Keine Lust auf Chirurgie? Ab in die Gefäßchirugie des Vivantes Klinikums Neukölln (KNK)!
Lust auf Chirurgie? Ab in die Gefäßchirugie des KNK!
ALLGEMEINES:
Das Klinikum Neukölln, nicht ganz zentral gelegen in Britz-Süd, jedoch mit der U7 bequem zu erreichen, ist ein Krankenhaus der Maximalversorgung südlich des Stadtteils Neukölln. Ich habe dort mein Chirurgie-Tertial abgeleistet.
Der erste Tag begann mit einer Begrüung, bei der die meisten Chefärzte anwesend waren. Wir Chirurgie-PJler durften uns danach zwischen Allgemein/Viszeral-, Unfall-, Thorax- und Gefäßchirurgie entscheiden. Da ich persönlich überhaupt keine Lust auf Chirurgie hatte und für mich immer klar war, dass ich Anästhesie oder Kardiologie machen werde, habe ich mich für das Fach mit den kürzesten OPs und dem geringsten Kraftaufwand (Keine Hüft-OPs etc.) entschieden. Also Gefäßchirugie.
Wen man möchte, besteht ausdrücklich die Möglichkeit nach einem halben Tertial in eine andere chirurgische Klinik zu rotieren. Des Weiteren kann man einen Monat in der Rettungsstelle ableisten, hierfür muss man der Chefin, Frau Dr. Stein, mailen.
Die Gefäßchirugie im KNK ist ein kleines Fach, das etwa 2/3 einer interdisziplinären Station, also knapp über 20 Betten, belegt und aus einem Team von 6 Assistenz-, 2 Ober- und einem Chefarzt besteht. Des Weiteren belegt die Gefäßchirurgie einen OP-Saal und freitags den sog. Hybrid-OP (s.u.) Der Ton ist kollegial, andererseits Chirurgie-typisch etwas rau. Kumpelhaft wäre wohl das zutreffendste Wort. Vom Chef bis zum PJler und der Pflege duzen sich alle, und zwar ohne dass es aufgesetzt oder gezwungen wirkt. Ich habe mich im Team sehr wohl gefühlt.
Besonders Carsten K., einer der beiden Oberärzte, ist wirklich außergewöhnlich engagiert und hat extrem viel Aufmerksamkeit, Zeit und Energie in meine Ausbildung investiert.
Bis auf die Schuhe wurde die Kleidung komplett von Vivantes gestellt. Ich erhielt außerdem einen Wäsche-Chip, mit dem ich im Zentralwäschelager des Hauses problemlos jederzeit frische Kleidung in den gewünschten Größen bekam. Zum Verstauen hatte ich nach knapp 3 Wochen einen eigenen abschließbaren Schrank bekommen, davor musste ich ein Fach im Schrank des Oberarztzimmers nutzen.
Die meisten Türen bekommt man nur mit einem Tür-Chip auf, den ich in der ersten Woche bekam. Bei der Organisation von alledem hilft einem Frau Koch, die hilfsbereite und freundliche Sekretärin der gefäßchirurgischen Klinik.
Des Weiteren bekommt man einen EDV-Account. Das ist sehr wichtig, da man nur so Befunde einsehen und Arztbriefe sowie Anamnesebögen schreiben kann. Wer fit ist und sich das zutraut sollte vielleicht versuchen darum zu bitten, auch die Berechtigung zur Anmeldung von Untersuchungen zu bekommen. Die Grundberechtigung für Studenten ist nämlich sehr limitiert, und gerade in der Gefäßchirurgie sind die Routinefunktionsuntersuchungen im Grunde genommen immer die gleichen - nämlich Arm-Bein-Index-Messung (ABI), Farbkodiertes Duplexsono (FKDS) und Sauerstoffpartialdruckmessung (TcpO2).
Mittagessen war eigentlich nie ein Problem, manchmal plusminus einer Stunde, wenn OP-Tag war. Auf den Mitarbeiterpreis gibt's 50% Rabatt.
Mehrmals die Woche gab es Radio- und Innere-Fortbildungen, außerdem durfte ich Mittwochs zur Radio-Konferenz der Gefäßchirurgen mit. Die Fortbildungen waren überwiegend gut. Zusätzlich konnten wir auf die klinikinternen Fortbildungen der Internisten mitgehen.
Last but not least: In Berlin gilt zurzeit (08/2016) noch die Studientagsordnung, d.h. jeden Tag zwei Stunden früher Heim oder einen Tag die Woche frei. Der Chef lässt da mit sich reden, sodass man die Tage auch am Stück nehmen kann.
TAGESABLAUF OP:
Die Gefäßchirurgen hatten sich nochmal in zwei Teams eingeteilt, die nach den Oberärzten "Team Heiko" und "Team Carsten" heißen und neben dem Oberarzt zwei (Team H) oder drei (Team C) Assistenzärzte haben. Der 6. Assistent war in meinem Tertial in seiner Intensiv-Rotation.
Der Tag begann pünktlich um 7:00 Uhr mit der Morgenvisite, bei der ich mitlaufen durfte und sollte, wobei der Chef abwechselnd immer bei einem der beiden Teams mitlief. Anschließend war die gemeinsame Frühbesprechung mit aus frischen Bohnen gemahlenem Kaffee aus dem arzteigenen Vollautomaten, bevor dann um kurz nach 8 Uhr das OP-Team telefonisch abgerufen wurde. Die OPs dauern je nach Eingriff zwischen 15 Minuten (Wunddebridement) und 3-4 Stunden (Bypass-OPs am Oberschenkel). Im ganzen Tertial habe ich zwei Mal erlebt, dass eine OP 5 Stunden ging, aber das ist wirklich die Ausnahme. Ob man in den OP eingeteilt wurde sieht man am Tag davor in ORBIS, dem zentralen Computerprogramm der Klinik.
Ich war 1-2 Tage die Woche im OP und die andern 2-3 Tage auf Station. Man kann dem Chef aber auch ehrlich sagen, wenn man keine Lust auf OP hat, dann teilt er einen seltener ein.
Im OP stand ich schon am dritten Tag steril mit am Tisch. In den ersten Wochen hatte ich die typische PJ-Aufgabe, nämlich Haken halten, wobei man in der Gefäßchirugie schon eher von Häkchen sprechen muss. Geringer Kraftaufwand und kleiner Situs sind kennzeichnend. In der Regel ist der Schnitt 10-15cm oder kürzer. Außerdem deckte ich das OP-Gebiet mit ab. Später durfte ich auch das OP-Gebiet waschen/desinfizieren.
Das Spektrum der OPs war vergleichsweise klein, im Wesentlichen werden entweder Thrombektomien oder Bypässe an den Beinen operiert sowie Amputationen durchgeführt. Die Gefäßchirugie ist mit das letzte Fach, in dem noch in großem Stil Unter- und Oberschenkel amputiert werden. Außerdem gab es ab und zu auch eine Carotis-Thrombektomie. Auch für Notfälle (akuter arterieller Verschluss) konnte man als PJler gelegentlich abgerufen werden. Trotz kleinem Spektrum waren die Eingriffe interessant und variierten immer leicht. Pünktlicher Feierabend war nie ein Problem (s.u.)
Freitags wurden die aufwändigeren Eingriffe im sog. Hybrid-OP durchgeführt. Dazu zählten z.B. die aorto-bifemoralen Bypässe, die gleichzeitig die größten Eingriffe darstellten, die ich in meinem Tertial gesehen habe.
Nach einigen Wochen, und besonders bei OPs mit Carsten, wurden mir zunehmend verantwortungsvollere Aufgaben übertragen, sodass ich am Ende bei vielen Eingriffen die Rolle des zweiten Operateurs übernehmen durfte und der Oberarzt nur zuschaute ob wir alles richtig machen. Gefäße selbst werden mit der Lupenbrille und haarfeinen Fäden genäht, was ich nicht durfte und mir auch nicht zugetraut hätte, aber die Wunden selbst durfte ich regelmäßig zunähen, wobei mir die Ärzte immer Tipps gaben wie ich meine Technik weiter verbessern könnte.
Zum Ende meines Tertials durfte ich einige Wunddebridements unter Aufsicht als erster Operateur durchführen und den OP-Bericht dazu schreiben.
TAGESABLAUF STATION:
Auf Station gab es nur wenige Blutentnahmen zu erledigen, da hierfür eigens eine Abnehmerin angestellt war. 2-3 Blutentnahmen und ebenso viele Venenverweilkanülen (VVK) blieben für mich übrig und waren somit schnell erledigt.
Während ich die ersten Wochen im Team Heiko war und dort eher wenig zu tun hatte - dafür aber früh heimgehen und mir den Tag frei einteilen konnte - wechselte ich danach zum Team Carsten. Dort durfte ich in der Morgenvisite meine Patienten vorstellen, Medikation empfehlen und an- und absetzen sowie Arztbriefe und Anamnesen erstellen. Ich habe ausnahmslos zu jedem einzelnen Arztbrief eine Korrektur mit durchdachtem Feedback bekommen. Bei meinen Vorschlägen zu Diagnostik und Therapie war es genauso.
Weiterer Bestandteil der täglichen Stationsarbeit war die Wund- und Verbandsvisite. Die meisten gefäßchirugischen Patienten haben chronische, schlecht heilende Wunden, die eine komplexe und strukturierte Wundversorgung nötig machen. Wir versorgten die Wunden immer in Zweierteams, wobei einer der Anreicher und der andere der eigentliche Wundversorger war. Ich durfte schon früh die Rolle des Versorgers übernehmen und habe da auch einiges lernen können.
FEIERABEND:
Wenn Heiko mich nach halb 2 noch in der Klinik antraf, schickte er mich in der Regel nach Hause. Bei Carsten musste ich bis ca. 15 Uhr bleiben, war dafür aber mit voller Verantwortung ins Team eingebunden.
FAZIT:
Das Tertial war so gut, dass ich jetzt ernsthaft mit dem Gedanken spiele, doch Chirurg zu werden. Ich kann die Gefäßchirurgie im Klinikum Neukölln jedem Kommilitonen nur wärmstens ans Herz legen - egal, ob Chirurgie-interessiert oder nicht!