PJ-Tertial Allgemeinchirurgie in Hospital Universitario Nacional de Colombia (9/2017 bis 12/2017)

Station(en)
Allgemeinchirurgie, Orthopädie, Urologie
Einsatzbereiche
OP, Station, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Diagnostik
Heimatuni
Mainz
Kommentar
Arbeitszeit: Ein PJ-Tertial in Kolumbien sollte gut überlegt sein, die Assistenten, PJler und Studenten arbeiten wie die Tiere. Arbeitnehmerrechte, Arbeitszeitgesetze oder Schichtdienst sind hier leider unbekannt. Daher ist man täglich mind. 12 Stunden in der Klinik mit viel Spielraum nach oben (Beginn 5-6, um die Visiste vor zu bereiten, Schluss gegen 7-8 Uhr abends). Zusätzlich werden noch sogenannte "turnos" von einem verlangt: hierbei bleibt man 24 Stunden über Nacht und soll an den Wochenendturnos noch am nächsten Tag Visite und Dokumentation mit machen (sprich eher 36 Stunden am Haus). Man kommt also leicht auf 80+ Wochenstunden, von denen man jedoch effektiv nur 50-60% ausgelastet ist. Generell braucht man im Krankenhaus für jede Tätigkeit unerhältnismäßig viel Zeit: zwischen zwei OPs können schon mal 1,5 Stunden vergehen bis der Patient in Narkose auf dem Tisch liegt, ebenso zieht sich die Morgenvisiste extrem in die Länge (mein Rekord liegt bei 6 Stunden an einem Samstag für 70 Patienten). Man hängt also sehr viel rum und trinkt tinto.

Tätigkeiten: Zumindest wird man mit viel Verantwortung und Praxis belohnt. Gleich zu Beginn bekommt man seine eigenen Patienten zu geteilt, die man während der Visite vorstellt, anschließend dokumentiert man und meldet seine Untersuchungen/Labore/Medikamentenanordnungen an. Hierbei lernt man wahnisnnig viel und schnell - ein echter Pluspunkt. Nachmittags ist man dann entweder im OP oder nimmt Zugänge auf - auch hier dokumentiert man selbst und kümmert sich - nach Rücksprache - um die Therapie. Im OP kommt man ebenfalls zu viel Praxis: ich durfte bei jedem Patienten intrakutan nähen, habe bei den Laparoskopien die Kamera geführt und Thoraxdrainagen gelegt.
Ein weiteres Highlight sind die Consultas externas in der Ortho, also eine Spezial-Sprechstunde mit dem jeweiligen Facharzt für Knie, Schulter etc. Hier hat man sein eigenes Sprechzimmer und untersucht die Patienten vor, dokumentiert alles inklusive Analyse und Therapievorschlag im PC und stellt das dann hinterher dem Arzt vor. Meistens erklärt dieser dann noch die mitgebrachten Röntgen/CT/MRT Bilder.

Unterricht: exsistiert leider nicht, hin und wieder gibt es Vorträge der Assistenten, das sind aber meist ziemlich lustlose Präsentationen, die schnell unter Zeitdruck zusammen geschustert worden sind. Ein Komillitone, der vor mir an der Klinik war hat sich durchgesetzt und war einmal pro Woche an der Uni, um an den Chirurgie Kursen für die Studenten teilzunehmen. Hat bei mir ein einziges Mal geklappt ...

Sprache: selbstverständlich muss man Spanisch können, ich hatte ein B1.2. Niveau und war ein Semester in Spanien. Die ersten 2 Wochen sind trotzdem hart. Vor allem während der Visiste wenn alle durcheinander reden tut man sich schwer. Und am abend raucht einem ganz schön der Schädel vor lauter Spanisch. Zum Glück sprechen die Kolumbianer das meiner Meinung nach beste Spanisch, also sehr klar und langsam.

Verpflegung/Vergütung: die Assistenten zahlen selbst für ihre 4-jährige Ausbildung ordentlich Studiengebühren, daher ist PJ-Vergütung utopisch. Ich hatte aber ein Stipendium der Nacional in Höhe von 1500€. Man kann sich außerdem an der Uni Gutscheine für das Klinik-Mittagessen holen.

Bogotá: rießengroß und ohne Metro. Bogotá ist laut und der Verkehr mach einen wahnsinnig. Das einzige öffentliche Verkehrsmittel ist der Bus "Transmilenio" - stets überfüllt und auf die Dauer ziemlich teuer. Außerdem muss man so früh anfangen, dass man den Bus eh vergessen kann - viele kolumbianische Studenten kommen daher täglich mit dem Taxi. Ich kann jedem nur empfehlen sich eine Wohnung in der Nähe der Uni/Klinik zu suchen (Galerias, Chapinero, Teusaquillo) und sich vor Ort ein Fahrrad zu kaufen. Die Gegend um die Uni rum ist ziemlich sicher und hat gute Fahrradwege. Mit dem Rad ist man wesentlich schneller und spart Nerven.

Freizeit: leider hat man sehr wenig Zeit um das Leben in Bogotá auszukosten. An sich gibt es wahnsinnig viele tolle Kneipen, Restaurants, Clubs mit live-Musik, Theater und sonstigen Kultur-Angebot. Meist ist man aber abends zu müde, um sich noch aufzuraffen. Zusätzlich sind die Wochenenden auch oft belegt, so dass man wenig Möglichkeiten hat, raus zu kommen, oder zu verreisen.

Fazit: mir fällt es sehr schwer eine klare Meinung zu fällen. Es war ein sehr ambivalentes Tertial. Ich habe tolle Sachen gemacht und sehr viel gelernt. In Kolumbien ist man auf einmal Assistenzarzt und weiß zu Beginn gar nicht, wo einem der Kopf steht. Nach ein paar Wochen merkt man aber, dass das meiste funktioniert und man schnell dazu lernt. Gleichzeitig ist man gezwungen sehr viel Freizeit zu opfern und bekommt von dem Land und der Stadt so gut wie nichts mit. Trotz der langen Arbeitszeiten sind die Kollegen ziemlich gut gelaunt und nett. Das entschädigt für vieles, aber nicht für alles. Also gut darüber nachdenken, es gibt sicher bessere Häuser in Kolumbien/Südamerika.
Bewerbung
1 Jahr, Bewerbung an Prof. Ruben Caycedo, vorher nachfragen, ob die Heimatuni eine Kooperation mit der Nacional hat, ansonsten muss man die Semestergebühren von 3 Millionen Pesos zahlen.
Unterricht
Kein Unterricht
Tätigkeiten
Eigene Patienten betreuen
Patienten aufnehmen
Botengänge (Nichtärztl.)
Gipsanlage
Chirurgische Wundversorgung
Röntgenbesprechung
Briefe schreiben
Untersuchungen anmelden
Patienten untersuchen
Mitoperieren
Punktionen
Dienstbeginn
Vor 7:00 Uhr
Dienstende
nach 18:00 Uhr
Studientage
Gar nicht
Tätigkeiten
Mittagessen regelmässig möglich
Essen frei / billiger

Noten

Team/Station
2
Kontakt zur Pflege
4
Ansehen des PJlers
1
Klinik insgesamt
2
Unterricht
3
Betreuung
3
Freizeit
6
Station / Einrichtung
2
Gesamtnote
3

Durchschnitt 2.8