In der Gemeinschaftspraxis im Bayerwald bist Du richtig aufgehoben, wenn Du Lust darauf hast, raus aus der Klinik zu kommen und einen Einblick zu bekommen, welche Beschwerden und Krankheiten viele Menschen betreffen. Hier wird ein guter Einblick in das „unselektierte“ Patientengut gewonnen und darüber hinaus Evidenzbasierte Medizin gelebt. Ganz nebenbei lernt man eine beeindruckend strukturierte Praxis kennen.
Häufiges ist häufig und Seltenes ist selten. Das stimmt. Bei meinem PJ im Bayerischen Wald habe ich gelernt, strukturiert mit den Beschwerden der Patienten umzugehen - was sind die abwendbar gefährlichen Verläufe? Was sind Anzeichen hierfür? Wann sollte überwiesen werden? So konnte ich ungemein dazulernen, wie man anamnestisch und durch die körperliche Untersuchung gerade Hinweise auf seltenere/bedrohlichere Beschwerdeursachen erkennen kann, ohne zuvor eine große diagnostische Kaskade durchlaufen zu müssen.
Die Gemeinschaftspraxis im Bayerwald ist inzwischen eine überörtliche Gemeinschaftspraxis mit drei Standorten: Kirchberg, Rinchnach und Schöfweg. Zu meiner Zeit waren 2 Assistenzärtzinnen und 5 Fachärzte, zum Teil in Teilzeit, in den Praxen tätig. Drei der Ärzte sind nur in einer Praxis tätig, alle anderen sind „mal hier, mal da“. Ich war die meiste Zeit mit Dr. Blank unterwegs, war also in der Praxis, in der er an den jeweiligen Tagen war. In das Team wurde ich sehr nett aufgenommen und schnell integriert.
Wie schon oben erwähnt: In den Praxen wird auf evidenzbasierte Medizin Wert großen Wert gelegt, wobei die Lebensqualität des Patienten im Vordergrund steht. Quarternäre Prävention wird groß geschrieben und Pharmavertreter sind hier nicht anzutreffen.
Nun zum Sprechstundenablauf: Meistens ging ich zu Patienten, die in einem der Behandlungszimmer waren, anamnestizierte und untersuchte sie, gab Therapieempfehlungen. Dann kam Dr. Blank mit ins Behandlungszimmer, ich stellte ihm die Patienten (mit Anamnese, Untersuchungsbefunden und Therapievorschlag) vor und das weitere Prozedere wurde vor dem Patienten besprochen. Ich konnte immer genauso viel machen, wie ich mir selbst zugetraut habe. Dabei konnte ich sichersein, dass nichts übersehen wird, da Dr. Blank die Patienten nachuntersuchte. Für die Patienten ist es dabei nichts ungewöhnliches, wenn sie von Studenten untersucht werden, in der Praxis sind schon seit ca. 10 Jahren regelmäßig Studenten anzutreffen. Was auch daran liegt, das Dr. Blank sehr engagiert in der Ausbildung ist. Hausbesuche konnte ich jederzeit mitfahren, musste ich jedoch nicht.
Ich erstellte mir am Anfang des PJ ein Curriculum, in dem ich für jede Woche Lernziele formulierte, die ich dann in der entsprechenden Woche bearbeitete. Dazu gehörten für mich auch Hospitationstage bei niedergelassenen Fachärzten der Region. So war ich z.B. Vormittage in der Pädiatrie, Urologie, Neurologie, Nephrologie, HNO, Ophthalmologie sowie in einer Physiotherapie- und Ergotherapie-Praxis. Wurde in der Praxis eine Appendizitis diagnostiziert, konnte ich bei der anschließenden OP im Klinikum Deggendorf dabei sein. Dieses Konzept hat mir besonders gut gefallen. Neben der normalen Sprechstunde fand 1x in der Woche eine Skype-Weiterbildung mit den Ärzten der Praxen statt. Themen waren z.B. Divertikulitis, Müdigkeit und Brennen beim Wasserlassen. Außerdem wurden innerhalb der Praxis 1x/Woche Fälle besprochen. Wenn das Sonogerät frei war, konnte ich jederzeit den Schallkopf in die Hand nehmen und ein bisschen üben.
Alles in allem habe ich die Zeit im Bayerischen Wald sehr genossen, gerade nach dem Examensstress hat die Ruhe sehr gut getan ;) Darüber hinaus war die Zeit super lehrreich und ich bekam eine gute Sicherheit in der körperlichen Untersuchung und dem Beachten abwendbar gefährlicher Verläufe. Es fanden regelmäßige Gespräche mit Dr. Blank über die PJ-Ziele, die Fortschritte, die allgemeine Situation/Zufriedenheit statt und für Nachfragen waren jederzeit Raum geboten. Wie genau meine Erfahrungen waren, kann auf der Homepage unter http://www.praxis-bayerwald.de/ nachgelesen werden. Es wird nämlich verlangt, das man jede Woche ein paar Zeilen schreibt, wie eine Art Tagebuch, das dann auf der Homepage veröffentlich wird. Auch wenn ich davon anfangs nicht zu 100 % begeistert war, war das ganz gut, um noch einmal zu reflektieren „was in der Woche so passierte“, was gut lief und was weniger.
Ich kann das PJ in der Gemeinschaftspraxis jedem ans Herz legen, der sich für Allgemeinmedizin interessiert, der Menschen mag und bereit ist, 4 Monate auf dem Land zu verbringen. Eigenengagement wird groß geschrieben. Ich würde mein Wahltertial jedenfalls jederzeit wieder dort machen!
Anmerkung: Durch die Sprechzeiten hat man eine lange Mittagspause, die man gut nutzen kann. Ich war oft Langlaufen (hatte ich zuvor noch nie gemacht, Organisation der Ausrüstung war kein Problem) bzw. hab an meiner Doktorarbeit gearbeitet. Das war gut machbar! ;)
Bewerbung
Ich schrieb eine Mail an die Praxis, in der ich mitgeteilt habe, dass ich mich für das PJ im Wald interessiere, dann habe ich 1,5 Tage in die Praxis geschnuppert, 9 Monate vor PJ-Beginn (später wäre aber auch kein Problem gewesen). Der PJ-Platz wurde dann für mich reserviert (im von mir angegebenen Zeitraum).