Ich habe in meinem Studium nebst Hiwi-Tätigkeiten im OP und so mancher chirurgischer Famulatur schon viel Erfahrung im chirurgischen Fach sammeln dürfen - und werde nach dem PJ auch sicher im Handwerk anfangen. Deswegen war für mich der chirurgische Teil des PJs nicht gaaanz so bedeutend.
Außerdem habe ich meine "Schwächen" bei internistischen Differentialdiagnosen und wollte auf dem interdisziplinären Notfall schlicht zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Also mein Chirurgie-Teil so entspannt wie möglich (und mit möglichst wenig Hakenhalten) und nochmal eine weitere Vertiefung im internistischen Bereich. Und die Schweiz ist ein ungeheuer schönes Land, Bern eine super schöne Stadt und die PJ-Stellen werden anständig bezahlt.
Okay das Berndütsch ist anfangs schwierig, aber dafür sind die Eidgenossen in der Hauptstadt "Ausländer" gewohnt und fragen eigentlich immer ob sie Hochdeutsch reden sollen.
Das es dann die Permi geworden ist, war ein bisschen glücklich, aber ich bin damit mehr als zufrieden.
Die Klinik:
Die Permanence-Klinik ist eine wirklich kleine Klinik (ca. 40 Betten), die sich auf die Grundversorgung spezialisiert hat. Man kann die grundlegende Diagnostik durchführen, sobald man aber eine weiterführende Bildgebung braucht muss man seine Patienten zweimal durch Bern chauffieren lassen. Für ein CT oder sogar MRT ist das Haus einfach zu klein.
Durch die vielen orthopädischen und handchirurgischen Belegärzte hat die Klinik in der Bevölkerung einen Ruf als erste Anlaufstelle für alle Arten von Sportverletzungen bekommen. Alle weiteren Fachdisziplinen sind über den Klinikverbund (Beau Site und Salem) telefonisch gut erreichbar und helfen gerne.
Die Arbeit im PJ:
Ja es ist ein Schichtdienst (allerdings ohne Nachtschichten), ja ihr habt viele Wochenarbeitsstunden und ja ihr müsst auch am Wochenende arbeiten - das ist der Beruf für den ihr jetzt schon 5 Jahre studiert habt.
Wenn euch das nicht klar war und ihr euch darüber aufregt, denkt über einen Werdegang bei Boston Cons. oder einem Betriebsarzt nach!
Ihr werdet in der Permanence als VOLLWERTIGE Arbeitskraft wahrgenommen, behandelt und eben auch eingesetzt. Soll heißen, ihr werdet nach dem Triagieren gefragt, ob ihr eine weitere Patientin übernehmen könnt und seid dann der Ansprechpartner für alles. Ihr erhebt die Anamnese und ordnet eure Untersuchungen an. Wenn ihr den Verdacht auf eine knöcherne Beteiligung habt, könnt ihr auch eine radiologische Untersuchung anordnen - aber Vorsicht: das solltet ihr tatsächlich nur in Rücksprache mit einer anderen Assistenzärztin machen.
Danach geht ihr mit eurer fertigen Diagnostik zur diensthabenden OÄ und stellt die Patient + Fall vor. Dann gibt es meist noch ein kurzes Händeschütteln zwischen OÄ und der Patientin und eure Diagnose wird kurz geprüft. Wenn alles passt wird noch kurz das Procedere abgesprochen und die Patientin darf wieder nach Hause gehen. Ihr müsst dann natürlich noch den Verwaltungskram erledigen, also Brief schreiben, Diagnose einpflegen und Tätigkeiten abrechnen. Der Brief wird dann noch gegengelesen und falls etwas korrigiert wird bekommt ihr auch das als Teaching zurück.
Falls ihr mal ohne Plan dasteht, habt ihr immer die Möglichkeit die Anderen zu fragen. Und wenn ihr gerade nicht weiter wisst, könnt ihr auch vorab mit der OÄ euer weiteres Vorgehen absprechen.
Wenn eine kleine RQW oder Ähnliches für die Wundversorgung kommt, wird euch auch das übergeben, Procedere wie immer, nur dass ihr hier auch die Wundversorgung, wenn ihr es könnt eigenständig und sonst unter Aufsicht vornehmt.
Alles in allem fühlt man sich am Anfang ganz schön ins kalte Wasser geworfen, aber nach ein paar Diensten habt ihr den Bogen schon raus - und dann bekommt ihr das Feeling wie es sich später anfühlen kann.
Zum Team:
Hier sind Vornamen angesagt! selbst der stellvertretende Chefarzt hat sich mit "Hi, ich bin Jean-Marc, sowas wie der Oberarzt hier." vorgestellt.
Ihr arbeitet eigentlich immer mit 2-4 MPAs, 2 Assistenzärztinnen und 1 Oberärztin zusammen - ich hab die weibliche Form gewählt, da es einfach deutlich mehr Frauen sind :-P
Die MPAs haben alle schon einige Jahre Erfahrung und bereiten gerne schon mal die Formulare vor, damit der Ablauf ungestört weitergehen kann.
Kleiner Tipp im Allgemeinen: Seid nett und freundlich zu den MPAs - nicht nur, dass wir zu unserem Zeitpunkt von jeder Arbeitserfahrung profitieren können, wenn die Damen bissig werden können sie euch euern ganzen Tag vermiesen. Und in der Schweiz arbeiten die MPAs auf Augenhöhe mit den Ärzten.
Die Assistenzärzte sind in jedem Fall eure best-buddys, ihr sitzt zusammen in einem Büro mit 5 PCs und bei Fragen zu Röntgenbildern, Impfungen oder Antibiotika entwickelt sich stets eine angenehme Atmosphäre der Schwarmintelligenz.
Wenn ihr Fragen habt, könnt ihr jede "nerven" und selbst wenn das Haus richtig voll ist, wird euch gerne geholfen. Ich hatte immer das Gefühl, akzeptiert und geschätzt zu sein.
Die Oberärzte sitzen eine Tür weiter (die eigentlich immer offen steht) und beteiligen sich gerne an jeglichen Diskussionen - ob nun über das Wetter, nervige Patienten, abgefahrene Diagnosen, die EM oder schrecklich Terroranschläge - es ist eine sehr flache Hierarchie. Wenn ihr Fragen zu euerm Fall habt, einfach klopfen.
Gemeinsames Mittag- bzw. Abendessen ist die absolute Regel - für das Gemeinschaftsgefühl darf auch mal ein Notfall-Patient mit Schmerzen im Finger seit 3 Wochen für 10 Minuten länger warten.
Weiterbildungen:
Es werden regelmäßig Case Reports oder Präsentationen nach der Mittagsübergabe angeboten. Auch gibt es ein regelmäßiges Kursprogramm zu denen man angehalten ist auch hin zu gehen. Wenn ihr zu dem Zeitpunkt Dienst habt und nicht allzu viel zu tun ist wird es euch ermöglicht noch dazu zu gehen.
Alles in Allem kann ich euch nur zu dieser Stelle raten, wenn ihr euer Chirurgie-Teil nicht benötigt um endlich mal einen OP-Saal von innen zu sehen. Wenn ihr euch vor Verantwortung nicht scheut und selbstständiges Arbeiten mit Fangnetz in einem sehr coolen Team wollt, dann bewerbt euch bei der Permi.
Bewerbung
Bewerbung per Email. Pass, CV und Immatrikulationsbescheinigung beilegen.
Jörg antwortet in der Regel nach spätestens einem Tag.