Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Diagnostik, Station, OP
Heimatuni
Tuebingen
Kommentar
Für mich war von Anfang an klar, ich möchte ein Tertial in Irland verbringen. Ich war schon einige Male dort im Urlaub und wollte mal ausprobieren, wie es ist dort zu leben und zu arbeiten. Ich bin nach wie vor ein großer Fan dieses Landes. Die Iren sind ein so wunderbares Volk, so herzlich und hilfsbereit. In Irland findet man sehr schnell gute Freunde und die Landschaft ist wirklich atemberaubend schön.
Das PJ-Tertial dort war allerdings ein großes Desaster. Allein die Organisation dieses Tertials war unglaublich chaotisch. Erst vor Ort ließ sich klären, ob ich am Ende meine nötigen Unterschriften bekommen würde oder das ganze für die Katz sein würde.
Das Team, mit dem ich arbeiten sollte, war am Tag meiner Ankunft nicht da und ich war auf mich allein gestellt. Ein paar Studenten meinten, ich könnte mit Ihnen mitkommen, sie würden bei ein paar Patienten Anamnese erheben und sie körperlich untersuchen. Das ist auch das einzige, was Studenten dort machen dürfen. Für Studenten gilt allgemein die Regel: "hands off". Aus Versicherungsgründen dürfen Studenten eigentlich nur zuschauen. Ich hatte im Lauf des Tertials 3-4 mal das Glück auch mal im OP zu assistieren. Studenten sollen dann auch immer gleich bei ihrem Consultant (Chefarzt) Bericht erstatten über ihre Patienten. Dabei bekam ich nach schlappen 90 min im Krankenhaus meinen ersten Anpfiff und es sollten noch viele Folgen. Leider hatte ich immer starke Probleme die Consultants zu verstehen, wenn sie mal wieder ausflippten, wie dämlich doch alle ihre Assistenzärzte und Studenten wären, da sie entweder Englisch mit starkem pakistanischen Akzent sprachen oder auf Urdu (Landessprache in Pakistan). Fast alle Ärzte im Cavan General Hospital waren aus Pakistan und Indien. Ich bin nur 2 oder 3 irischen Ärzten begegnet. Dementsprechend war der Umgang miteinander wenig irisch. Vielmehr hab ich jeden Tag die pakistanische Hierarchie zu spüren bekommen. Als junge Frau wurde ich von den Consultants sowieso eher belächelt. Ich hätte doch nicht sowas wie Medizin studieren sollen, kann ich denn überhaupt kochen und wie will ich mal einen geeigneten Mann finden. Zudem durfte ich mir einige sexistische Aussagen anhören und der ein oder andere Consultant ließ auch gern mal seine Hand wandern. Ich kam des öfteren heulend nach Hause, obwohl ich eigentlich nicht so empfindlich bin und mich meist gut zu wehren weiß. Lichtblick bei der ganzen Sache war, dass irgendwer herausgefunden hatte, dass ich später mal in die Anästhesie will. Man hat mir dann angeboten, dass ich dort auch hospitieren könne und auch gern mal in andere Fachbereiche hinein schnuppern könnte. Ich hab es ganze vier Wochen geschafft den Chirurgen zu entfliehen. Das war die beste Zeit dort im Krankenhaus.
Zum Gesundheitssystem selbst: Ich bin erschrocken, wie schlecht die medizinische Versorgung auf dem Land war. Die Patienten warten manchmal über ein Jahr, um einen Facharzt zu sehen. Bis dahin sind manche Patienten auch schon an ihren Krankheiten verstorben. Hier ist mir bewusst geworden, dass unser deutsches Gesundheitssystem, über das ich auch schon des öfteren geflucht hatte, wohl doch ganz gut war. Als ich meiner Mitbewohnerin erzählt hatte, dass in Deutschland auch Patienten behandelt werden, die nicht versichert sind und nicht selbst zahlen können, konnte sie es nicht fassen. Sie ist selbst schon aus der Notaufnahme mit stärksten Bauchschmerzen wieder nach Hause geschickt worden, weil sie kein Geld für die Aufnahme hatte. Sie hätte, noch bevor sie einen Arzt zu sehen bekäme, 60 Euro hinblättern müssen, die sie in dem Moment nicht hatte. Ich dachte, sie erzählt mir irgendeinen Quatsch. Aber das gleiche, habe ich dann noch von ein paar anderen Freunden auch gehört. Seither hab ich nicht mehr über unser System geflucht.
Freizeit hatte ich im Allgemeinen recht wenig. Obwohl ich ja eigentlich nur zuschauen durfte, wurde von mir erwartet, dass ich den ganzen Tag dabei bin und abends sollte ich im Selbststudium meist noch Papers lesen, über die ich berichten sollte, Essays schreiben oder ähnliches. Ich hab meinen Arbeitsaufwand auf ein Minimum begrenzt, weil ich an den Wochenenden ja auch mal reisen und Spaß haben wollte. Meine wenige Freizeit habe ich dafür umso mehr genossen. Bin viel gereist, hab viel mit meinen lieben Mitbewohnern unternommen und so einige Pubs auskundschaftet.
Da mir klar war, dass Cavan am Arsch der Welt liegt und äußerst schlecht an den Rest von Irland angebunden ist, war ich mit meinem eigenen Auto dort. Das war die beste Idee überhaupt. So war ich vollkommen unabhängig und flexibel. Am Anfang hatte ich Probleme eine bezahlbare Unterkunft für die Zeit zu finden und hab in einem Hostel ca. 20 km entfernt gewohnt. Ohne Auto wär das nicht machbar gewesen, weil es keine Busse oder ähnliches gab. Nach ca. 2 Wochen hatte ich dann eine WG in Cavan gefunden. Aber auch die Strecke bis zum Krankenhaus von hier waren gut 5 km. Das Linksfahren war kein großes Problem. Ich hatte mich sehr schnell daran gewöhnt.
Alles in allem bin ich nun um einige Erfahrungen reicher. Ich hab unglaublich viel gesehen und hatte abseits des Krankenhauses eine tolle Zeit. Ich würde ein Tertial in Cavan nicht noch einmal machen, aber wahrscheinlich hätte ich mich in den Arsch gebissen, wenn ich es nicht versucht hätte. Ich hätte es mir aber erspart, wenn ich eine derartige Bewertung darüber gelesen hätte. Ich hoffe, ich kann den einen oder anderen von euch vor einer solchen Erfahrung bewahren. Ich hatte einfach Pech mit den Consultants in der Chirurgie. Die sind dort aber schon seit teilweise mehr als 20 Jahren und haben auch nicht vor woanders hin zu gehen. Die bleiben dort noch einige Jahre. Es gibt ja noch einige Krankenhäuser in Irland, die gute Kritiken bekommen haben. Wendet euch bitte an die.
Bewerbung
Bewerbung Mai 2016 für März 2017.
Die Bewerbungsphase hat doch viel länger gedauert als gedacht. Ich habe viele Bewertungen der Krankenhäuser in Irland gelesen und gedacht, die Bewerbung wäre recht einfach. Nach vielen erfolglosen Telefonaten und Mails habe ich dann schriftliche Bewerbungen an alle irischen Krankenhäuser geschrieben, die auf der Liste der anerkannten KHs standen. (https://www.brd.nrw.de/gesundheit_soziales/LPA-PJ/pdf-PJ/PJ-Ausland-Gesamtliste.pdf) Ich bekam nur sehr wenige Antworten und nur eine Zusage aus Cavan. Erst hatte ich mich riesig gefreut, aber dann begann eine Odyssee von Mails mit dem RCSI Dublin (zuständige Uni dort) und dem Krankenhaus zwecks der Anerkennung des Tertials. Es war sehr nervenaufreibend und bis ich vor Ort war, wusste ich nicht, ob alles so klappen wird. Ich bin quasi auf gut Glück nach Irland gereist. Am Ende hab ich alle Zettel unterschrieben bekommen, die ich brauchte, aber den Aufwand und die Strapazen war das Tertial nicht wert. Ich kann nur von Cavan abraten. Lasst die Finger davon und macht lieber mal einen schönen Urlaub in Irland. Da habt ihr mehr davon.