Rufbereitschaft nachts/ am Wochenende). Da die meisten OPs elektiv erfolgen, kann man die Anzahl der Notfall-OPs mit der in der Chirurgie nicht vergleichen. Ich hatte mich auf Dienste eingestellt, das diese in meinem Vertrag erwähnt wurden. Zukünftig sollen aber die orthopädischen PJler genauso wie die chirurgischen Dienste machen.
Manche Assistenzärzte haben uns PJler mehrmals zum Grillen eingeladen, was uns sehr gefreut hat und den Zusammenhalt gestärkt hat. Ich wurde nie ausfällig oder abwertend behandelt, alle waren meist freundlich und hilfsbereit, jedoch der eine mit mehr, der andere mit weniger Interesse an der Ausbildung der Studenten.
CONTRA:
Meine Einführung in die Klinik und die Abgrenzung meines Tätigkeitsfeldes war leider nicht so gut. Ich war die erste PJlerin seit ca. 3 Monaten und für eine Woche auch die einzige. Was zu meinen Aufgaben gehört, musste ich mehr oder weniger mit der Zeit selbstständig rausfinden bzw. wurde mir sporadisch mitgeteilt ("Hast du das und das erledigt?"..."Äh nein...wusste nicht dass das meine Aufgabe ist..."). In meiner dritten Woche erhielt ich jedoch eine Liste mit meinen Aufgaben, was mir sehr half. Leider etwas zu spät.
Ein regelmässiges Studenten-Teaching und regelmässige Weiterbildungen (offiziell jeden Montag) fanden leider nicht statt. Während meiner Anstellung fanden 3 fachliche Weiterbildungen statt. Wenn die Assistenzärzte Zeit hatten, haben sie aber durchaus 1-2 h motiviert Untersuchungskurs oder einen Vortrag für uns gehalten, leider war das sehr selten der Fall. Ich habe dann einfach versucht, mir in der Sprechstunde viel zeigen zu lassen.
Während meiner Zeit war die Orthopädie personell stark unterbesetzt. Dies wirkte sich natürlich häufig auf die Stimmung i.B. der Assistenten bzw. das Arbeitsklima aus. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sie sich jedoch meistens bemüht, einem etwas beizubringen. Es war jedoch nicht selten der Fall, dass sich vor der Arbeit gedrückt wurde bzw. dem anderen zugeschoben wurde, was die Stimmung auch nicht grade hebte. Als PJler konnte man sich da aber gut raushalten.Jedoch soll in naher Zukunft das Team personell verstärkt werden, was die Situation hoffentlich entkrampfen dürfte.
Wohnsituation:
Für 365 Franken im Monat bekommt man ein kleines Zimmer im Personalhaus direkt neben dem Spital. Die Einrichtung ist alles andere als modern, jedoch ist es sauber. Kostenloses W-Lan ist erhältlich. Im Keller stehen 3 (etwas wenig) Waschmaschinen für das ganze Wohnhaus zur Verfügung (ca. 1 Franken pro Maschine).Das Gute am Wohnheim ist, dass man sich zu keiner zeit einsam fühlen muss. In irgendeinem Stockwerk wird immer gemeinsam gekocht oder ein Bierchen getrunken. Im Sommer trifft man sich auch oft auf der Dachterrasse zum Abendessen/Grillieren. Über eine Facebook-Gruppe/ Whats-App-Gruppe haben sich die Studenten gut organisiert (Wandern, Badeausflüge, Party, Museumsbesuche), sodass es einem am Wochenende nie langweilig wurde. Der Zusammenhalt unter den PJler war wirklich sehr gut und freundschaftlich. Jeder Neuankömmling wurde hilfsbereit empfangen und gut in die Gemeinschaft integriert.
Freizeit/Luzern:
Luzern bietet vorallem durch den See und die Berge einen hohen Freizeitwert. Im Sommer lohnt es sich auch noch um 18 Uhr nach einem langen Tag an den Vierwaldstädter See ins Badi zufahren. Der direkt hinter dem Spital gelegene kleine Rotsee ist ideal für feierabendliche Joggingrunden oder Spaziergänge.
Bezüglich Wandern, Klettern, Mountainbiking und Baden befindet man sich hier genau richtig. Man muss aber auch erwähnen, dass Bergbahnen, Schiffe und andere Eintrittspreise recht hoch sind und durch das Gehalt kaum deckbar.
Ausflüge ins Tessin, ins Berner Oberland oder die französische Schweiz sind sehr lohnend. Die schweizerische Bahn bietet von Zeit zu Zeit auch spezielle Angebote, ansonsten sind die Verbindungen sehr gut. Wer kein Auto hat, lange bleibt und viel unterwegs ist, sollte sich überlegen ein Halbtax zu kaufen. Damit fährt man mit Zügen, Postbussen, Schiffen und Bergbahnen schweizweit zum Halben Preis.
Fazit:
Für mich persönlich ein gelungenes Tertial, das ich jederzeit wieder machen würde. Ich habe zeitweise viel gearbeitet, aber auch viel gelernt und selbstständig machen dürfen. Freie Tage zum Erholen habe ich genug bekommen. Die Probleme, die es hier gab, sind ja in vielen Kliniken bekannt. Es kommt auch sehr stark auf die persönliche Arbeitseinstellung an, durch welche man schon viel für sich zum Positiven beeinflussen kann. Wer nicht bereit ist zu Arbeiten und sich das Praktikum eher wie eine Hospitation vorstellt, sollte sich jedoch hier nicht bewerben.