Aufgrund der Empfehlung eines Freundes habe ich mich für mein Wahltertial Orthopädie am Kantonsspital Frauenfeld KSF beworben. Frauenfeld selbst ist nicht sonderlich bemerkenswert, aber als Kantonsspital bekommt man dort doch die meisten orthopädischen Eingriffe, die dieses Fach zu bieten hat auch mal zu sehen.
Der Reiz von Frauenfeld liegt sowohl in der Nähe zum sehr schönen Konstanz, wo man auch ausgesprochen günstig einkaufen kann, als auch dem ebenfalls nur ca. 35 Autominuten entfernten Zürich, welches sich für Partys, Kulturausflüge oder einfach zum spazieren und Kaffeetrinken sehr anbietet.
Die Umgangssprache ist natürlich Schwizerdütsch. Am Anfang ist es ungewohnt, und einige Dialektwörter muss man erst lernen, aber im Großen und Ganzen versteht man die Leute recht gut. Von grossem Komfort ist es wirklich, wenn man mit einem Auto da ist, was die Ausflugsplanung ausgesprochen flexibel und unabhängig gestaltet. Va. auch zu den doch etwas entfernteren Wintersportgebieten.
Wer ohne Auto anreist, und plant etwas von Land und Leuten zu sehen, sollte sich möglichst zeitig die Halbtax kaufen - das schweizer Äquivalent zur dt. Bahncard 50.
Bewerbung:
Ich habe mich ca. 12 Monate vor meinem gewünschten Arbeitsbeginn beworben. Meine Anfrage via e-Mail bezüglich der benötigten Unterlagen wurde zügig beantwortet. Lediglich einen Lebenslauf, eine Immatrikulationsbescheinigung, eine Kopie des Personalausweises sowie einen ausgefüllter Personalbogen (wurde im Anhang mitgeschickt) sollte ich einreichen. Die Korrespondenz verlief sehr zügig und reibungslos. Zwei oder drei Wochen nachdem ich alles abgeschickt hatte, erhielt ich den fertigen Arbeitsvertrag.
Sogar alle Unterlagen für Aufenthaltsgenehmigung, Befreiung von der schweizer Versicherungspflicht etc. wurden mir von Frau Erni (Chefsekretärin) zugeschickt, so dass ich nur noch alles unterschreiben und zurückschicken musste.
Unterkunft:
Die Unterkunft wird durch das KSF gestellt. Prinzipiell besteht die Möglichkeit im Personalwohnheim unterzukommen. Hier teilt man sich mit ca. 5-6 Personen 2 Duschen und eine Küche. Waschbecken und Spiegelschrank hat jeder im Zimmer. Das Wohnheim hat eine großartige Dachterrasse, auf der man sich am Feierabend oft noch mit den anderen PJ-lern trifft um zu grillen (wir haben bereits im Februar damit angefangen) oder ein Feierabendbier zu trinken. Die Zimmer kosten ca. 340SF/Monat und beinhalten 1x pro Monat frische Bettwäsche sowie 2x pro Woche frische Handtücher.
Etwas negativ fiel mehr ein rigoros kontrollierter zu bewältigender Putzplan am Ende meiner Zeit auf, zumal zusätzlich noch eine Reinigungspauschale von 70SF obligat zu zahlen ist.
Arbeit:
Da ich als einziger Unterassistent auf der Orthopädie tätig war, hat es mir nicht gerade an Arbeit gefehlt.
Meist hat mein 7:00 begonnen 2-3 post-OP Patienten zu visitieren um pünktlich 7:30 zum tgl. Röntgenrapport mit den Chirurgen erscheinen zu können. Im Anschluss haben die Orthopäden immer noch eine kurze interne Besrpechung gehabt. Wenn man mal erst 7:30 zum Rapport aufgetaucht ist, war das auch absolut in Ordnung.
Ab 8:00 ging es fast immer sofort für mich in den OP, wo ich nicht selten bis 16:00 durchgängig eingeteilt war.
Das Spektrum ist recht breit, von Hüft- und Knie-TEPs über schulterstabilisierende OPs (Rotatorenmanschettenreperaturen, Latarjet-OPs...) über Schulterprothesen über viele Wirbelsäulen OPs (Spondylodesen, Vertebroplastien...), gelegentlich Beckenfrakturen und auch sonst jede Menge Trauma-OPs (die Klassiker wie Radius#, Malleolar#, Tibia#, alle mgl. Schenkelhals- und Femur#) bis hin zu Weichteil-OPs wie Debridements, Achillessehnennähte, VAC-Anlagen/Wechsel...
Im Anschluss oder wenn zwischendurch mal eine Lücke war, hab ich mal auf Station vorbeigeschaut ob ich vielleicht noch den einen oder anderen Patienten aufnehmen kann. Meist rechnet dort keiner mit einem und man kann sich mal kurz erholen, bevor es in die nächste OP geht. Mittagessen war an durchschnittlich 3/5 Tagen mgl. Im OP gibt es aber auch immer Suppe, mit der man sich auch zwischendurch kurz stärken kann.
Nachmittags auf Station habe ich immer die Eintritte für den nächsten Tag vorbereitet (Dokumente angelegt, Patientenlisten mit Diagnosen aktualisiert etc) oder den einen oder anderen MMS oder Schellong Test gemacht.
Phasenweise und nur auf meinen ausdrücklichen Wunsch habe ich auch gern eigene Patienten bekommen, was aber nicht erwartet wird und auch sehr aufwendig ist, wenn man fast nie auf Station ist. Deshalb habe ich das nicht übertrieben und es bei 1-2 Patienten parallel belassen. Eigene Patienten zu betreuen ist auch fast die einzige Möglichkeit mit der Pflege in Kontakt zu kommen. Die sind aber wirklich freundlich.
Meist ist man bis ca. 17Uhr da, selten länger und wenn man einen harten Tag hatte, und nicht mehr im OP gebraucht wird, darf man auch mal zwischen 14 und 15Uhr verschwinden :-).
Generell wurde mir von den Assistenzärzten wirklich unglaublich gut und gerne etwas zum orthopädischen/traumatologischen Basics- und Fortgeschrittenenwissen erklärt (Klassifikationen, Mechanismen, Versorgungsarten...) Unglaublich nette Kollegen muss ich sagen!
Der Chefarzt sehr freundlich, immer motiviert einen zum Bleiben zu überreden und hat auch gern etwas während der (unzähligen) Hüft-OPs erklärt. Auch wenn es um Organisatorisches wie Urlaub ging war er überaus freundschaftlich/fair.
Freizeit:
Grundsätzlich gilt, es muss jeden Tag der Pikett von einem UA abgedeckt sein. Je mehr also in der Chirurgie/Orthopädie/Urologie da sind, umso weniger Nachmittags und Wochenenddienste hat man. Es lief bei uns auf etwa 3-4 Wochentage pro Monat und 1-2 Wochenendtage pro Monat raus, was sehr angenehm ist.
Die Kompensation für Wochenendarbeit muss ausgehandelt werden. Ein Tag wird nicht kompensiert, für ein komplett gearbeitetes Wochenende haben wir 2 Tage frei bekommen. Zudem stehen einem wohl 1,5d Urlaub pro gearbeiteten Monat zu. Das waren bei mir 6d, die wir genutzt haben um nach Sölden in den Urlaub zu fahren :-)
Das ist überhaupt das beste an der Schweiz und sicher auch der Hauptgrund für Viele - phänomenale Skigebiete. Leider alle nicht direkt um die Ecke von Frauenfeld aus, aber mit Auto waren wir fast jedes Wochenende unterwegs und fast jedes mal in einem anderen Gebiet. Sogar bis St. Moritz haben wir es für ein Wochenende mal geschafft.
Sobald es wärmer wird ist Konstanz mit dem schönen Bodensee immer eine Reise wert, und auch sonst für Kino etc. waren wir häufig dort.
Der Rheinfall in Schaffhausen ist wunderschön und nicht weit entfernt.
In Frauenfeld selbst haben wir uns zu 6. in einem Fitnessstudio angemeldet und waren sonst noch gelegentlich Squash spielen. Unter der Woche schafft man ausser Sport abends meinst keine Ausflüge mehr.
Fazit:
Es war ein fantastischer Winter in Frauenfeld, der mich fachlich unglaublich bereichert hat und freizeitmässig die meisten Snowboardtage in einem Winter eingebracht hat! Mit den ausgesprochen tollen anderen UAs haben wir fast jede freie Minute zusammen verbracht und somit auch den ein oder anderen harten Nachtdienst oder miesen OP-Tag vergessen gemacht.
Es ist natürlich viel auch vom aktuellen Assistenzarztteam abhängig aber ich kann Orthopädie in Frauenfeld nur empfehlen (auch wenn man nicht unbedingt später Ortho machen will)
Bewerbung
ca. 12 Monate im Voraus beworben Orthopädie/Unfallchirurgie beides wird gern bestätigt, sodass es als Wahltertial oder als Chirurgiepflichttertial anerkannt werden kann