Liebe zukünftigen PJler,
als neuer Unterassistenz wird man im Kantonsspital Münsterlingen sehr freundlich empfangen und erhält mit einer Dauer von 1,5 Tagen die mit Abstand längste Einführungsveranstaltung . Neben einer kurzen Einarbeitung in das spitalinterne Computersystem und einer kleinen Führung wird vor allem viel erzählt. In erster Linie über den Firmenvertrag und wie zufrieden die Mitarbeiter sind, Leider gilt dieser Vertrag nicht für uns! Als Studenten unterzeichnet man einen Vertrag, der mit den ersten Zeilen klar stellt, dass kein Recht auf zeitliche oder finanzielle Kompensation von Diensten oder Überstunden, sowie kein Recht auf Urlaub besteht. Warum ich das so unterschrieben habe....ich weis es auch nicht!
Die erste Woche stand noch unter dem Schutz der Weihnachtsferien und so lief der Betrieb nur auf Sparflamme. Dennoch wurde uns allen schnell klar, außer Hackenhalten und Patientenaufnehmen war hier nicht viel zu gewinnen. Wer sich wie ich erhofft die verschiedenen Disziplinen der Chirurgie zu durchlaufen, den muss ich leider enttäuschen. Als Unterassistent ist man in erster Linie auf der Orthopädie, dass war für mich, der sein Wahlfach in der Orthopädie verbrachte, besonders bitter. Man ist jedoch auch für die Aufnahmen und das Hackenhalten der Patienten der Viszeralchirugie zuständig. Im OP beschränkt sich dies jedoch vorwiegend auf Hernien jeglicher Art. Dies liegt daran, dass die Viszeralchirurgie recht gut besetzt ist und so wird man für die richtig spannenden OPs erst gar nicht eingeteilt. Nachts sieht das dann wieder ganz anders aus. Dienste! Die beginnen entweder um 17:00 Uhr oder am Wochenende um 7:00 Uhr bis um 7:00 Uhr am Folgetag. In meiner Zeit von ziemlich exakt 2 Monaten und 20 Tagen habe ich in Münsterlingen 16 Dienste leisten müssen. Die Anzahl der Dienste, die ihr leisten müsst, schwankt mit der Anzahl der Unterassistenten und ist auf die Studenten der Chirurgie und der Gynäkologie beschränkt. Das kann dann im Extremfall auch mal 10 Dienste pro Monat pro Person sein. Auf eine Anfrage diesbezüglich im Chefarzt-Sekretariat ob man dies wirklich von uns verlangen könne, wurden wir prompt mit den Worten "Das ist dann halt so" in Kenntnis gesetzt. Ein radiologischer Unterassistent zum Beispiel erhält also auch die 1300 CHF, muss aber keine Dienste leisten. Zudem muss wirklich jeder Tag besetzt werden, egal ob Wochenende oder Ostern! Jeder Tag! Und wir erinnern uns, es gibt keine zeitliche oder finanzielle Kompensation. Im Allgemeinen bedeutet das dann ihr steht nachts z.B. bis 4 Uhr im Op, müsst aber am nächsten Tag um 7.45 Uhr wieder pünktlich in der Röntgenbesprechung sitzen. Was passiert wenn man später kommt? Ich habe es ausprobiert und endet nur in Ärger und in Unverständnis. Ihr dürft im Übrigen das Spitalgelände in eurer Dienstzeit nur sehr ungern verlassen, schließlich sollt ihr innerhalb von 15 min umgezogen und steril im Op stehen! Auf die Bitte, man möge uns doch bitte eine halbe Stunde vorher anrufen, erfuhr man wieder viel Unverständnis. Nebenbei erwähnt, man wird von den Lagerungspflegern in den OP gerufen. Dies endete häufig damit, dass man noch eine dreiviertel Stunde auf Patient und Operateure wartete. Eine weiterer Umstand der mich an der spitalinternen Politik zweifeln lässt, war folgende Situation: Es ist Nacht, ich habe Dienst und den Ileus mit dem diensthabenden Oberarzt und Assistentsarzt schon hinter mir, da kommt doch tatsächlich noch ein Appendix in die Notaufnahmne. Da diese Op zu zweit durchgeführt wird habe ich mich schon im Bett gesehen....aber falsch gedacht. Mit den Worten der Unterassistent kostet uns ja nichts wurde der Assistenzarzt nach Hause geschickt. Das untrügliche Gefühl nur als Ressource gesehen zu werden, die weder schläft noch isst bestätigte sich...mal wieder.
Lehre ist in Münsterlingen übrigens ein Fremdwort. Warum sie Lehrkrankenhaus von Zürich sind? Das weis wohl niemand so genau. Bis auf eine Montags-Fortbildung, die mal gut mal schlecht ist oder einfach ganz ausfällt, gibt es keine Fortbildungen. Wobei so ganz stimmt das nicht. Es gibt einen engagierten Oberarzt der Orthopädie der wirklich gute Fortbildungen auf Wunsch mit euch macht. Allerdings nur Freitags früh um 7:00 Uhr. Zürich scheint dies übrigens nicht zu interessieren, eine Stellungsnahme zu den Lehrbedingungen in der Chirurgie in Münsterlingen erfolgte nicht!
Dies bringt mich zum nächsten Punkt. Es gibt keine Betreuung der Unterassistenten, einfach niemand ist für die Studenten zuständig. Das macht es natürlich auch nicht leichter. Eine Einarbeitung in den Stationsalltag erfolgt nur von Seiten der Unterassistenten,
In Münsterlingen scheint das für die Schweiz geltende Arbeitsrecht nicht zu gelten. Als Praktikant wären eine 50-Stunden-Woche inklusive 8 Stunden Fortbildung oder eine 42 Stunden Woche rechtens. Mit den Diensten die geleistet werden müssen ist man jedoch schnell jenseits der 50-Stunden-Woche. Allerdings könnt ihr das nicht nachweisen, denn es stechen alle anderen nur nicht ihr, Obwohl der Arbeitgeber in der Schweiz verpflichtet ist die Arbeitszeit zu erfassen. Zudem sind die Dienste die geleistet werden müssen nicht definiert und die Interventionszeit nicht geklärt. Ein Dienst mit einer Interventionszeit von 15 min ist mit der vollen Einsatzzeit zu kompensieren und selbst wenn man euch 30 min bis in den OP zugesteht, so stünden euch 10% der geleisteten Zeit als als Kompensation zu. Auch davon scheint man in Münsterlingen noch nichts gehört zu haben.
Nun ist ja nicht so, das wir auf den Mund gefallen sind. Natürlich haben wir diese Thematik angesprochen, jedoch fühlte sich niemand, wirklich niemand für uns zuständig. Ein Gespräch mit dem Chefarzt der Chirurgie wurde uns nicht angeboten und erfolgte auch auf Wunsch unsererseits nicht. Der Chefarzt der Orthopädie nahm sich uns und änderte Kleinigkeiten, wie die Möglichkeit sich für einen Arztbesuch freizustellen oder das auch Assistenzärzte an stressigen Tagen aufnehmen können. An der Kernproblematik des juristisch äußerst fragwürdigen Vertrages änderte sich jedoch nichts. Es erfolgte sogar eine juristische Prüfung des Vetrages durch die Personalvertreterin der Aktiengesellschaft und dem Vorstand der Schweizer Ärztekammer. Beide kamen zu dem Schluss, es besteht akuter Handlungsbedarf. Umgesetzt wurde davon nichts. Eine versprochene Auszahlung unserer Überstunden und der geleisteten Dienste wurde uns zugesagt, wenn wir das bisherige System aufrechterhalten, bis die Änderungen in Kraft treten. Nun Ich habe bis heute weder weder Information noch einen finanziellen Ausgleich erhalten. Anfragen an den Chef der Personalabteilung werden nicht beantwortet.
Die Lage am Bodensee ist sicherlich charmant und Konstanz eine wunderschöne Stadt, doch ich kann wirklich jedem nur empfehlen, schaut euch den Vertrag an, solange sich da nichts ändert, fangt nicht in Münsterlingen an! Ihr werdet es mit großer Wahrscheinlichkeit bereuen!
Bewerbung
Habe mich zwei Jahre im voraus beworben, den Umständen entpsrechend bekommt man aber auch recht kurzfristig einen Platz.