Wir sind zwar Famulanten, allerdings wurden wir wie PJler eingesetzt und wollen daher zukünftigen PJlern diese Bewertung nicht vorenthalten.
In Frutigen haben wir die bisher beste Famulatur verbracht. Wir sind zwei Studentinnen nach dem 4. klinischen Semester, die sich gemeinsam für eine Famulatur in der Schweiz entschieden haben. In der Schweiz gibt es weder Famulaturen noch das PJ, sodass wir gleichermaßen als Unterassistenten (UHUs) eingesetzt worden sind.
Das fmi Spital Frutigen ist ein kleines Haus mit den Fachrichtungen Chirurgie/Orthopädie+Unfallchirurgie (1 Station), Gynäkologie (1 Station) und Medizin (entspricht der Inneren, ebenfalls 1 Station). Dennoch hat es einen Hubschrauberlandeplatz und ist voll in die Versorgung der umliegenden Ortschaften und Skigebiete eingebunden. Eine Intensivstation gibt es jedoch nicht, daher werden auch einige Verlegungen ins Inselspital Bern von Frutigen aus organisiert. Da das Krankenhaus so klein ist, gibt es hier keine Fachärzte, sondern nur Assistenten/UHUs und Chef-/Oberärzte. Dadurch ergeben sich sehr flache Hierarchien und eine lockere Atmosphäre.
Unser Arbeitstag begann morgens um 7:50 Uhr bei der Frühbesprechung mit allen Fachrichtungen. Anschließend gehen die UHUs in den OP oder helfen auf Station oder in der Notaufnahme. Die Einteilung in die OPs wurde unter den UHUs ausgemacht. Operiert werden viele unfallchirurgische Krankheitsbilder, aber auch Kniearthroskopien, Rotatorenmanschettenrekonstruktionen und TEPs stehen regelmäßig auf dem Plan. Zudem werden noch laparoskopische und offene chirurgische Eingriffe (wie z.B. Cholezystektomien) durchgeführt. Häufig ist man hier die 1. Assistenz und darf auch schonmal die Kamera führen. Wer sicher im Nähen ist, kann seine Fähigkeiten hier verbessern, ansonsten kann man ohne Druck nähen lernen. Die Atmosphäre im OP haben wir als deutlich freundlicher wahrgenommen, als in manch einem deutschen Krankenhaus. Vor allem die herzlichen OP-Schwestern haben hieran einen großen Anteil. Nachmittags betreut man zusammen mit den Chefärzten und dem Oberarzt die ambulanten Patienten. Hier stehen Untersuchungen, Röntgenanmeldungen, Laboranforderungen, Rezepte, Physioverordnungen und Krankschreibungen auf der Tagesordnung. Anschließend müssen Montags und Mittwochs noch Patienten für Operationen am Folgetag aufgenommen werden. Gegen 17 Uhr konnten wir häufig gehen, aber der ein oder andere interessante Fall in der Notaufnahme hat den Arbeitstag freiwillig verlängert. Wichtig für die Arbeit sind ein Telefon und ein Badge, mit dem wir vollständig auf das Krankenhaussystem Zugriff erhielten. Mittwochs findet regelmäßig eine Fortbildung für die chirurgische Abteilung statt, Freitags bringt Frau Dr. Negri ein EKG zur Frühbesprechung mit und diskutiert es mit den Assistenten und UHUs. Zudem hatten wir das Glück einen Untersuchungskurs vom Oberarzt der Orthopädie zum Thema Schulter zu erhalten. Auf Nachfrage wird er das bestimmt gerne wiederholen. Der Chefarzt der Chirurgie hat uns einen Nahtkurs ermöglicht und uns Material zum Üben mitgegeben. Zu den Aufgaben gehören auch die Pickett-Dienste. Diese beinhalten eine Rufbereitschaft bis zum nächsten morgen, um in Notfällen im OP zu assistieren. Selten wird man nachts zu einer Not-Sectio gerufen (auch das ist ein Erlebnis wert), jedoch stehen häufig abends noch außerplanmäßige Operationen an. Die Pickett-Dienste werden von allen UHUs abwechselnd besetzt, auch von denen die in der Medizin eingesetzt sind. Die Pickett-Dienste werden nicht extra entlohnt. Zusätzlich zu den Wochentagen muss auch das Wochenende abgedeckt werden. Für die Wochenendtage steht einem dann ein Freizeitausgleich und kostenloses Essen zu. An den Wochenenden müssen häufig noch ambulante Patienten betreut werden und jeder freut sich über Mithilfe in der Notaufnahme. Das macht auch wirklich Spaß, weil man eigenverantwortlich Patienten untersucht und diagnostiziert und die Ergebnisse anschließend dem diensthabenden "Chef" vorstellt.
Essen ist regelmäßig für 9,50 CHF im Restaurant des Spitals möglich, wer im Wohnheim untergebracht ist, kann auch dort seine Mittagspause verbringen.
Insgesamt sind wir sehr aufmerksam willkommen geheißen worden, nicht nur von ärztlicher Seite, sondern von allen, denen man im Krankenhausalltag begegnet.
Für die UHUs besteht bei rechtzeitiger Nachfrage die Möglichkeit bei Frau Hilde Peeters ein Wohnheimszimmer zu buchen. Dieses kostet 190 CHF im Monat und ist etwa 20 qm groß. Es enthält einen Kühlschrank und ein kleines Waschbecken und genug Platz um alle Sachen zu verstauen. Auf dem Flur teilt man sich mit dem Nachbarzimmer ein Bad. Zudem gibt es eine gut ausgestattete Küche inklusive Backofen und Mikrowelle. Küche, Flur und Bad werden einmal pro Woche von eine Putzkraft gereinigt. Mit den anderen UHUs auf dem Flur haben wir sehr fröhliche Abende in der Küche verbracht. Insgesamt ist das Wohnheim sehr modern und sauber und der Blick über die Berge lohnt sich. Es gibt einen direkten Zugang ins Spital.
Frutigen ist kein großer Ort und bietet keine Partymeile. Wer aber Natur und Berge liebt, ist hier genau richtig. Hier kann man Skifahren, wandern, Fahrrad fahren, Gleitschirmfliegen und vieles mehr. Wir waren mit dem Auto dort und dementsprechend flexibel. Frutigen hat aber auch einen Bahnhof. Da aber öffentliche Verkehrsmittel nicht günstig sind, sollte man sich vorher über das Halbtax informieren.
Bern, Thun und einige weitere schöne Städte sind in etwa 1/2 Stunde zu erreichen und einen Ausflug wert.
Frutigen liegt in der deutschsprachigen Schweiz, selten sprachen Patienten nur französisch (was die Chefs aber einwandfrei beherrschen). Dennoch gab es sprachliche Schwierigkeiten für uns, die zu einiger Belustigung beitrugen. Nach etwa zwei Wochen haben wir uns aber ganz gut eingehört.
Bewerbung
Wir haben uns etwa ein halbes Jahr vorher per Email beworben inklusive CV und Bewerbungsschreiben. Die UHU-Stellen sind sehr unterschiedlich ausgelastet, sodass teilweise kurzfristige Bewerbungen noch erfolgreich sein können. Ansprechpartner ist Dr. Peter Häfliger (peter.haefliger@spitalfmi.ch), der einem auch pfeilschnell antwortet. Wichtig ist noch der Nachweis einer Krankenversicherung, für einen Monat reicht hier eine normale Auslandskrankenversicherung (für ca. 10 € bei den meisten Anbietern zu haben) aus.