Das beste Tertial, das man meiner Meinung nach haben kann! Da es in Schweden das PJ-System nicht gibt, hatte ich dort auch nicht die typischen Aufgaben eines PJ-lers, sondern ich war angestellt als Unterarzt und hatte deshalb die gleichen Rechte und Pflichten wie alle Anderen auch. Der Knackpunkt ist, dass es nicht so leicht ist, die Stelle zu bekommen, da man eben dort als ganz normale Arbeitskraft (mit ganz normalem Gehalt) ist. Da ich schon ein Jahr über Erasmus in Uppsala studiert hatte, konnte ich schon schwedisch und hatte auch ein paar Kontakte, was es mir auf jeden Fall erleichtert hat. Ein bisschen Glück, dass die Neurologen auch gerade extremen Mangel an Ärzten hatten, hat mir allerdings auch sehr geholfen ;-)
Ich habe schnell alle Aufgaben eines Stationsarztes übernehmen müssen, nachdem ich nur eine Woche Einarbeitungszeit mit einem Kollegen hatte. Ich habe also meinen Teil der Station (die bestand allerdings nur aus etwa 8 Patienten) selbst betreuen müssen - mit allem was dazu gehört. Patienten aufnehmen, Untersuchungen anmelden, HÄ anrufen, Labor anmelden, den Schwestern alle Fragen beantworten, Briefe diktieren,... Da kommt man aber in dem gerade für Berufsanfänger freundlichen schwedischen System sehr gut zurecht, alle sind sehr hilfsbereit und verständnisvoll gewesen, sowohl die Ärzte als auch das Pflegepersonal. Schnell sollte ich dann auch die Rettungsstelle als Neurologe betreuen, was sehr viel erscheint, aber auch das ging irgendwie sehr gut. Man ist ganz erstaunt darüber, wie viel man eigentlich schon kann und mit dem Oberarzt im Hintergrund, den man zu jeder Zeit anrufen kann, ohne dass dieser schlecht gelaunt ist, geht das alles noch viel leichter. Nach der Hälfte der Zeit haben wir auch wöchentlich Studenten bekommen, die dann größtenteils mit mir mitgelaufen sind und so eine Art Famulatur gemacht haben. Die nehmen einem viel Arbeit ab, man muss sie allerdings auch überallhin mitschleppen und versuchen, denen alles zu erklären. Auch die finden das allerdings überhaupt nicht schlimm, wenn man auf ihre Fragen keine Antworten hat - im Gegenteil, sie waren eher erleichtert. Nach 2 Wochen Einsatz in der Poliklinik, wo ich dank meiner ausgezeichneten Mentorin nicht nur die langweiligen Kopfschmerzpatientenfälle, sondern auch neurologisch sehr interessante und seltene Fälle bekommen habe, war ich zum Abschluss noch eine Woche lang im Nachtdienst für die Rettungsstelle sowie die neurologische und Rehabilitationsstation zuständig. Auch das war hart, aber sehr sehr lehrreich, irgendwann werden wir ja eh alle unseren ersten Nachtdienst haben.. Erleichternd war natürlich hier wieder, dass ich meinen Oberarzt die ganze Nacht über anrufen konnte und keine genervten Antworten bekommen habe, sondern er sich um 2 Uhr in der Nacht noch nett mit mir unterhalten hat und mich sogar gefragt hat, wie es mir geht und ob ich mich denn wenigstens für ein paar Minuten hinlegen werde können.
Da man kein Pjler ist, hat man keinen Studientag und auch nicht früher Schluss, sondern kann erst gehen, wenn die Aufgaben eben erledigt und die Patienten versorgt sind. Aber auch dies war nicht so dramatisch. Offizielle Arbeitszeit war bis 17 Uhr, da wir 1 Stunde Mittagspause hatten (die wir alle auch immer nahmen und uns gemeinsam zum Essen und Kaffee-Trinken hinsetzten). Meist konnte ich zwischen 17 Uhr und 17:30 nach Hause gehen.
Fazit: Es lässt sich nur schwer zusammenfassen, wie sehr es mir dort gefallen hat, und wie froh ich bin, dass ich mein Neuro-Tertial dort gemacht habe. Alles in allem war es ein sehr anstrengendes Tertial, da man eben in einem fremden Gesundheitssystem auf einer anderen Sprache arbeitet, aber dafür ein extrem lehrreiches! Nicht nur in neurologisch-fachlischer Hinsicht, sondern auch allgemein im Umgang mit schwierigen Situationen, mit Patienten und dem Krankenhauspersonal. Natürlich war es noch ein zusätzlicher Bonus, dass man Gehalt bekam. Ich hätte diese Erfahrung aber auch ohne das Geld gerne gemacht.
Ach und Blutabnahmen und Flexülenlegen ist Schwestern-Aufgabe. Dafür konnte ich alle LP´s dort machen!
Bewerbung
ca. 1/2 Jahr bis 1 Jahr vorher. Eigenständige Bewerbung direkt an die Klinik. Schwedisch ist ein Muss - zumindest wenn man als Unterarzt dort arbeiten will. PJ-ler nehmen sie meiner Meinung nach nicht auf, da sie schon zu viel mit Ihren eigenen Studenten zu tun haben.