Zu allererst: Ich bin als externer Medizinstudent im Rahmen der PJ-Mobilität nach München gekommen, auch um prospektiv am Klinikum rechts der Isar eine Stelle zu bekommen. Das chirurgische Tertial habe ich in der Neuro -und Allgemein (VTG)-Chirurgie gemacht. Warum ich hier einen recht ausführlichen Bericht schreibe, hat einen einfachen Grund: Zukünftige PJler von der vollkommenen Desinteressiertheit, Ignoranz und Ausbeute zu "bewahren".
Vorweg: Ich bin ein fleißiger, motivierter Student mit guten Noten; dies hier ist ein wahrheitsgemäßer Bericht, der neben vielen negativen aber auch positive Aspekte beinhaltet. D.h. nicht ALLES war schlecht.
Zunächst zum Teil in der Neurochirurgie: "Finger weg!"
1. Tag: Da wieder keiner von den Ärzten/Sekretärinnen Bescheid wusste, dass PJler kommen, wurde ich und ein MitPJler bereits mit dem arroganten Blick des Chefarztes abgestraft, als wir als Neulinge morgens in der Frühbesprechung saßen. Wie Vieh wurden wir auf zweit Teams verteilt, ein nettes Wort ist in dieser Klinik nicht zu finden. In den jeweiligen Ärzte-Teams wurde als erstes informiert, dass von uns Pjler erwartet wird, auch bis nach der 2. Visite spätnachmittags zu bleiben, sie diene ja auch als "Lehrvisite"; diesen Aspekt konnte ich in 8 Wochen auch nicht mit gutem Willen erkennen. Nach diesen ersten Worten wurden wir natürlich gleich dem Blutentnahmetablett vorgestellt, eine Aufgabe, die normalerweise die „Blutentnahmeschwester“ erledigt, wenn sich diese allerdings nicht im Urlaub befindet oder anderweitig beschäftigt ist. Hat man Pech darf man auch gut und gerne bis nachmittags von so ziemlich allen Patienten täglich Blutgerinnung, Serumchemie und Blutbild kontrollieren. Laborkosmetik darf also nicht fehlen! Pech hat zudem derjenige PJler, der im Privatteam (Team P) mitspielen darf, obwohl er auch mal stolze 1 m entfernt neben dem Chef stehen darf. Team P-PJler haben mehr als die Arschkarte gezogen: Ihnen schlägt die vollkommene Verachtung der 2-Klassen-Medizin entgegen: Anstatt der Rohrpost dürfen PJler dort als humane Rohrbomben eisgekühlte Ammoniakproben ins Labor tragen oder Aufklärungszettel an die OP-Schleuse bringen, natürlich cito! Der Rohrpost wird in diesem Team dort schon mal nicht mehr vertraut, immerhin dem Laufburschen! Lumbalpunktionen und andere hochinvasiven und hochkomplexen Punktionen waren tabu, so wie auch Portversorgung etc., es handelte sich ja auch um "Chefpatienten". Angucken durfte man beispielsweise Lumbal- und Liquordrainagen allerdings schon noch.
Immerhin war ich nicht im Team P integriert, andere Pjler traf es härter. In den anderen Teams durfte ich immerhin mal eine (!) LP machen. Die anderen PJler beneideten mich dafür. Wollte man mal zum Essen in die Hauptmensa gehen, kam als Antwort oft ein frecher Blick nach dem Motto "fauler Student", ich durfte mir auch schon mal anhören "wir können doch auch [aufgrund des unorganisierten Arbeitspensums] nicht gehen". Meiner Meinung pure Verachtung. Innerhalb der 8 Wochen konnte ich die tgl. Fortbildung nie (!) besuchen, eine Braunüle zum Legen ließ sich doch immer mal auftreiben.
Tagesablauf:
07:00 - ca. 08:30 Visite, Frühbesprechung, Tumorboard, Fortbildung etc.
08:30 - ca. 14:00 (!) Helfen bei Blutentnahmen, Abnehmen von Blutkulturen, Nadeln, Verbandswechsel, Klammernentfernen, Drainagenzug
14:00 - ca. 16:00 meist sinnfreie Botengänge, Zugucken im OP, Mitmachen im OP möglich aber nur bei exzessiven Nachfragen (in 8 Wochen hat nicht nicht einmal einer freiwillig gefragt, ob ich mitassistieren wolle)
16:00 – ca. 17:30 Rö-Demo, "Vorbereiten der 2. Visite" (nicht aktiv –Zugucken!)
17:30 – ca. 18:00 2. Visite, auch "Lehrvisite" genannt
Wie gesagt, OP-Assistenzen beim Auf und Zumachen durchaus möglich, ich selber habe nur durch nicht locker lassen, viel assistieren können, d.h. natürlich nicht automatisch dass auch was erklärt wurde. Sind dummerweise Gastärzte oder manchmal Gaststudenten aus dem Ausland da, kommt man wie ich, z.B. 2 Wochen nicht in den OP bzw. darf nur unsteril dem Chef bewundernde Blicke zuwerfen, da diese Leute dann die meisten Assistenzen übernehmen. Highly international, versteht sich.
Während des übrigen Tages war man meist mit Stationskram wie Fäden/Drainagen/Klammern entfernen beschäftigt. Aufgrund meines Funkers wurde auch keiner müde, solche wertvollen Tätigkeiten an mich abzuwälzen. Im Gegenteil: Es wurde oft minutenlang versucht den Pjler zu finden, der auch mal nur einen Einzelknopf entfernen sollte. Für sowas haben angehende Kopfchirurgen selbst verständlicherweise keine Muße mehr.
Positiv war: Freundliche und wirklich nette Ärzte, d.h. jedoch nicht dass man etwas lernt, denn zum Erklärbaren macht sich da wirklich niemand, auch nicht ansatzweise. Zudem ist das Pflegepersonal wirklich auf Zack, gut ausgebildet, clever und hilfsbereit. Wer nicht ganz arrogant wirkt, durfte sich auch tgl eine Tasse Kaffee vom Automaten nehmen. Zudem sehr junges und genial kollegiales OP-Personal!!!
Zuletzt: Ich will selber einmal Neurochirurg werden und empfand es als große Demütigung, dass fleißiges und ordentliches Arbeiten in dieser Klinik nicht nur im Ansatz gewürdigt und geschätzt wurde. Das meiste habe ich nur durch Anlesen und You-Tube Videos lernen und nachvollziehen können und das immerhin bei einem Arbeitspensum von 11 h täglich. Warum es manche PJ-Bewertungen gibt, die behaupten, man könne „viel machen“, müsse aber auch „lang arbeiten“ verstehe ich und die damals anwesenden PJler nicht. Lang ja arbeiten ja, lernen nicht viel; wem es allerdings schon reicht, Braunülen etc. zu legen, dem mag das als „viel machen“ vorkommen. Eigener Anspruch halt.
Fazit: Nur für PJler zu empfehlen die auch mal Neuro oder NCH machen wollen, die sich auch selbst was beibringen können. Nur für Leute, die ständig (!) nerven und fragen, ob Sie mit in den OP kommen können. Nur für solche PJler, die mal die pure Verachtung ung Geringschätzung erleben wollen oder einen unerkannten Demütigungsfetisch ausleben wollen! Nicht ausnutzen lassen!
Zum VTG-Teil:
Soweit in Ordnung. Allerdings wurde auf meiner Station PJ mit Assistent verwechselt. Soll heißen: Aufgaben des Stationsarztes wurden dem PJler angeheimst oder andersrum: Arzt macht nix, Pjler alles. Wer allerdings selbst gern Stationsarzt mit Verantwortung spielen will, ist dort richtig. Aber nie pünktlich Ende.
Negativ: Kaum Assistenzen möglich (je nach Station stark unterschiedlich!!!), sehr unfreundliches und altes OP-Personal, zudem unhöfliche alt-CH-Professoren.