Eigentlich wollte ich ja nach Norwegen. Da es mit der Sprache da aber etwas haperte, schaute ich mich in der englisch-sprachigen Welt um und wurde auf Neufundland aufmerksam. Die guten bis sehr guten Bewertungen bei PJ-Ranking machten dann das Charles S. Curtis Memorial Hospital in St. Anthony für mich sehr interessant. Die Bewerbung dorthin habe ich ca 14 Monate vorher abgeschickt. Klar- wie man hier in anderen Bewertungen schon lesen konnte, ist das gesamte Bewerbungsverfahren recht langwierig und auch teuer, dafür klappte der Austausch mit Neufundland immer reibungslos.
Die Zeit in St. Anthony schließlich sollte mit die Beste in meinem Studium werden. In meinen Augen war es- zumindest in der Unfallchirurgie/Orthopädie mit Dr.Vatturi ein perfektes Verhältnis von Lern-/Arbeitszeit und Freizeit. Zweimal die Woche war Sprechstunde, wo ich von Anfang an jeden Patienten zu erst sprechen und untersuchen konnte. Kniegelenkspunktionen etc. durfte ich dann nach und nach auch immer selbstständiger durchführen. OP war 2x die Woche. Hierbei war ich eigentlich automatisch immer erster Assistent, da es ausser Dr. Vatturi eben keinen weiteren Unfallchirurgen in St. Anthony gibt.
Ohnehin gibt es in St. Anthony nur wenig Menschen- ca. 2000 an der Zahl. Ein Kino gibt es ebenso wenig, wie eine Bar. Was für viele nun erstmal furchtbar klingen mag, stellte sich vor Ort als gar nicht so schlimm raus. Soziale Kontakte findet man auch oder vor allem in St.Anthony schnell und zahlreich. Bei so wenig Einwohnern rückt eben alles etwas näher zusammen. Das hat dann so schöne Nebeneffekte, wie dass einen der Krankenhausschreiner schon mal auf seinem eigenen Boot mit zum Angeln nimmt oder der scheidende Chirurg das halbe Krankenhaus zur Hausparty einlädt.
Apropos Haus- gewohnt wird zusammen mit allen anderen Studenten ( insg. 4-7) im alten Wohnsitz des Namensgebers des Krankenhauses- im Curtis House. Wo sonst hat man im PJ eine WG mit Meerblick in einer alten Arzt-Villa, wo manchmal eine Elchmutter mit ihren Jungen durch den Garten spaziert und der Allgemeinchirurg abends spontan mit 3 Familienpizzen zur "Movie-Night" vor der Tür steht? ?
Ich könnte jetzt hier noch weiter lange ausholen, weil diese 8 Wochen wirklich unendlich viel zu bieten hatten. Wale, Flug mit dem FamilyDoc nach Labrador usw....
Für alle, die es für 2 Monate auch mal in einem etwas weniger zivilsierten Teil dieser Erde aushalten und die auch ein Hochsommer mit durchschnittlichen 15º nicht abschreckt, sei St. Anthony in Neufundland wärmstens empfohlen.