Die ANFAHRT
Wenn man direkt aus München kommt ist der Anfahrtsweg ein bisschen zeitintensiver. Aber glaubt mir, ihr werdet es definitiv nicht bereuen. Nehmt den längeren Anfahrtsweg für eine qualitativ höherwertigere PJ-Ausbildung in Kauf!
(1) Mit der S4 in Haar aussteigen
(2) Regionalbus 285 Richtung Ismaning
(3) 300 Meter Fußweg.
Wenn man den Marienplatz als Referenz nimmt braucht ihr je nach Verkehrsaufkommen c.a 35 - 40 Minuten zum Klinikum!
Die STATION
Das Haus 58 gehört zu den neueren Bauten im kbo-IAK München-Ost. Ich habe mich damals für die Station AE (Allgemeinpsychiatrie) beworben, da ein guter Komilitone auch hier sein PJ absolvierte und mit seinem Tertial sehr zufrieden war. Die Station umfasst an die 30 Betten dazu gehörig sind zwei Isolierzimmer mit jeweils drei Betten. In den Isolierzimmern die räumlich am Stationsstützpunkt angrenzen, befinden sich die Patienten die akut fremd und/oder selbstgefährdend sind.
Der wahre Luxus ist hier auch die morgendliche Begrüßungszeremonie vor der Station! Eine Patientin mit einer Vorliebe für Hunde sowie der Hundezucht wird euch in einer direkten Art und Weise begrüßen. Egal ob Regen oder Schnee sie wird da sein! Vermutlich die einzige Konstante dieses Universums.
Das TEAM
Die Ärzte
Für die Station (58AE) waren zwei Assistenzärztinnen verantwortlich. Von beiden wurde ich am ersten Tag herzlichst begrüßt und man merkte gleich, dass sie sich über zusätzliche Hilfe sehr freuten. Kein Witz! Es gibt tatsächlich auch Ärzte, die sich über neue PJler freuen. Ich kannte es so noch nicht, zumal ich in anderen (psychiatrischen) Kliniken immer das subtile Gefühl hatte eher im Weg zu stehen. Man merkte von Anfang an, dass sie den Arztberuf sehr gerne ausüben. Letztlich wurde ich immer gefragt, ob ich fachspezifische Fragen hätte und gerne wurden diese auch beantwortet. Man fühlte sich auf der Station gut aufgehoben und man wurde tatsächlich mit relevanten und lehrreichen Aufgabenfeldern beauftragt. Ich erinnere mich sehr gern an eine Situation, die mir im Rahmen meines Studiums noch nie so untergekommen ist. Eine Ärztin einer anderen Station, wollte, dass ich Blutentnahmen für sie tätigte. Doch das wurde von den Ärztinnen der Station AE sofort geblockt, sie entgegneten ihrer Kollegin folgendes: ,,PJler sind nicht nur für Blutentnahmen da, sie sind auch dazu da, um hier was zu lernen! Der Student bleibt auf unserer Station und hilft uns hier!“ Nun es hat tatsächlich sechs Jahre gedauert, dass ich sowas hören durfte. Man wurde richtig ins Team eingearbeitet und integriert. Gleichzeitig hatte ich nie das Gefühl, dass man nervt und man hat immer ein Dankeschön für die Bearbeitung der stationären Aufgaben bekommen. Ungewohnt war auch, dass der zuständige Oberarzt immer präsent war. Es wurde einem früh bewusst, dass hierarchische Strukturen, wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle spielten. Das Verhältnis zwischen den Ärztinnen und dem Oberarzt war immer sehr freundschaftlich, locker und unterstützend. Wenn man Hilfe brauchte und mal nicht weiterwusste konnte man ihn einfach um Hilfe oder Rat bitten, dann kam er sofort auf die Station. In anderen PJ-Tertialen wurde man von den Oberärzten kaum wahrgenommen, doch hier hatte man eher das Gefühl, dass man von ihm aktiv ins Team integriert wurde. An der Universitätsklinik sah das eher anderes aus!
Das Pflegepersonal
Die Stationsleitung sorgt auf dieser Station definitiv für Ordnung. Sie sorgte für einen reibungslosen Ablauf und absolute Koordination. Müßiggang wird nicht geduldet, sodass dank ihr, der ärztliche Arbeitsalltag ungemein erleichtert wird. Wenn sie mal nicht zugegen war, dann merkte man dies sofort! Auf patientenbezogenen Einschätzungen ihrerseits konnten sich die Ärzte der Station immer verlassen. Kein Wunder bei 40 Jahren Berufserfahrung. Wenn ihr glück habt dürft ihr sie vielleicht noch erleben, zumal sie bald in Rente gehen wird.
Auch hier sah man, dass das Verhältnis zwischen Pflegepersonal und den Medizinern anders gestaltet werden kann! Man begegnete sich eher auf gleicher Augenhöhe, wodurch die Zusammenarbeit durch die gegenseitige Ergänzung optimiert werden konnte – und dies kommt letztlich auch dem Patienten mehr als zu Gute!
Besonders zuvorkommend fand ich, dass mir stets erlaubte wurde an den Computern des Pflegepersonals zu arbeiten, um die Aufnahmeberichte abzutippen. Hiermit wurde einem definitiv sehr geholfen, da wir Pjler keinen eigenen Computer hatten. Also! Verscherzt es euch nicht mit dem Pflegepersonal.
Dein AUFGABENSPEKTRUM
Vorweg kann ich sagen, dass Eigenverantwortung und Eigeninitiative sehr groß geschrieben werden. Es hängt von euch ab wieviel ihr macht! Die Stationsärztinnen werden euch dankbar sein, wenn ihr Ihnen tatkräftig unter die Arme greift. Euer Aufgabenspektrum besteht nicht aus Botengängen oder Blutentnahmen (wenn überhaupt macht dies anteilig nur 5 – 10 % eures PJs aus). Euer Einsatzgebiet ist ähnlich wie die eines Assistenzarztes geprägt.
Was sind die allgemeinen Aufgaben?
08:15 Blutentnahmen
> Im Schnitt 5 Entnahmen pro Tag
08:30 Patientenaufnahme
> In der Regel muss man durchschnittlich 2 Patienten pro Tag aufnehmen, in Stoßzeiten können es auch mal bis zu 4 Patienten sein. Hier erhebt ihr den psychopathologischen Befund, die Aufnahmeumstände, biographische Daten etc.. I.d.R. haben wir uns hier die Patienten aufgeteilt. Und bloß keine Sorgen, die verantwortlichen Ärztinnen wie auch der Oberarzt schauen über eure Berichte drüber. Darüber hinaus wurde der Patient nochmals von der zuständigen Ärztin und dem Oberarzt gesehen.
09:15 Stationsmeeting
Genau hier laufen alle Fäden zusammen. Alle aufgenommenen Patienten werden nochmals kurz vorgestellt und über weiteres Vorgehen entschieden. Das Pflegepersonal berichtet über besondere Vorkommnisse der vergangenen Nacht. Zu guter Letzt wird in diesem Meeting noch jeder Patient einzeln besprochen und beurteilt ob eine Besserung oder Verschlechterung des psychischen Befindens festgestellt werden konnte. Die Besprechung findet ganz familiär bei Kaffee und Kuchen statt. Also bringt was mit!
10:00 Richterliche Anhörungen
I.d.R. finden die richterlichen Anhörungen zwischen 10 - 12 Uhr statt, hier wird entschieden, ob ein Patient weiterhin geschützt-stationär zurückgehalten werden muss. Ihr könnt diesen Anhörungen beiwohnen. Wenn ihr die Möglichkeit habt, dann nutzt diese!
12:00 Allgemeine Stationsarbeit
Diese Zeitspanne kann sehr variabel sein. Ggf. fertigt ihr Entlassungsbriefe an, führt Angehörigengespräche oder fordert Arztbriefe aus vorangegangenen Klinikaufenthalten an.
13:00 Mittagsessen
Das Essen müsst ihr nicht selbst zahlen. Ihr bekommt eine elektrische Essenskarte, die mit c.a. 150 Euro alle 1-2 Monate aufgeladen wird. Das Mittagessen kann ein Erlebnis sein. Eine maniform gehobene Küchenhilfe begrüßt euch an der Kasse und hat immer ein gutes Wort für dich übrig. Über das Essen kann man hier wirklich nichts Schlechtes sagen, wenn man dies mit der Massen-Kantine der Universität-Klinik vergleichen würde, dann erlangt ihr hier die kulinarisch-gustatorische Exazerbation. Nach dem Essen bleibt noch Zeit für ein Kaffee, den man intern liebevoll als Witwenmacher bezeichnet. I.d.R. holt der OA sein blaues Portemonnaie raus und fragt erwartungsvoll:,,Wollt ihr ein Käffchen? Ich gebe einen aus!“. Mit dem Coffee-to-go-Becher geht es dann zurück auf Station.
13:40 – 17 Uhr
In dieser Zeitspanne führt ihr supportiv (stützende) Gespräche mit euren Patienten oder leitet mit den Psychologen die Psychoedukationsgruppe. Oft sind in diesen Zeiträumen die Patienten-Übernahmen aus anderen Stationen/Häuser statt z.B. Soteria (Haus 14) oder der Suchtstation koordiniert. Es kommt vor, dass nachmittags weitere (Not)-Aufnahmen erfolgen z.B. von akut suizidalen Patienten. I.d.R. werdet ihr von den hiesigen Stationsärzten ermutigt um 17 Uhr nachhause zu gehen. Es kam aber auch selten vor, dass ich bei besonderen stationären Vorkommnissen bzw. Notfällen länger blieb. Die Stationsärzte werden euch dankbar sein und gleichzeitig lernt ihr die Begrifflichkeit ,,Akutpsychiatrie“ aus einer
gänzlich neuen Perspektive kennen!
Jeden Dienstag und Freitag fanden zusätzlich die langen Patientenvisiten statt. Diese dauerten immer zwischen 10 - 13 Uhr (selten bis 14) – Aber soviel Zeit muss sein!
Diese Visiten sind recht interdisziplinär akzentuiert, sodass das Team hier aus einer Sozialpädagogin, einer Psychologin, dem OA und den beiden Stationsärzten und manchmal auch einem Psychopharmakologen (alias Lenny) besteht. Aus verschiedenen Blickwinkel wird in dem interdisziplinären Gespräch auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten eingegangen.
PATIENTENSPEKTRUM
Hier seht ihr eigentlich das ganze Spektrum der psychiatrischen Notfälle. Es sind definitiv keine leichten jedoch sehr interessante Patienten!
Die Hauptaufnahmegründe sind zu einem das suizidale- und zum anderen das paranoid-halluzinatorische Syndrom.
LEHRE/WEITERBILDUNG
PJ-Unterricht
Anders als in meinen anderen PJ-Tertialen fand in diesem Krankenhaus regelmäßig wöchentlich der PJ-Unterricht statt – und dies von einer Oberärztin! Die Oberärztin C.P (Pj-Beauftragte) nahm sich jede Woche 2-3 Stunden Zeit, um mit uns 3-4 Pjlern die großen Themengebiete durchzusprechen. Kurzdarauf folgte grundsätzlich eine Patientenvorstellung mit dem jeweils besprochenen Krankheitsbild. Sie bemühte sich immer sehr interessante Patienten rauszusuchen! So kam es schon mal vor, dass wir Patienten mit einer disszoziativen Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung) oder paralytischen Neurosyphillis kennenlernen durften. Wenn die OÄ CP mal verhindert war, dann bemühte sie sich um einen Ersatzdozenten, damit kein Unterrichtsausfall einhergeht.
Mittwochskolloquium
Wöchentlich oder manchmal auch im 2-Wochentakt findet das Mittwochskolloquium statt, wodurch die Weiterbildung der Assistenzärzte im IAK-München-Ost gesichert wird. I.D.R. kann man sich hier freistellen lassen und den diversen Vorträgen von renommieren Dozenten beiwohnen. Die Vorträge sind breit gefächert, hier eine kleine Auflistung an denen ich teilnehmen konnte.
- Therapiepfeiler einer therapieresistenten Depression
- Therapeutische Interventionen der PTBS
- Hirnatrophie durch Neuroleptika? – Vorstellung mehrerer Studien
- Pharmakokinetische Aspekte von Depot-Neuroleptika
- Wirkung von Sport auf Schizophrenie
- Histrionische Persönlichkeitsstörungen: Besonderheiten in der Psychotherapie
- Badesalze und andere neue psychoaktive Substanzen
Literaturzugang
Über den Klinikserver habt ihr einen Zugang zu mehr als 1000 Büchern aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie.
Apropos Literatur! Wenn ihr ein gutes und recht übersichtliches Lehrbuch für die mündliche Prüfung sucht, dann empfehle ich euch folgendes Lehrbuch:
Facharztwissen Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie von Frank Schneider
FAZIT
POSITIV
(+) Guter und freundschaftlicher Umgang mit PJlern
(+) Gutes Klima und gute Kommunikation zwischen Medizinern und Pflegepersonal
(+) Interdisziplinäres Team insbesondere in den Patientenvisiten
(+) PJ-Lehre und Weiterbildung wird ernst genommen
(+) Interessantes Patientenspektrum
(+) Weites Aufgabenfeld wird angeboten (Du bist nicht nur zur Blutentnahme da!)
(+) Ihr dürft rotieren! (Gerontopsychiatrie, Suchtabteilung, Allgemeinpsychiatrie)
(+) Bei der Bewerbung dürft ihr eure Präferenzen angeben also da wo ihr eingesetzt werden möchtet. I.d.R werden eure Wünsche beachtet.
(+) Seit kurzem besitzt der Pjler einen Intranet-Zugang zu Medico! Hierdurch könnt ihr
problemlos an jedem Computer eure Dokumentationen, sowie eure Aufnahmeberichte verfassen!
Negativ
(-) Der einzig negative Aspekt der mir hier spontan einfällt ist, dass einfach ein Computer oder Laptop für den Pjler fehlt. Wenn mal alle Computer (was selten passierte) besetzt waren, dann gab es keine Möglichkeiten für die Dokumentationen oder der Anfertigung der Arztbriefe.
(-) Der Anfahrtsweg könnte erschwert sein, wenn die Stammstrecke mal dicht macht!