Das Chirurgie-Tertial kann man entweder im Hospital de Clínicas oder im Hospital Maciel machen. Das erfuhr ich aber erst vor Ort und wurde dann von Javier dem Maciel zugeteilt. Dieses ist deutlich kleiner (2 Stockwerke) und liegt in der Ciudad Vieja; über die Rambla kann man es prima mit dem Rad erreichen (ca 4km), außerdem gibt es direkte Busverbindungen (ca 20 Minuten).
Die Universitätskliniken sind öffentliche Krankenhäuser, die Behandlung der Patienten ist kostenlos. Oft müssen die Patienten auf bestimmte Untersuchungen (z.B. MRT) oder elektive Operationen sehr lange warten. Meine Station, die Sala Padre Ramón, besteht aus einem großen Saal mit 14 Betten, die Betten sind nur durch Vorhänge oder dünne Trennwände getrennt. Wäsche wird im Krankensaal getrocknet. Es ist üblich, dass die Angehörigen die Patienten pflegen. Dinge wie ein Fernseher, ein Ventilator, Geschirr oder zusätzliches Essen und Mate werden von zuhause mitgebracht. Dennoch sind die Zufriedenheit und Dankbarkeit der Patienten und das Ansehen der Ärzte sehr hoch. Die Arzt-Patienten-Beziehung ist dort eher (noch) paternalistischer Natur.
Das Medizinstudium dauert in Uruguay 7 Jahre; das letzte Jahr ist unserem PJ sehr ähnlich und besteht aus vier Quartalen (Chirurgie, Innere, Gynäkologie/ Pädiatrie verpflichtend, mindestens ein Quartal muss auf dem Land abgeleistet werden). Im Anschluss ist man drei Jahre lang Assistenzarzt (residente) und schließt jedes dieser Jahre mit einer Prüfung ab. Die Fach-, Ober- und Chefärzte heißen dort Grado 2/3/4/5, wobei Grado 5 der Ranghöchste ist. Die Internos werden während dem PJ bezahlt (ca. 500€/ Monat); ausländische PJler nicht. Das Studium ist in Uruguay gebührenfrei. Die uruguayischen Medizinstudenten machten auf mich einen kompetenten Eindruck (gute praktische Ausbildung) und viele sind richtig begeistert von ihrem Studium und dementsprechend motiviert. Studenten unterer Semester- Leucos wegen der weißen Kittel genannt- sind oft für Blockpraktika und zusätzlich freiwillig im Krankenhaus; auch in der Notaufnahme.
Alltag:
Im Maciel gibt es mehrere chirurgische Kliniken; ich war in der Clínica Quirúrgica 3 bei Professor Luis Ruso. Unter seiner Leitung gibt es einen Frauen- (Padre Ramón) und einen Männer-Saal (Argerich). Dies sind allgemeinchirurgische Säle und die häufigsten Krankheitsbilder sind Cholezystitis, Appendizitis, Pankreatitis, gastrointestinale Tumore und Stich-/Schussverletzungen. Im Maciel gibt es außerdem noch zwei Intensivstationen, auf denen auch Patienten der Chirurgie liegen. Patienten dieser beiden Säle werden montags, donnerstags und freitags operiert. Dienstags findet eine OP-Koordinationsbesprechung statt (fand ich jetzt nicht so lehrreich). PJler arbeiten montags bis samstags von 8 bis 12 Uhr und haben an einem Tag pro Woche eine 24-Stunden-Schicht (guardia) in der Notaufnahme, an die sich ein normaler Stationstag anschließt. Die PJler schlafen während der Guardia oft nur 2-3 Stunden und etwa die Hälfte der PJler hat neben dem PJ noch einen zweiten Job, z.B. in einem anderen Krankenhaus (also ca. 80 Arbeitsstunden/Woche!). Die Arbeitszeiten gelten grundsätzlich auch für ausländische Studenten; bei der Guardia konnte ich jedoch solange bleiben, wie ich wollte (oft bin ich mit dem vorletzten Bus heimgefahren) und samstags reichte es aus, wenn ein PJler anwesend war. Im Saal waren mit mir noch ein bis zwei einheimische PJler eingeteilt, deutsche Medizinstudenten sah ich keine (aber anscheinend haben sie immer wieder einige). Morgens verordneten wir bei unseren Patienten als erstes die Medikation für die nächsten 24 Stunden und setzten Diäten und Nüchternzeiten fest. Im Anschluss gingen wir auf Visite: manchmal nur wir PJler, aber meistens zusammen mit den Assistenzärzten und den Fach-/Oberärzten. Während der Visite füllten wir Konsilscheine aus, setzten Blutentnahmen (Blut nehmen dort die Schwestern ab) und andere Untersuchungen an. Oft wurden während der Visite auch Röntgen-/CT-/MRT-Bilder besprochen. Teilweise lagen Patienten unserer Abteilung auch in anderen Sälen oder auf der Intensivstation. Zu unserer Aufgabe gehörte es außerdem, Aufnahmen zu machen, EKGs zu schreiben, den Übergabezettel zu aktualisieren, die Laborergebnisse auszudrucken und Befunde zu organisieren. Meistens war pünktlich Schluss. Im Maciel gibt es keine DECT-Telefone, alles läuft über private Handynummern und whatsapp-Gruppen. Die Laborergebnisse kann man auch über das Handy einsehen. In der Freizeit/ nachmittags dürfen PJler bei Operationen zusehen und manchmal auch assistieren. Jeder Residente hat an einem festen Wochentag „policlínica“, eine Sprechstunde zur OP-Planung und Nachsorge bereits operierter Patienten. Nach 12 Uhr ist nur noch sehr wenig Personal in den Sälen; so ist es teilweise schwierig für die Patienten an Bedarfsmedikation zu kommen oder nachmittags einen Arzt zu sprechen.
Guardia:
An einem festen Tag pro Woche hat jeder PJler eine 24-stündige Guardia in der interdisziplinären Notaufnahme. Um Acht findet die Übergabe statt, d.h. alle anwesenden Patienten werden visitiert. Die Notaufnahme hat fünf verschiedene Bereiche: 1. Die „Boxen“: dort werden die Patienten von den PJlern/ Assistenzärzten untersucht, Ziel ist es, möglichst schnell die erforderlichen Untersuchungen (BE, Röntgen) durchzuführen und die Patienten dann entweder zu entlassen und sie ggf. ambulant zu betreuen oder stationär aufzunehmen/ zu operieren. 2. Die „sillas“: Wartemöglichkeit auf Liegestühlen mit Sauerstoffversorgung. 3. „monitor“: Betten mit Monitorüberwachung 4.„reanimación“: mit 2 Plätzen 5. Area sucia + limpia: zwei Zimmerchen, wo kleinere Verletzungen genäht werden oder Patienten ausnüchtern. Die Hauptaufgabe der PJler in der Notaufnahme besteht darin, die Anamnese und Untersuchung neuer Patienten zu machen, sie zu dokumentieren und erforderliche Untersuchungen anzuordnen. PJler im ersten Quartal halten noch sehr häufig zuerst Rücksprache mit dem zuständigen Assistenzarzt, im letzten Quartal agieren sie oft eigenständig. Außerdem schreiben wir EKGs (teilweise etwas abenteuerlich, weil nur eine Brustwandableitung vorhanden ist) und holen das Mittag- und Abendessen aus der Kantine und kaufen die Getränke ein. Es wird gemeinsam gegessen und als Ausländer ist man selbstverständlich auch dazu eingeladen.
Schnittverletzungen nähen meistens die PJler oder Studenten höherer Semester. Die Patienten im Maciel sind größtenteils nicht wohlhabend und gerade in der Notaufnahme sieht man viele Obdachlose und Drogenabhängige. An Krankheitsbildern habe ich dort gesehen: Ulzera der Füße, dekompensierte Herzinsuffizienz, Asthmaanfälle, Alkoholentzugsdelir mit Krampfanfall, einen Drogenkurier mit Kokainpäckchen im Darm, psychiatrische Fälle wie z.B. Suizidversuche und einen jungen Mann mit Pica-Syndrom, der schon vielfach Bombillas geschluckt hat, Schuss- und Stichverletzungen (die meisten vom Cerro), Verletzte nach Verkehrsunfällen, akutes Abdomen, eine aus Brasilien eingeschleppte unklare Tropenkrankheit und viele mehr. Tuberkulose, HIV und Hepatitis C sind unter den (Ex-) Drogenabhängigen nicht selten. Viele sind dort abhängig von pasta base, einem Abfallprodukt aus der Kokainherstellung, das sehr schnell abhängig macht und Körper und Geist zerstört (ähnlich wie Crystal meth). Außerdem werden oft auch Häftlinge (in Handschellen und von zwei Polizisten bewacht) behandelt. Die Zustände in den Gefängnissen dort müssen ziemlich heftig sein.
Im letzten Monat hielten die drei PJler der Clínica quirúrgica 3 unter Leitung der Oberärztin Referate über kleinere chirurgische Eingriffe wie die Anlage eines ZVK. Außerdem fand an einem Samstag ein Seminar über Plastische Chirurgie im Pasteur-Krankenhaus für alle PJler in Montevideo statt (war ganz interessant). Während meiner Zeit dort mussten in unserem Saal zwei ZVKs gelegt werden, dies durften die PJler übernehmen (leider nicht sehr steril).
Mitnehmen für das Krankenhaus: Kittel, Kasack + Hose für die Guardia, Stethoskop, Desinfektionsmittel (benutzen die Urus selbst kaum; sie waschen stattdessen ihre Hände mit Seife und schrubben sie sich teilweise auch mit Bürstchen), medizinisches Wörterbuch/ App.
Bewerbung
Die Bewerbung an der Universidad de la República ist sehr unkompliziert, man braucht nur eine E-Mail mit den Bewerbungsunterlagen an internacional@fmed.edu.uy (Ansprechpartner ist momentan Javier Dos Santos) zu schicken:
Bewerbungsschreiben an den Dekan mit Angabe der gewünschten Fachrichtung und des Aufenthaltzeitraumes (auf Spanisch), Lebenslauf inklusive Passnummer (auf Spanisch) und einen Dean’s Letter (auf Englisch, wird im Studiendekanat ausgestellt und kann auch per E-Mail geschickt werden, obwohl auf der Ausschreibung „per Fax oder Post“ steht). Eine Woche später hatte ich bereits eine vorläufige Zusage und nach einem Monat die offizielle vom Dekan unterschriebene Zusage. Die Bestätigung der Auslandskrankenversicherung (über die Deutsche Ärztefinanz für 32€/1Tertial) und eine Kopie meines Flugtickets reichte ich noch nach.
Die Universidad de la República Oriental del Uruguay ist keine offizielle Partneruni der FAU, es sind dort aber trotzdem keinerlei Gebühren fällig.