Unterkunft
Als Unterassistent kann man für 500 Franken im Monat ein sogenanntes Studio im Wohnheim mieten. Dieses liegt gleich neben dem Spital und wurde vor kurzem frisch renoviert. Alle Zimmer sind modern und zweckmässig mit Bett, Schrank, Tischchen, Schreibtisch, Sessel und zwei Stühlen möbliert. Es gibt eine kleine Küchenzeile und ein grosszügiges Bad. Man schimpft auf hohem Niveau, wenn man bemängelt, dass es im Wohnheim leider keinen Gemeinschaftsraum gibt. Im Wohnheim sind hauptsächlich Unterassistenten, einige der jungen Assistenten und neue Spitalsmitarbeiter untergebracht. Man lernt sich schnell kennen und löst das Problem des fehlenden Gemeinschaftsraums, indem man sich einfach bei den Assistenten trifft, die über grössere Zimmer (mit Balkon) verfügen.
Praktikum
Als Unterassistent (UHU) der Chirurgie am See-Spital hat man einen festen Platz im Organsiationsablauf der Klinik. Man rotiert zwischen zwei Normalstationen, einer Belegstation und dem Notfall im Früh-, Spät- oder Zwischendienst. Im Schnitt hat man zusätzlich einmal pro Woche Bereitschaftsdienst.
Auf den Stationen beginnt der Tag um 7.30Uhr mit dem Morgenrapport. Dort werden alle Röntgenbilder, die seit dem Mittagsrapport am Vortag gemacht wurden, besprochen. Anschließend gehen alle Unterassistenten und Assistenten zum Kaffeetrinken. Ab 8.00Uhr beginnt dann die reguläre Arbeit. In der Regel gehen die Assistenten mittags alle gemeinsam essen. Um 15.30Uhr findet dann der Nachmittagsrapport statt, wo wiederum alle neuen Röntgenbilder besprochen werden. Danach trinken alle einen weiteren Kaffee und erledigen die restliche Arbeit. Nach Hause kommt man je nach Jahreszeit, Wochentag und Einsatzbereich üblicherweise zwischen 16.15Uhr und 18.30Uhr.
Wenn man auf Normalstation eingeteilt ist, geht man als UHU je nach dem jeweiligen Operationsaufkommen gleich um 8.00Uhr in den OP. Dort operieren die leitenden Ärzte des Spitals und verschiedenste Belegärzte.
Das See-Spital ist ein sogenanntes „B“-Spital, dementsprechend werden dort eher kleinere bzw. einfachere Operationen vorgenommen. Ich assistierte vor allem bei Blinddarm- und Gallenblasenentfernungen sowie Leistenhernien. Im OP habe ich hauptsächlich Haken gehalten, Fäden abgeschnitten und gelegentlich die Kamera bei laparoskopischen Operationen gehalten. Insgesamt durfte ich in vier Monaten im OP fünf Einzelknopfnähte machen, einmal eine Schraube reindrehen, während einer OP das Röntgenfusspedal bedienen, einmal eine Drainage festknoten und einmal sogar eine festnähen. Häufig stand ich auch nur daneben, habe einige Fragen gestellt, die je nach Muse des Operateur mit Hingabe oder gar nicht beantwortet wurden. Meist durfte ich am Ende der OP helfen die operierte Extremität zu halten, damit der Verband angelegt werden konnte. Anschliessend war es meine Aufgabe mit aufzuräumen und dann den Patienten zur Schleuse zu begleiten.
Häufig geht man als UHU trotzdem gar nicht in den OP, weil die Assistenzärzte schon alle Operationen abdecken. So kommt es vor, dass man eine Woche auf Station eingeteilt ist und während dieser Zeit keinmal den OP von innen sieht- dann hilft man die Stationsarbeit zu verrichten.
Als UHU ist man hauptsächlich für „Voreintritte“, „Eintritte“ und „Austritte" zuständig. Bei den Voreintritten tippt man alle Informationen der Patienten, die in den kommenden Tagen operiert werden sollen von verschiedenen Zetteln in den PC ab. Bei den Eintritten handelt es sich um Aufnahmen, d.h. man untersucht die Patienten und erhebt eine Anamnese. Auch diese Daten dokumentiert man dann mittels PC. Je nachdem bei welchem Assistenzarzt man als UHU eingeteilt ist, werden die Patienten noch besprochen und es werden Konsequenzen aus den Untersuchungen gezogen. In meiner Stationszeit unterblieb dies in aller Regel und ich konnte die Befunde gleich ausdrucken und abheften. Bei den Austritten werden noch mehrere Seiten Papier ausgedruckt, in der richtigen Reihenfolge in die Patientenakte abgeheftet und zur Sekretärin gebracht.
Ausserdem unterstützt man die Assistenzärzte weiterhin, indem man mit auf Visite geht, anschliessend die Visiteneinträge schreibt und üblichen Stationskram erledigt.
Auf Belegstation ist die Arbeit im Prinzip ähnlich. Gelegentlich führt man aber als UHU die Station alleine, da die zugeteilten Assistenten häufig parallel in das „Ambulatorium“ müssen und darum frühestens ab Mittag, in der Regel erst nach dem Rapport auf Station erscheinen können um mit dem UHU dann die Patienten durchzusprechen und offene Fragen zu klären. Als Student übt man auf Belegstation also schon die zukünftige Rolle als Arzt. Man führt komplett alles was zum Stationsalltag gehört selbstständig und häufig eigenverantwortlich durch. Endlich kann man also arbeiten wie man es für am besten hält, steht aber im Zweifelsfall mit Problemen erstmal alleine da. Dementsprechend waren die Wochen auf Belegstation für mich extrem lehrreich, dafür aber auch recht anstrengend.
Nach der Belegwoche macht man am darauffolgenden Wochenende die Visite auf der Belegstation, hat Bereitschaftsdienst (genannt Pikett) und hilft bei Bedarf am Notfall aus.
Pikett hat man sonst noch durchschnittlich einmal in der Woche. Meistens muss man dann noch mal abends in den OP, nur selten erwischt es einen mitten in der Nacht oder länger als vier Stunden (dann gibt es aber auch noch einen kleinen Zuschlag).
Der letzte Bereich in dem die Unterassistenten tätig sind ist der Notfall. Dort kann man verschiedenste Krankheitsbilder vom eingewachsenen Zehennagel bis zum Sturz aus dem 2. Stock sehen. Man muss hier zügig und konzentriert arbeiten. Schon allein durch die schiere Masse an Patienten kann man am Notfall einiges lernen. Am Notfall kann man als UHU Patienten fast eigenständig, aber immer mit Unterstützung, betreuen. D.h. man sieht die neuen Patienten, untersucht sie und ordnet eine Bildgebung an oder macht sich gleich an die Wundversorgung (hier habe ich eine bessere Bilanz an EKN). Anschliessend hält man mit dem Kaderarzt Rücksprache und untersucht die Patienten ggf. noch gemeinsam. Das Prozedere wird festgelegt und man macht die stationäre Aufnahme oder die Papiere für die Entlassung fertig.
Chirurgische Fortbildungen finden dienstags in Form einer Videoübertragung statt. Diese sind eher für die Assistenten gedacht, dauern 20 Minuten und sind meist von technischen Problemen geprägt. Ebenfalls dienstags treffen sich alle zwei Wochen um 17.30Uhr Ärzte verschiedener Disziplinen zum Tumorboard und anschließend um 18.30Uhr zur Hausarztfortbildung.
Speziellen Studentenunterricht gibt es nicht. Wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, werden durch die Oberärzte gelegentlich Spontanvorträge gehalten.
Alltag und Freizeit
Im Spital und im Wohnheim findet man schnell viele unternehmungslustige Leute. Wir haben sehr häufig zusammen gegessen und getrunken, sind gemeinsam ausgegangen und haben Leid und Freude geteilt. Zürich liegt nur einen Katzensprung entfernt und bietet alles was man von einer ordentlichen Stadt erwartet und zudem noch einen wunderschönen See, eine Hausberg mit der tollsten Aussicht und Cervelat& Bürli. Berg und See locken mit Naherholungsmöglichkeiten, ich war vor dem Spätdienst beim Skifahren, am Wochenende Rodeln und Langlaufen. An die Geschwindigkeitsbegrenzung sollte man sich auf dem Weg zum Ausflug allerdings halten, sonst wird der Ausflug nicht nur sehr teuer, sondern sogar (auf schweizerdeutsch) "ur-hure"-teuer. Durch das verdiente Gehalt und die wunderbare Erasmusförderung kann man sich den Spass aber auch leisten. Auf einmal gibt es auch Geld sich vor den meterlangen Regalen von Käse und Schoki Produkte auszusuchen und mittags in der Kantine hemmungslos zu schlemmen. Doch überraschend- nicht alles kostet. Nach Fortbildungen wird ein "Apero" serviert- feine Häppchen mit feinem Wein. "Savoir-vivre"- das haben die Schweizer drauf- und wenn man doch nicht mehr mag, man das Schweizerdeutsch immernoch nicht versteht und man die Diskussionen zur "Einwanderungsinitiative" nicht mehr erträgt, ist Konstanz auch nur eine gute Stunde entfernt.
Fazit
Ausser-fachlich bin ich sehr zufrieden. Das nächste mal würde ich aber im Sommer kommen, wenn die Tage länger sind und der Zürichsee wärmer ist. (Vermutlich wird es aber kein nächstes mal geben, da ich mich in meiner Rolle als Ausländerin in der Schweiz sehr unwohl gefühlt habe).
Fachlich bin ich von meinem Tertial enttäuscht. Ich habe erwartet im OP zuzunähen und während der Operationen über Anatomie, die OP oder irgendwelche Einteilungen befragt zu werden- wie das eben sonst auch so ist. Stattdessen war ich häufig überflüssig und habe dann noch nicht mal was gelernt. Lehre war insgesamt leider Nebensache, als Unterassistent ist man eben in erster Linie eine billige Arbeitskraft und nicht Student. Auf Belegstation galt "learning by doing", dort habe ich mir zwar wenig chirurgisches Fachwissen angeeignet, aber dafür gelernt wie man als Arzt arbeitet. Retrospektiv schätze ich diese harte Schule sehr, währenddessen war das nicht immer so lustig. Der Notfall hat mir am besten Gefallen, dort war die Betreuung am besten, ich konnte am meisten machen, und hatte Spass dabei nicht den Kopf zu verlieren wenn möglichst viele Patienten auf einmal kamen und alle versorgt werden mussten.
Ich glaube, dass auch einige deutsche chirurgische Kliniken in meiner Bewertung nicht sehr gut davon gekommen wären. Die Leute waren hier schon sehr freundlich und ausgesprochen höflich und während ich im OP war hat mir nur einmal jemand auf die Finger gehauen, ich wurde nicht angeschrien und es wurden keine Instrumente nach mir geworfen- insofern also schon ein voller Erfolg. Ich freue mich dennoch, meine Ausbildung an einem anderen Krankenhaus, in einer anderen Disziplin, bei der mehr Lehre betrieben wird und der Patient häufiger aus mehr als seiner Hauptdiagnose besteht, fortzusetzen.
Bewerbung
Ich habe meine Bewerbung zusammen mit mehreren Freunden ein gutes Jahr im Voraus an Jaqueline Scheifele gerichtet. Zu fünft haben wir in den drei verschiedenen Kliniken am See-Spital alle eine Stelle angeboten bekommen. Man muss dann einige Papiere hin und her schicken, was alles recht einfach ist.
Zum Gehalt- abzüglich der Wohnung und nach Bereitschaftsdienst-, Wochenend-, und Feiertagsaufschlag bin ich mit durchschnittlich 700 Franken rausgegangen.