Kurz und knapp kann ich meine 8 Wochen, die ich im Soho war nur wärmstens empfehlen. Ich wurde super ins Team integriert, es herrschte eine sehr kollegiale Stimmung, ich habe unglaublich viel selber machen dürfen und daher viel mitgenommen :)
Ablauf:
-An meinem ersten Tag wurde ich in der täglichen Morgenbesprechung (Beginn 07:20) willkommen geheißen und allen vorgestellt. Es folgte eine Führung durchs Haus sowie das Regeln des ganzen Organisatorischen. Daraufhin durfte ich mein Hab und Gut erst einmal in mein Zimmer im Personalwohnheim bringen (dazu später mehr) und danach zur Tat schreiten
-Es gibt insgesamt 5 Teams, eingeteilt nach Gelenken: Fuss- und Sprunggelenk, Hüfte und Becken, Knie, Obere Extremität und Wirbelsäule. Man rotiert nach Lust und Laune durch alle Teams. Mal 2 Wochen dort, dann 1 Woche hier. Ich kann alle Teams uneingeschränkt empfehlen. Alle sind bemüht dir was beizubringen und beantworten alle Fragen. Alle Teams haben pro Woche 1-3 OP-Tage und 2-3 Sprechstundentage; d.h. entweder betreust du deine eigenen Patienten in der Sprechstunde, hälst kurz Rücksprache mit dem Chef und diktierst gleich deine eigenen Sprechstundenberichte (anfangs gruselte mich das Diktiergerät ziemlich aber nach 2-3 Berichten hatte man den Dreh raus und wünscht sich nun in Deutschland dieses kleine Gerät zurück..) oder du assisstierst im OP.
Studientage gibt es in der Schweiz nicht, aber sie gestatten dir pro 8 Wochen ca. 2-3 Urlaubstage. Es gab einen wöchentlichen Fortbildungsplan mit intensivem Teaching, Nähkurse, Gipskurse, Fallbesprechungen usw. Gelegentlich wird man von schweizer Blockstudenten unterstützt (wie unsere Famulanten).
-Sprechstunde:
wie schon oben erwähnt, betreut man recht schnell, nachdem man die Untersuchung des jeweiligen Gelenk halbwegs beherrscht, seine eigenen Patienten. Ich fühlte mich anfänglich ganz schön ins kalte Wasser geworfen, aber so lernte ich schneller und wurde rasant eigenständig. Die Sekretärinnen, die entweder fleißig an der Rezeption oder den Büros arbeiten sind so herzlich und immer für ein kleines Späßchen oder einen Tratsch zu haben. Jedes Team geht gemeinsam zwischen 12 und 13 Uhr Essen. Und das Essen ist ein Traum.. (habe wirklich 1-2 Kilo zugelegt :) aber dazu schreibe ich später auch noch was) Für Kaffee-Junkies gibt es für alle eine Nespressomaschine, an der man sich nach Lust und Laune bedienen darf.
-OP:
Wahnsinniger Unterschied zu den bisherigen deutschen OPs, die ich kennenlernen durfte.. An meinem ersten Tag wurde ich von einer freundlichen OP-Schwester eingeschleust, mir wurde alles detailiert gezeigt, wo ich was finde usw. Gleich an meinem ersten Tag durfte ich zunähen. Ich wurde auch aufgefordert aktiv mitzuwirken, nach Instrumenten zu fragen und nicht wie ich es sonst kannte, möglichst still zu halten oder genauen Anweisungen zu folgen sonst gibts womöglich nen Klapps auf die Hand. Zudem lief eigentlich in jedem Team Musik im Hintergrund, was ich persönlich recht angenehm fand. Man war viel 2.Assistenz, aber auch viel 1.Assistenz und durfte weit mehr als nur Zunähen! Das gesamte OP-Personal war klasse! Es hat wirklich viel Freude bereitet. Im OP gab es auch ein Aufenthaltsraum mit frischem Brot und Aufstrich und zum Mittagessen hab es jeden Tag eine warme Suppe, wenn man es nicht runter ins Restaurant geschafft hat.
Gegentlich musste man als 4.Assistenz auch mal ein Bein halten bei ner Hüft-TEP o.Ä. aber 1. kam das selten vor und 2. wurde einem dafür auch wirklich Dank entgegen gebracht.
Pickett-Dienste (Bereitschaftsdienste) musste ich in meinen 8 Wochen nie machen. Meine Tage gingen meistens bis 17:00 Uhr. An wenigen Tagen war man mal bis 21:00 Uhr im OP, an vielen konnte man auch schon gegen 15:00 Uhr den Feierabend einläuten lassen.
-Mittagessen:
Die PJler bekommen täglich ein Mittagsmenu umsonst. Das Restaurant ist ein richtiges Restaurant, keine Kantine, die nur verkochtes Essen anbieten kann. Es gibt eine frische Salattheke, 1 vegetarisches oder normales Essen (Beispiel: 2 Tranchen Roastbeef mit Rosmarin-Polenta-Talern, Rotweinjus und knackigem Frühlingsgemüse), eine Suppe, frisches Brot und Wasser. Ich muss gestehen, dass ich sehr hohe Ansprüche an Essen habe und ich wurde nie enttäuscht. Es hat mir meistens so gemundet, dass ich danach mit einem 2stündigen Mittagstief klarkommen musste.
-Ausstattung:
Die Orthopädie im Sonnenhof genießt einen sehr guten Ruf. Die Ausstattung der Sprechstundenzimmer, Büros und des OPs sind hochwertig und modern. Die PJler (Unterassistenten) haben ein eigenes Telefon und können so jeden erreichen und selber erreicht werden.
-Assistenzärzte:
Der Haufen ist buntgemischt und probierte mir den Einstieg so gut es geht zu erleichtern. Es waren alle sehr aufgeschlossen und haben mir geholfen, wo sie konnten. Teilweise sind viele Deutsche dort zum Arbeiten, die selber ein Teil ihres PJs in der Schweiz gemacht haben und daher wissen worauf es ankommt. Auch nach der Arbeit hat man sich gelegentlich getroffen und was gemeinsam unternommen.
-Personalheim:
1 Minute zu Fuß vom Sonnenhof befindet sich das Personalwohnheim. Ein einfaches Zimmer (ca. 14 qm mit kleinem Waschbecken, Spiegel und Balkon) kostet im Monat 400 CHF. Davon subventioniert der Sonnenhof 100 CHF pro Monat (das Geld wird dir am Ende der Zeit ausgezahlt). Die Kosten fürs Zimmer gehen monatlich direkt vom Lohn ab. Für schweizer Verhältnisse musste ich jedoch lernen, dass der Preis recht akzeptabel ist. Das Personalwohnheim ist sehr einfach, aber die Hauswirtschaft ist bemüht täglich zu putzen. Natürlich müssen die Bewohner sich selber auch etwas bemühen Gemeinschaftsräume halbwegs sauber zu halten. Es gibt 3 Etagen, die 1. hat ganz einfache Zimmer, wie ich eins hatte. Zwei Gemeinschaftstoiletten und zwei Gemeinschaftsduschen. Eine Küche. Alles schon etwas in die Jahre gekommen aber wenn nicht auf Dauer wirklich aushaltbar! Die 2.Etage hat kleine 1-Zimmerwohnungen (Kostenpunkt ca. 800 CHF) mit eigenem Bad und in der 3. Etage sind 2 etwas größere Wohnungen. Unten im Keller gibt es eine Gemeinschaftswaschmaschine und einen Wäschetrockner. Das klappt in den meisten Fällen ganz gut. Manchmal ärgerte man sich über Mitbewohner, die ihre Wäsche nach 6 Stunden immer noch nicht aufgehangen hatten.. ;)
Im Personalwohnheim waren Schwestern, Schwesternschüler, Assistenzärzte usw. untergebracht. Ich hatte dort ne gute Zeit mit netten Gesprächen und gemeinsamen Kochabenden.
-Einkaufsmöglichkeiten:
5 Minuten entfernt gibt es einen Migros bzw. Coop, wo man alles kriegt. An die Schweizer Öffnungszeit (in der Woche bis 19 Uhr, am Samstag bis 17 Uhr) muss man sich gewöhnen und auch die Preise sind anfangs schwer zu verdauen. (Wem das zu teuer ist: paar Assistenzärzte aus dem Wohnheim fahren 1x/Woche zu Aldi/Lidl. Dort kann man sich problemlos anschließen).
-Fortbewegung:
Am besten wäre, wenn man sich ein Fahrrad organisieren könnte. Mit dem Rad ist man vom Personalwohnheim in ca. 10-15 Minuten in der Innenstadt. Die Tram (in 5 Minuten zu erreichen) braucht ca. 10 Minuten. Die Strecke kann man auch mal zu Fuß in 25-30 Minuten schaffen.
Um meinen Bericht hier nicht ganz wie eine Lobhymne klingen zu lassen, hier noch ein paar Sachen, die nicht ganz optimal waren:
-Manche Tage im OP oder in der Sprechstunde waren schon sehr lange und arbeitsintensiv, aber je nach Eigeninitiative konnte man voll mitpowern oder alles etwas entspannter angehen. Nichtsdestotrotz waren die Arbeitszeiten im Schnitt immer länger als in Deutschland, was die Freizeit etwas einschränkte.
-Die Fortbildungen waren immer sehr lehrreich und viele Ärzte nahmen diese auch sehr ernst. Leider sind im Rückblick doch einige Fortbildungen ausgefallen, weil es zeitlich schwer zu organisieren war o.Ä. Dem PJ-Bauftragten ist dies jedoch auch sehr negativ aufgefallen und setzt wirklich viel daran, dass die Lehre bei den Unterassistenten nicht zu kurz kommt.
-Während meiner Zeit im Sonnenhof habe ich ausser ein paar Entlassungen oder täglichen Wundversorgungen, keine Stationsarbeit machen müssen. Einerseits gut, andererseits verlernt man die vielleicht zuvor erworbenen Kenntnisse aus den anderen Tertial etwas.
Ich würde jederzeit wieder zurückgehen :)
Ob orthopädisch-interessiert oder nur chirurgisch-schnuppernd-wollend, findet dort jeder seinen Platz. Und da die schweizer Medizinstudenten nicht so ein Praktisches Jahr, wie wir es haben, absolvieren müssen, suchen die Kliniken immer nach offenen und freundlichen Unterassistenten!
Ich kann jedem nur dazu raten die Zeit während des Studiums noch zu nutzten und mal etwas aus seinem eigenem Dunstkreis heraus zu kommen, Menschen kennen zu lernen und Abenteuer erleben.
Wenn Ihr trotz des ausführlichen Berichtes noch Fragen haben solltet, scheut Euch nicht mich anzuschreiben!
Bewerbung
Ich habe mich sehr spontan dazu entschieden die Hälfte meines Chirurgie-Tertials in die Schweiz zu gehen. Nicht mal 3-4 Wochen vorher schickte ich eine Email an die Sekretärin des PJ-Beauftragten Dr. Flückiger (dorisberger@sonnenhof.ch) und prompt kriegte ich die Zusage. Es wurde alles tipptopp organisiert. Mann muss 100 Euro Kaution bezahlen, die man jedoch man Ende des PJs wieder zurückbekommt. Ansonsten wird man mit ca. 945 CHF brutto im Monat vergütet (= ca. 775 Euro). Ich kam mit dem Lohn, abzüglich des Zimmers und Steuern ganz gut zurecht gekommen. Mit Plus bin ich zwar nicht rausgegangen, besonders weil die Snowboardwochenenden ganz schön ins Geld gingen, aber dafür wars auch einfach ne geile Zeit ;)