Ich habe mich für einen Monat Gynäkologie und Geburtshilfe in Israel entschieden, da einerseits die Geburtenrate dort viel höher ist als in der Schweiz (um die 20'000/Jahr in den meisten grossen Krankenhäusern; 5x mehr als hier) und ich gehört habe, dass man als Student in deutschsprachigen Ländern oftmals nicht bei allem dabei sein darf (insbesondere bei natürlichen Geburten). Eigentlich wurde mir das "Soroka" Krankenhaus von Beer Sheva empfohlen (da es dort durch die lokale Beduinenbevölkerung eine "third world problems in first world hospital"-Situation gibt), aber da ich dort leider plötzlich eine Absage erhalten habe und durch einen Zufall Gynäkologen des "Tel HaShomer"-Krankenhauses kennengelernt habe, habe ich mich auch dort beworben. Ich habe mich direkt beim Krankenhaus selber beworben, da ich die mir als äusserst mühsam und unzuverlässig bekannte Administration der Tel Aviv University ersparen wollte (ich war dort schon einmal Austauschstudent). Nach fast einem halben Jahr Funkstille nach Einsenden meiner Bewerbung, mehreren Meinungswechseln bezüglich welchem Monat denn nun möglich sei und vielen Telefonaten später wurde mir bestätigt, dass ich im Monat Juli kommen darf. Leider gab es in diesem Monat keine anderen Austauschstudenten in diesem Fach, da die Israelischen Studenten gerade auf Rotation waren. Das wurde mir trotz mehrmaligem Nachfragen nicht gesagt und ist definitiv ein Nachteil, denn die Israelis haben überall Vorrang (zum Beispiel was in eine Sprechstunde reinsitzen oder bei Operationen assistieren angeht).
Eins vorweg - ich beherrsche die hebräische Sprache, aber auch mir fiel es schwer gleich alle Fachbegriffe einzuordnen. Wer kein Hebräisch kann, ist fehl am Platz. Die Israelis lernen zwar alle Englisch in der Schule, aber sie sprechen viel lieber ihre eigene Sprache (und verzichten manchmal mit Absicht darauf, ihr Englisch zu gebrauchen). Ich habe zwar ausländische Fellows auf der NICU angetroffen, für die dann die Visite extra auf Englisch abgehalten wurde; aber auch diese haben schnell gemerkt dass sie Hebräisch lernen MÜSSEN um in diesem Betrieb nicht unterzugehen.
Trotz Kontakt zu Dr. Hendler, einem Gynäkologen der für ausländische Studenen zuständig ist, wurde ich bald mir selber überlassen. Leider wird man weder einem bestimmten Arzt zugeteilt, noch erhält man einen Plan wann man wo hin soll. Niemand wusste dass ich komme, niemand fühlte sich für mich zuständig und niemand kümmerte es, dass ich da war. Welcome to Israel! Ich wurde zwar vorgängig von Freunden darauf vorbereitet, dass dies geschehen könnte, aber das erwartet doch niemand wirklich. Leider half ein freundliches, interessiertes Auftreten auch nicht; man darf bestenfalls "Schatten" sein (hinterherlaufen/in der Ecke des Zimmers stehen) und bekommt einen ganzen Satz als Antwort zu einer Frage, und nicht nur zwei Silben. Eigene Aufgaben gibt es nicht, praktisch tätig sein darf man auch nicht und die eigene Meinung ist nie gefragt, weshalb es mir ziemlich schnell ziemlich langweilig wurde.
Ich habe dann schnell gelernt, welche Ärzte etwas netter sind als die anderen und mir manchmal auch etwas erklären (meistens die Assistenzärzte) und welche Stationen einen Besuch wert sind (gynäkologischer Notfall, Kreissaal, High Risk Pregnancy Department) und welche nicht (geburtshilflicher Notfall, allgemeingynäkologische Station, Gynäko-Onko, die Outpatient Clinics u.a.). Ich habe mir dann jeden Tag nach Lust und Laune Ärzte und Stationen ausgesucht; probieren kann man's ja immer und manchmal sah ich so ganz interessante Dinge. Man muss aber ehrlich sagen dass es keinen kümmert, ob man überhaupt da ist und wann man kommt und wann man geht. Ein typischer Tag beginnt um 7 mit den Blutabnahmen auf Station (eine reine Studentenaufgabe; wenn man will kann man das den ganzen Morgen lang machen), einer Morgenbesprechung um 7.30 (kein Rapport, Fallbesprechungen oder Vorträge im eigentlichen Sinn; mehr eine Demonstration von Streitgesprächen der alten Herren der Verwaltung wegen irgendeinem Vorfall der zu einer Klage führen könnte, ich betone das "könnte"), Frühstück um 9 und Mittagessen um 1. Was man dazwischen macht, soll jedem selber überlassen sein. So kann man sich seine Zeit dort ziemlich frei gestalten - wer das Land bereisen möchte, hat so natürlich die besten Voraussetzungen dafür.
Pro:
+ Man kann viel sehen; insbesondere natürliche Geburten (ich wurde nur 1x im ganzen Monat von einer Patientin rausgeschickt)
+ Man kann sich seine Zeit selber einteilen und sich genau das aussuchen, was man will
+ Sehr freundliche Leute, sehr flache Hierarchien (so dass ich bis heute nicht weiss wer über wem stand)
+ Gutes Essen, je nach Station kostenlos
Kontra:
- Daneben stehen und zuschauen wird auf Dauer langweilig (und frustrierend)
- Kein Teaching
- Kontakt mit Israelischen Studenten eigentlich nicht möglich (nicht erwünscht)
- Mühsame Bewerbung
- Keine Unterkunft
- Ungünstige Lage: Pendeln mit öffentlichem Verkehr kann vom Stadtkern schnell mal eine ganze Stunde in Anspruch nehmen; ein eigenes Auto ist das Beste (NIS 100 für einen Monat Parken)
Es war eine lehrreiche Erfahrung, aber fraglich ob sinnvoll. Ich würde definitiv nicht nochmals einen ganzen Monat dort verbringen; man kann das alles auch in zwei Wochen sehen. Andere Austauschstudenten hatten eine super Zeit in anderen Fachrichtungen; vielleicht kann man sich überlegen dort mehrere Fächer zu machen.
Bewerbung
Beworben habe ich mich selbstständig (nicht via Tel Aviv University), Ansprechsperson ist Frau Pnina Eliyahu (Sekretärin die für Austauschstudenten zuständig ist): Pnina.Eliyahu@sheba.health.gov.il.
Den Entscheid über eure Bewerbung fällt aber Dr. Israel Hendler (Israel.Hendler@sheba.health.gov.il); je nach dem müsst ihr mit ihm Kontakt aufnehmen.
Rechnet damit während bis zu einem halben Jahr keine Fortschritte mit eurer Bewerbung zu machen. Um das Ganze ins Rollen zu bringen, habe ich mich schliesslich telefonisch durchgeklingelt und Druck gemacht.
Ihr könnt angeben, wie lange (wie viele Wochen) ihr kommen möchtet.