Ich persönlich habe ein größtenteils gutes Wahltertial vom 20.11.2017 bis 11.03.2018 im Bereich Gynäkologie und Geburtshilfe am Unispital Basel verbracht. Ich kann beide Beschreibungen meiner Vorgänger über ihre Zeit hier in gewissem Maße nachvollziehen. Es wird viel "Haken gehalten" und die Verwaltung der elektronischen Akten war eine großer Teil der Arbeit, hat meiner Meinung nach aber vielfältige und praktische Erfahrungen nicht ausgeschlossen. Allerdings war für die praktischen Tätigkeiten und den Lerneffekt Eigeninitiative nötig, die man von Fast-Ärzten aber auch erwarten kann.
ORGANISATION
In der Abteilung gibt es 4 Assistenzärzte, die für die Unterassistenten (=PJler in der Schweiz) zuständig sind. Vielleicht wäre es leichter, einen einzelnen Ansprechpartner zu haben, mit dem man sich kurzschließen kann, wann man wo ist, wann man seinen Urlaub nimmt und was alles sehenswert ist/wo man was machen kann und wie man sich das organisiert. So habe ich immer der nächstbesten Person Bescheid gegeben; das hat auch problemlos geklappt.
Bzgl. Rotationen in die unterschiedlichen Bereiche kam es letztendlich kam darauf an, dass man sich selbst Gedanken macht und sich kümmert, dort hin zu kommen, wo man hin möchte. Vielleicht wäre an dieser Stelle eine kleine Übersicht sinnvoll, wo man überall als PJler hin kann und wen man dafür ansprechen muss.
GYNÄKOLOGISCHE STATION/OP
Auf der gynäkologischen Station werden die PJler als Teil des Teams benötigt. Idealerweise ist also immer ein PJler hier eingeteilt.
Hier sind die zwei Hauptaufgaben das Dokumentieren der Eintritte des Folgetages/der Patientin, die an den Freitagen in die präoperative Sprechstunde kommen und das Assistieren im OP. Ausserdem kann man natürlich bei den Visiten mitgehen, den Besprechungen wie beispielsweise den Tumorboard beiwohnen und Freitags auch mit in die präoperative Sprechstunde gehen. Unregelmässig ist es möglich den Patientenstatus bei Eintritt und eine Anamnese zu erheben oder Restharnultraschall und Nierenultraschall durchzuführen. Da viele Patientin beispielsweise nur Französisch, Italienisch oder Englisch sprechen, kann eine Anamnese eine ganz schöne Herausforderung sein!
Wie vermutlich auf jeder Station in jedem Klinikum ist auch hier der Dokumentationsaufwand hoch. Wenn man täglich hilft, die Eintritte im Computer zu dokumentieren lernt man jedoch die Patientin mit ihrem Krankheitsverlauf/Eintrittsgrund und so auch die diversen Krankheitsbilder kennen (u.a. benigne Befunde der Mamma, Mamma-, Vulva-, Cervix-, Endometrium-, Ovarialkarzinome, div. Adnexbefunde/Ovarialzysten, Endometriose, Uterus myomatosus, Tubenabszesse, Bartholinitis, PMP-Blutung, Endometriumpolypen, neg. Desiderium, Abortus incompletus). Außerdem bekommt man mit, was zu einem "einfachen" Eintritt dazugehören kann: von einer korrekten Aufklärung oder der Dokumentationspflicht i.R. eines SS-Abbruchs über einen Schwangerschaftstest, einen präoperativen Ultraschall, einer präoperativen Drahtmarkierung bis zum hinzuziehen von Physiotherapeuten, Psychoonkologen und Genetikern. Ich denke, hier wird man recht gut auf den realistischen Alltag von Assistenzärten an größeren Kliniken der westlichen Welt vorbereitet.
Die OP-Pflege ist nett und unkompliziert. Im OP hilft man bei den Vorbereitungen mit so gut man kann (Lagerung, Desinfektion, Abdecken des Patienten). Dabei ist es meist möglich vaginal zu untersuchen. Außerdem kann man i.d.R. den DK legen und bei Interessere lernt man, den Manipulator einzulegen. Je nach Zeitrahmen und Operateur gibt es vereinzelt kleine Highlights, sodass man beispielsweise eine fraktionierte, Abort- oder Absaugcurettage durchführen kann, sich an einer HSK oder Blasenspiegelung probieren kann oder eine Bartholini-Zyste spalten darf. I.d.R. führt man bei Mamma-, vaginalen, daVinci-/laparoskopischen und laparotmischen Eingriffen natürlich die 2. Assistenz durch.
Fast alle Ärzte sind nett, bereit jederzeit Fragen zu beantworten und einem Dinge zu erkären.
GEBÄRSAAL
Über die leitende Hebamme war es möglich, 3 Tage bei den Hebammen eingeteilt zu werden. So hat man das Team gut kennen gelernt und gesehen, was vor und nach den "30min", die die Ärzte bei der Entbindung dabei sind, passiert.
I.R. des Frühdienstes ist es möglich bei Sectiones zu assistieren. Ich habe Vakuum-Extraktionen, Spontangeburten und Not-/Sectios gesehen und konnte bei der Naht von Geburtsverletzungen assistieren. Man kann in vielen kleinen Dingen gut zur Hand gehen und helfen. Auch Schwangeren-Ultraschall hat man hier ein wenig lernen und z.T. selbst durchführen können.
Ich habe gerne den Spätdienst mit gemacht, hier war der Assistenzarzt zusätzlich für die Mutter-Kind- und Schwangerenstation zuständig und man hat die spannendsten Krankheitsbilder von dort ebenfall mitbekommen (u.a. SS-Cholestase, Prä-/Eclampsie, postpartale Blutung, CK-Verkürzung, Sichelzellkrise und Lungenembolie im Wochenbett, postpartale Inkontinenz).
MUTTER-KIND-STATION
Ich habe mich entschieden einige Tage auf der Mutter-Kind-Station zu verbringen. Hier sind Austrittsgespräche und Untersuchungen ein zentraler Punkt. Beides durfte ich selbstständig durchführen. Da hier nur ein Assistenzarzt ist, hat man eine tolle Betreuung, auch wenn die Station selbst nicht die spektakulärste ist.
POLIKLINIK/SPRECHSTUNDEN
Zwei Wochen habe ich im ambulanten Bereich verbracht. Hier durfte ich unter Aufsicht selbst transvaginale-/Ultraschalluntersuchungen durchführen, Abstriche entnehmen, das Nativ beurteilen und Ähnliches. Man wird mit der großen Vielfalt an Patienten konfrontiert und hat die Möglichkeit z.T. selbst zu Untersuchungen/die Anamnese zu erheben (Juckreiz, HWI, Schwangere, die befürchten, dass etwas nicht stimmt, Tastbefunde der Mamma, "komischer Ausfluss"...).
Ich war kaum in "Spezialsprechstunden". Da hier Fach- oder Oberärzte gefragt waren und bei einer engen Taktung und einnehmenden Zusatzverpflichtungen hatte ich den Eindruck, mich nur wenig einbringen zu können und somit bei den Assistenzärzten mehr zu lernen, v.a. mehr praktisches Wissen.
ENDOKRINOLOGIE/REPRODUKTIONSMEDIZIN
Ansich ist die EndoRepro getrennt von der restlichen Frauenklinik. Ich hatte die Möglichkeit mir zur organisieren, eine Woche dort zu verbringen und habe einen tollen Einblick bekommen. Es werden u.a. Hydrosonografien, office Hysteroskopien, Follikelpunktionen, endokrinologische Beratung und eine sexualtherapeutische Sprechstunde durchgeführt. Da man bei der Sexualtherapie nicht dabei sein konnte, war es super, dass man bei den Ärzten hier allgemein unglaublich viele Fragen stellen durfte und immer ausführliche Antworten bekommt.
Außerdem durfte ich einen Nachmittag mit ins Labor und bei der Durchführung eines Spermiogramms dabei sein und selbst mikroskopieren und auch sehen, wie Eizellen gereinigt und befruchtet werden und sich in den 5 Folgetagen entwickeln.
LEHRE
PJ-Unterricht ist nicht Teil des Schweizer Systems. Montags und z.T. Donnerstags gab es interne Fortbildungen, denen man beiwohnen konnte; hin und wieder ist man jedoch parallel im OP eingeteilt. Außerdem haben sich mehrfach Assistenzärzte Zeit genommen, richtig gute kleine "Lehr-Sessions" einzubauen. Fragen konnte man natürlich auch jeder Zeit stellen.
FREIZEIT/PAUSEN
Arbeitsbeginn war um 7.30-7.40, in der Reproduktionsmedizin um 7.00. Arbeitsende war meist zwischen 17.00 und 19.00. Man arbeitet 5 Tage/Woche, Studientage gibt es nicht. Pro Monat stehen einem 2 Urlaubstage zur Verfügung. Mittagspausen waren möglich, auf der gynäkologischen Station war zu Beginn ein Team, das selbst nur gaaanz kurze Essenspausen gemacht hat und im OP klappt es mit einer Pause von 12.00-13.00 natürlich nicht ;)
Dienste werden nicht erwartet, es ist möglich WE-Dienste mit zu machen und sich dafür Ausgleichsfrei zu nehmen.
Insgesamt wird hier viel gearbeitet und man macht schnell Überstunden. Dafür war es kein Problem, dass ich für einen Geburtstag oder am letzten Tag schon am späten Mittag verschwunden bin.
STIMMUNG
Es wird allseits viel erwartet und Eingriffe liegen in den Händen der Ober-/Fachärzte; die Assistenten verbringen sehr viel Zeit mit Organisatorischem, Papierkram und Dokumentation, was gefühlt durchaus für etwas Frust sorgt. Womöglich ging es meinem Vorgänger mit der sehr kritischen Bewertung ähnlich; ich war auch zwischendurch ein wenig unzufrieden, wie viel Arbeit man vor dem PC fern von Patienten erledigen muss. Das ist jedoch meiner Meinung nach heutzutage realistischer Klinikalltag und gehört dazu. Ich musste zwischendurch an das Wort "Gratifikationskrise" denken, das irgendwann im Studium mal gelehrt wurde ;)
Im Großen und Ganzen fand ich das Team jedoch sehr nett und hilfsbereit, natürlich findet man manche Menschen sympathischer als andere.
SPORT
Es ist möglich an den Sportangeboten der Uniklinik teilzunehmen und den Fitnessraum der Klinik vor und nach den regulären Arbeitszeiten kostenlos zu nutzen. Hierfür muss man sich anmelden und an einer Einführung teilnehmen.
WOHNEN
Im Personalwohnheim kann man sich in fußläufiger Entfernung vom Klinikum (10min) für 580 CHF/Monat, zzgl. 95 CHF für die Endreinigung, ein Zimmer mieten (personalhaus@usb.ch). Die Zimmer sind ordentlich, geräumig und funktionell möbliert. Jedes Zimmer ist mit einem eigenem Waschbecken, einer Toilette und einem Kühlschrank ausgestattet. Von der Qualität würde ich es mit einem Jugendherbergszimmer vergleichen.
Jede Etage wird von 5 Leuten bewohnt; eine mit Geschirr ausgestattete Küche und zwei getrennte Duschräume stehen zur Verfügung. Die gemeinschaftlichen Bereiche werden täglich von einer Putzfrau gereinigt.
Bewerbung
Die Bewerbung habe ich ca. 1 Jahr im Vorraus per Email an das Chefarztsekreteriat gerichtet (Frau Claudia Bisanti). Der Bewerbungsprozess lief schnell und komplikationslos.