Ich studiere als deutscher Bildungsflüchtling in Graz. Die Schweiz ist auch dort sehr im Trend. Man bekommt gut Kohle, die Lehre soll super sein. Also versuchte auch ich, in der Schweiz einen Platz für das Interne-PJ zu bekommen.
Jetzt kann ich euch nur raten: Vorsicht! Das Spital Schiers zumindest kocht auch nur mit ganz lauwarmen Wasser.
Aber erst die guten Seiten: Das Essen ist superlecker und ist für Studenten billiger (5 sfr), die Personalwohnungen im Zimmerli-Park (5 Gehminuten vom Spital entfernt) sind sehr sauber und geräumig. Die Atmosphäre im winzigen Krankenhaus (40 Zimmer) ist familiär und beschaulich.
Und damit sind wir auch schon bei den negativen Seiten:
Das Spital ist klein. Sehr klein.
was sich direkt in eurer Arbeit widerspiegelt. Denn ihr als Unterassistenten seid die UHUs (Abkürzung für Unterhund).
Was nicht in eurem Arbeitsvertrag drinsteht, ist nämlich, dass außerdem der regulären Dienstzeit (7.45 Uhr – 17.45 Uhr, oft auch länger) alle Tage im Monat mit Pikettdiensten besetzt werden müssen, d.h. Rufbereitschaft für den OP zum Hakenhalten mit Anwesenheit im Spital innerhalb 30 Minuten ab Anruf (von Dienstschluss bis zum nächsten Morgen). An sich schon seltsam, dass man in der Inneren für den OP bereitstehen muss.
Das eigentliche Problem ist aber, dass ihr euch nicht drauf verlassen könnt, dass andere UHUs da sind, mit denen ihr euch die Dienste teilen könnt. Als ich dort war, waren wir erst zu dritt (d.h. 10 Tage Pikett/Monat), dann zu viert (d.h. 7 Tage Pikett pro Monat), und als ich fertig war, waren für die nächsten Wochen nur noch zwei Pjler da (d.h. >14 Tage Pikett/Monat, was meines Wissens in der Schweiz rechtswidrig ist). Und es kam in meiner Zeit nicht nur einmal vor, dass man vom Klettern, Essen, gemütlich zusammensitzen in den OP gerufen wurde.
Wie zum Hohn schauen euch die wunderschönen Berge an, die ihr niemals besteigen könnt weil ihr Dienst habt und aus Schiers nicht wegkommt. Die in anderen Berichten erwähnten externen Helfer, die euch angeblich beim Pikettdienst unterstützen, wurden wohl aus Kostengründen wegrationalisiert.
Zum Geld: Ich weiß, die Münder deutscher Medizinstudenten werden wässrig bei 1300,- sfr Monatslohn, aber bedenkt die hohen Lebenshaltungskosten der Schweiz. Abzüglich Steuer, Wohnen und Essen bleibt euch kaum mehr als der übliche Hungerlohn, den ihr auch in Deutschland erwartet, übrig. Insbesondere angesichts eures hohen Arbeitsaufwandes ist dieser Monatslohn für schweizer Verhältnisse ein Witz.
Zur Lehre: Ihr könnt und sollt eigenständig arbeiten. D.h. man steht keineswegs nur blöd rum. Auf der Station betreut ihr Patienten weitestgehend alleine, macht Visite usw. Das wird auch von den Oberärzten so erwartet und von der Pflege akzeptiert. Das ist sehr schön. Funktionsbereiche (Herzecho, Kolo, Gastro, Ultraschall) kann man ebenfalls besuchen, jedoch finden diese Sachen meist am Vormittag statt und da habt ihr auf der Station alle Hände voll zu tun. Außerdem wird von Seiten der Oberärzte eher wenig versucht, euch aktiv etwas beizubringen. Zwar werden schon interessante Sachen hier und da mal erwähnt, aber man könnte die Studenten durchaus noch etwas fordern, sich eigene Therapiekonzepte etc. zu überlegen und zu besprechen.
Man lernt durchaus, zu arbeiten und dadurch wird man etwas routinierter bei Medikamentenverordnungen und den üblichen Dosierungen etc., aber es ist zumeist reines learning by doing. Nicht mehr, nicht weniger.
Zum Unterricht: speziellen PJ-Unterricht gibt es nicht, 1x pro Woche Fortbildung (unregelmäßig), 1x pro Woche Journal Club.
Fazit: Man lernt in erster Linie, zu arbeiten. Das sorgt für Routine, jedoch bekommt man in der Inneren durchaus das Gefühl, 80% SekretärInnenarbeit zu erledigen. Das Nichterwähnen der Pikettdienste im Arbeitsvertrag ist eine Unverschämtheit und erinnert einen leider immer wieder daran, ganz unten in der Ärztehackordnung zu stehen und das "nunmal machen zu müssen weils ja schon immer so war."
Ich möchte hier nicht aus Verdruss irgendeinen Verriss schreiben, aber solange dieses System durch deutsche Pjler (und das sind fast nur deutsche) am Leben gehalten wird, werden sich die Verhältnisse dort kaum ändern.