Anreise und Unterkunft:
Vieles spart man sich durch die günstige und für studentische Verhältnisse sehr gute Unterkunft in einem Wohnhaus der Klinik, das ausschließlich den Studenten zur Verfügung steht. Das Haus bietet genügend Platz für 7 Studenten und ist komplett eingerichtet, da es zuvor das Haus eines der Ärzte war. Für Verpflegung mussten wir selbst aufkommen, jedoch gibt es am Ende des Praktikums pro Woche 50$, die hierfür gedacht sind. Dadurch, dass wir alle unter einem Dach gewohnt haben, ist eine wundervolle Gruppendynamik unter uns Studenten entstanden und am Ende fiel uns allen den Abschied schwer. Die Anreise aus Deutschland ist wohl am besten mit einem Direktflug nach St. John’s von London aus. Mittlerweile gibt es auch günstige Flüge von Westjet ab London, oder auch der Tipp von den Einheimischen, dass man die Airline vor Ort anrufen soll, ist Gold wert. Die Airline heißt PAL Airlines und fliegt eigentlich nur innerhalb Neufundlands und Labrador, jedoch angeblich auch nach Europa auf Nachfrage. Dies ist aber scheinbar nur möglich, wenn man die Mühen nicht scheut dort persönlich anzurufen. Ich selbst habe einen Flug für 630€ (return) ab Frankfurt nach St. John’s gebucht und bin dann von dort mit dem einzigen regelmäßig fahrenden Bus auf der Insel nach Gros Morne gefahren (kostet auch ca. 100$) und von dort dann mit einem Shuttle Bus (Norpen Bus Service) für 50$ von dort nach St. Anthony. Aber hierbei muss man darauf achten, dass dieser Shuttle bus nur an Dienstagen und Freitagen verkehrt. Natürlich ist es auch möglich, einen Inlandsflug zu buchen, auch wieder über PAL Airlines. Dieser ist jedoch verhältnismäßig teuer. Falls man diese Option wählt, lässt einen das Krankenhaus vom Flughafen abholen. Es ist jedoch auch kein Problem Mitreisende nach einer Fahrtmöglichkeit zu fragen, da die Bewohner Neufundlands sehr hilfsbereit sind.
Studium:
Da ich mein Praktikum lediglich am Krankenhaus absolviert habe, kann ich wenig über die universitäre Struktur in Neufundland sagen. Das PJ Tertial an sich war jedoch sehr gut aufgebaut. So hatte ich nicht nur die Möglichkeit viel chirurgisches Wissen in meinem Chirurgie Tertial zu erlernen, sondern auch die Option an zahlreichen Teachings anderer Disziplinen teilzunehmen. Wir hatten als Studenten eine sehr verantwortungsvolle Position, verglichen mit deutschen Krankenhäusern. Wir waren zuständig für die morgendlichen und nachmittäglichen Visiten, haben Patienten selbständig in der Ambulanz betreut, diktierten Briefe, oder schrieben OP Kurzberichte. Natürlich wurde immer dem diensthabenden Chirurgen berichtet, der nochmal alle Fehler korrigiert hat. So war aber unsere Lernkurve sehr hoch.
Integration an der Hochschule, Land und Leute
Im Rahmen meines Praktischen Jahres war ich nicht an die Universität angebunden, sondern ausschließlich im Krankenhaus tätig. Daher kann ich wenig über die Integration und Lehre an der Hochschule berichten. Die Lehre im Krankenhaus war jedoch sehr umfassend und qualitativ gut. Wir hatten die Möglichkeit an Teachings aller Disziplinen teilzunehmen, die allesamt immer beim Chefarzt der Abteilung stattfanden. So konnten wir am Unterricht nicht nur in der Chirurgie, sondern auch in der Inneren Medizin, Family Medicine, Pädiatrie und Pathologie teilnehmen. Auch bestand einmal die Möglichkeit an einer Autopsie teilzunehmen und diese zusammen mit den MTAs der Pathologie durchzuführen. Alles in allem bestand neben der einzigartigen Möglichkeit das Land kennenzulernen immer die Option ob in Diensten oder im normalen Arbeitsalltag nicht nur in der eigenen Abteilung mitzuhelfen, so durften wir auch im OP auf die andere Seite zu den Anästhesisten wechseln und selbst intubieren oder bei der ZVK Anlage mithelfen. Um das Land und die Leute kennenzulernen, war jeder einzelne Neufundländer, dem wir begegnet sind, motiviert uns auszuhelfen. Fast jedes Wochenende und an vielen Abenden durften wir die Autos der Maintenance aus der Klinik ausleihen und damit kostenlos bis zu 1h Entfernung die Gegend erkunden. Das war auch wichtig, um in der Region wandern zu gehen, die Vikingersiedlung (UNESCO Weltkulturerbe L’Anse aux Meadows) zu besuchen und einfach einmal aus dem 2300 Seelen Ort St. Anthony am Wochenende herauszukommen.
Empfehlenswert ist es einfach mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Neufundländer sind die bisher hilfsbereitesten und freundlichsten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Man darf miterleben, wie der nächste Autofahrer neben einem an der Straße anhält, um einem nach dem Einkauf eine Fahrt mit den “schweren” Einkaufstüten nach Hause anzubieten oder sobald man Interesse an etwas bekundet wird versucht gemeinsam das Problem zu lösen. Uns wurden Kajaks organisiert, eine Bootstour um Wale und Eisberge zu beobachten, die Vikinger Häuser wurden außerhalb der Saison extra für uns aufgeschlossen, wir durften Schneeschuhwandern, und neben vielem anderen wurde uns ermöglicht mit einem der Ärzte Lachsfischen zu gehen und uns nur hierfür Gummilatzhosen ausgeliehen. Fast jedes Wochenende waren wir bei jemandem der Ärzte oder der Sekretärin eingeladen, ob zu Geburtstagsfeiern, Internationalen Dinnern oder einfach nur zum Abendessen und die Atmosphäre war stets offen und freundlich. Man durfte sich überall zuhause fühlen. St. Anthony ist zwar ziemlich verschlafen und bevor die Touristen Ende Juni in den Ort kommen, gibt es nur wenig Freizeitaktivitäten. Wer sich jedoch zum Wandern begeistern kann, wird schon alleine in St. Anthony 5 oder mehr verschiedene Wanderwege finden. Spektakuläre Anblicke gibt es vom Leuchtturm Fishing Point aus, ca. 1 km vom Krankenhaus entfernt, wo bis in den Sommer hinein Eisberge auf der Iceberg Alley vorbeitreiben und ab Juli Wale zu beobachten sind. Im Mai durften wir die Aufregung miterleben, als ein Eisbär durch St. Anthony lief und zum Stadtgespräch wurde.
Gesamteindruck
Ich möchte mein halbes Tertial in St. Anthony in Neufundland auf keinen Fall missen. Es war eine unglaublich tolle Erfahrung, nicht nur die Versorgung in einem Krankenhaus zu erfahren, das Patienten aus bis zu 300km Entfernung behandelt und dies somit die Behandlungsplanung beeinflusst. So können Nachkontrollen selbstverständlich nicht so einfach angeordnet werden, da es den Patienten nicht so leicht möglich ist spontan in der Klinik vorstellig zu werden, ohne größeren organisatorischen Aufwand. Landschaftlich war es möglich in zwei Monaten verschiedenste Eindrücke wahrzunehmen, nicht nur beim Wandern, sondern auch unterschiedliche Wetterlagen, wie einen Schneesturm oder am Folgetag wieder Sonnenschein mit 20° C. Die Natur mit einmaligen Küstenformationen, die an Irland erinnern, kombiniert mit Packeis und Eisbergen auf dem Atlantik und völlig konträre Eindrücke im Nationalpark mit Gesteinsformationen aus dem Erdinneren und Fjorden, durch welche eine Bootstour angeboten wird, war eine einmalige Erfahrung. Wir durften zahlreiche Elche, Karibous, Puffins, Wale, und einen Schwarzbären in freier Wildbahn erleben und das Zusammenrücken der Gesellschaft ein einem Ort, um den herum nicht viel mehr als atemberaubende Natur ist.
Bewerbung
Formalitäten vor Abreise:
Das PJ Tertial zu organisieren, war nicht ungemein schwierig, aber erforderte schon vom Aufwand her mehr Organisationstalent, als ein Tertial in Deutschland oder der Schweiz zu absolvieren. Die Bewerbung an sich wird direkt an die Sekretärin des Charles S. Curtis Memorial Hospitals in St. Anthony, Denise Pilgrim per Mail gestellt, die auch im Regelfall schnell antwortet, solange noch Plätze zu vergeben sind. Ihre Kontaktdaten sind auch auf der offiziellen Seite der MUN Universität St. John’s angegeben unter „student electives“. Die Bewerbung an sich kostet zu allererst 100$ , die jedoch nach Absolvieren des Praktikums in bar zurückerstattet werden. Sobald man seinen Praktikumsplatz in der Klinik bestätigt bekommen hat, muss man alle erforderlichen Dokumente nach Kanada schicken. Dazu gehört eine im Ausland gültige Berufshaftplicht, ein immunization check, den der Hausarzt unterschreiben kann, ein TBC Test, der auch beim Hausarzt oder einem Pulmologen durchgeführt werden kann und einen medizinischen Check von einem von der kanadischen Botschaft bestellten Arzt. Dieser letzte Test, der erforderlich ist, um die Erlaubnis zu bekommen in einem kanadischen Krankenhaus zu arbeiten kostet ca. 300€ und kann in jeder größeren Stadt, wie Frankfurt, Berlin, Hamburg, München durchgeführt werden. Es ist anzuraten diesen Termin rechtzeitig zu vereinbaren, um nicht am Ende Fristen zu versäumen. Ein richtiges Visum ist für das geteilte Tertial von 2 Monaten nicht nötig. Mit der Botschaft muss man sich dennoch in Verbindung setzen, um das „Pseudovisum“ zu erhalten. Kurz bevor das Tertial losgeht, bekommt man noch ein Schreiben von der Universität selbst und muss auch dort nochmals 125$ Bearbeitungsgebühr zahlen, die jedoch nicht erstattet wird. Somit ist der organisatorische Aufwand zwar nicht gering, aber zu bewältigen und es lohnt sich auf jeden Fall.