Die Auswahlliste des PJ Rankings ist leider sehr limitert und gibt gar nicht die Vielfalt an Aufgaben wieder, die ich während meiner Zeit in der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin übernommen habe. Daher fasse ich hier noch einmal meine Tagesablauf zusammen (kein Anspruch auf Vollständigkeit):
OP
- morgends Frühbeprechung um 7:45, dann konnte ich mich einem Anästhesisten meiner Wahl anschließen (habe immer vorher gefragt, ob es okay ist, und erfreulicherweise hatte niemals jemand etwas dagegen :) )
- Einleitung des ersten Patienten, inklusive Verkabeln und Abarbeiten der OP Checkliste (tolle Sache die Checkliste!). Außer bei Patienten mit vorraussichtlich schwieriger Intubation, durfte ich mich immer daran versuchen, den Patienten zu intubieren. Wenn ich das Gefühl hatte, es klappt nicht, habe ich den MacIntosh an den Arzt weitergegeben. Im Anschluss daran haben wir dann "troubleshooting" gemacht, wo die Ärzte mir ganz entspannt und umgänglich erklärt haben, warum es bei mir mit dem Intubieren in der Situation nicht funktionieren wollte. Die Tips, die ich erhalten habe, konnte ich dann gleich bei der nächsten Intubation in die Tat umsetzen. Falls noch Braunülen und Arterien zu legen waren, konnte ich die auch legen (vorausgesetzt die Anästhesiepflege ist mir nicht zuvor gekommen ;) die sind wirklich ein ganz tolles Team mit viel Erfahrung, von dem ich viel gelernt habe!)
- Im OP Saal: Lagerung des Patienten, TOF, NarkoTrend, Wärmekontrolle, Einstellung der Atemparameter, Überwachung der Narkose, BGAs, Aufziehen und Verabreichen von Medikamenten (unter ärztlicher Aufsicht). Besonders gut gefiel mir das Team TimeOut- vor Schnitt sind Anästhesie und Chirurgie zusammen eine Checkliste durchgegangen, in der Patientenidentität, Operation, und Risikofaktoren noch einmal kruz durchgesprochen wurde. Das hat für Klarheit und Sicherheit bei allen gesorgt. Während der OP habe ich mich selten gelangweilt, weil die Anästhesisten immer irgendein ein Thema hatten, zu dem sie mich quizzen konnten. Da habe ich mir oft viel Pathophysiologie durch reines Nachdenken erarbeiten können/müssen :D auch die Operateure waren stets bereit, einer neugierigen Studentin Rede und Antwort zu stehen. Besonders loben möchte ich an dieser Stelle die HNO, die mich an den OP Tisch geholt haben, um mir die Anatomie des Halses während einer Neck Dissection näher zu bringen, oder die den Bildschirm angeschlossen haben, damit ich live den Austausch eines Gehörknöchelchens (mit Erläuterungen des Chefarztes!) mitverfolgen konnte.
- Holding Area: in der Holding Area konnte ich Patienten aufnehmen (wieder mit Checkliste) und noch mehr Braunülen legen. Oft habe ich in der Holding Area auch beim Blockstechen ausgeholfen, wobei ich viel über die ultraschallgesteuerte periphere Nervenblockade gelernt habe.
- Mittagspause ist garanitert. Feierabend war immer zwischen Viertel vor und Viertel nach vier. Länger bleiben war natürlich möglich, wenn man die OP gerne noch bis zum Ende mitverfolgen wollte ;) .
Intensivstation
- Beginn Übergabe um 6:55 (Frühschicht) oder 13:55 (Spätschicht); von Nachtschichten wurde dringend abgeraten, denn "das ist doch das einzig Gute am PJ, dass du als Student nicht auch noch nachts und am Wochenende arbeiten muss" ;)
- nach der Übergabe erfolgte die Visite der jeweiligen Fachabteilungen und die Aufteilung der Ärzte in die verschiedenen Bereiche der Station. Als ich auf Intensiv anfing, war es eine operative Intensivstation mit 15 Betten; während meiner Zeit kam jedoch die Internistische Intensivstation (nun unter Leitung der Anästhesie) dazu, so dass wir auf 21 Intensivbetten kamen. Ich hatte oft "eigene" Patienten, um die ich mich gekümmert habe und für die ich verantwortlich war. Ich habe mich über das entgegengebrachte Vertrauen sehr gefreut, mich jedoch nie überfordert gefühlt, da ich wusste, dass ich jederzeit jeden um Hilfe bitten konnte (und die Hilfe auch sofort kriegen würde). Für die Pflege auf Intensiv gilt übrigends das gleiche wie für die Anästhesiepflege: top Leute, einfach top :) .
- ab 9 Untersuchung der Patienten und Dokumentation, im Anschluss Visite (2x die Woche mit Apotheke und Hygiene).
- dazwischen und drumherum wurde alles erledigt, was anfiel: ZVKs legen, Tracheotomieren, Arterien (FlowSwitch und Seldinger), Braunülen, Fahrten ins CT, Weaning, Anpassung der Beatmungsparameter, Aufnahmen aus OP und ZNA, Sonographieren, Diagnostik durch andere Fachabteilungen wie z.B. Gastroskopien auf Station, Beurteilung von Röntgenbildern, Konsile anmelden, Labore und BGAs kontrollieren und auf die jeweiligen Werte reagieren, Angehörigengespräche, Beurteilung von deliranten Zuständen... gelegentlich kam noch eine Reantimation oder eine Notfallintubation dazu, ganz verschieden. Zeit, um sich ein wenig mit den Patienten zu unterhalten, war auch drin (und sollte auch drin sein).
-Übergabe an die Spätschicht begann um 13:55 und ging bis knapp 15:00 (hat bei 21 Patienten aber oft länger gedauert). Ich bin aber oft noch länger geblieben (freiwillig!) bis das erledigt war, was wir uns für die jeweilige Schicht vorgenommen hatten. Ich war dabei ja auch in bester Gesellschaft :) .
Andere Bereiche
- Prämedikation
- Mitlaufen in den Schockraum
- Mitlaufen beim Notfallpieper (habe da gleich reanimieren können)
- Mitfahren auf dem NEF (habe auch hier vorher nachgeschaut, welche Ärzte wann fahren und mich dann erkundigt, ob es für sie okay ist, dass ich mitfahre, bevor ich mich für die jeweilige Schicht eingetragen habe. Auch hier hatte niemand was dagegen ;) habe auch wirklich tolle Erfahrungen aus dem NEF Dienst mitgenommen)
- Assistentenfortbilungen (alle 1-2 Wochen)
- Teilnahme an Kongressen (Bremer Intensivkongress- ganz tolle Sache!)
-PJ Unterricht: war ganz gut, wenn er stattfand; oft ist er aber auch ausgefallen (war bei 2x Unterricht die Woche verkraftbar, vor allem, wenn der Unterricht für 16:30 angesetzt war und man sich seit 6:45 auf Station befand... meistens ist der Unterricht auch donnerstags zur späteren Uhrzeit ausgefalle, montags fand sehr regelmäßig statt). Anwesenheit wurde nicht überprüft, das Ganze fandt auf Vertrauensbasis statt, allerdings war die Anzahl an PJlern (erst 5, dann 3) auch sehr gut zu überblicken... ;) und wie gesagt, was an Unterricht stattfand war überwiegend sehr gut (vor allem der Unterricht von der Anästhesie, Neurologie, und Allgemeinchirurgie!).
Warum KBR?
- die Leute. Was ich an Aufgaben aufgelistet habe, könnt ihr sicher auch in anderen Häusern machen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders eine so zuträgliche Arbeitsatmosphäre zu finden. Die Beziehung zwischen Ärzten und Pflegen war kollegial und entspannt, und ich habe mich, wie es in der Abteilung Gang und Gebe zu sein scheint, mit allen geduzt (bis auf mit einigen Oberärzten, aber das habe ich nicht als abweisend empfunden. Wer gesiezt werden möchte, hat das Recht darauf). Es sind natürlich immer noch alles Menschen, die mal mehr und mal weniger gut drauf sind, aber ich habe es nicht einmal erlebt, dass schlechte Laune an mir al PJler "ausgelassen" wurde (sollte auch nicht sein- meine Menschenrechte gebe ich schließlich nicht ab, wenn ich den Kasack anziehe). Ich glaube ehrlich nicht, dass man irgendwo eine offenere und mehr um Studenten bemühte Anästhesieabteilung finden kann.
- der Lernerfolg. Ich bin einem unglaublich umfassendem und abwechslungsreichem Spektrum an Patienten und Krankheitsbildern begegnet und fühle mich bestens darauf vorbereitet, als Assistentin in der Anästhesie anzufangen.
Fazit
Wenn ihr daran interessiert seid, in die Anästhesie und Intensivmedizin zu gehen, dann kann ich euch das KBR nur aus vollstem Herzen empfehlen. Ich bin tatsächlichen jeden Tag gerne zur Arbeit gegangen :D Wichtig ist, dass ihr euch zwar etwas zutraut, euch aber eurer Grenzen bewusst seid! Wir sind Studenten, keine Fachärzte, und dreimal Nachfragen ist besser als sich einmal selbst zu überschätzen und Mist zu bauen. Und ich empfehle euch, wirklich JEDEM zuzuhören -egal ob Assistent, Pfleger, Physiotherapeut, oder Facharzt- denn alle haben wertvolle Tricks im Ärmel, die sie gerne mit euch teilen. (Und falls ihr von drei Anästhesisten fünf verschiedene Lehrmeinungen erhaltet, naja, das ist Normalzustand ;) ). Ich wünsche euch viel Spaß und eine tolle Zeit im KBR! :)
Zum "Drumherum"
- Wohnung, Mittagessen, und Kleidung gestellt
- wirklich total nette Personalabteilung! Sehr hilfreich in allen Belangen.
- Wohnung liegt max. 10min Fußweg vom Klinikum entfernt direkt im Grünen und mit super Busanbindung in die Stadt und zum Hauptbahnhof. Die Küche ist ausreichend ausgestattet und ein LIDL ist auch direkt um die Ecke. Die übrigen Bewohner des Hauses sowie die Hausmeisterin sind auch sehr lieb und hilfsbereit. Waschmaschine und Trockner im Keller. Wohnungstür nicht offen lassen, sonst sitzen unter Umständen plötzlich die Nachbarskatzen auf den Küchenstühlen bei der Heizung ;) .
- wer Grün mag, ist in Bremerhaven gut aufgehoben. Wer Stadt braucht, der hat es nicht weit nach Bremen. Wenn ich nicht völlig erschlagen war von den ganzen neuen Eindrücken auf der Arbeit, bin ich gerne in der Eisarena Schlittschuhlaufen gegangen, oder ins Kino, oder Wandern um Sahlenburg herum. Der Feierabend lässt sich schon gut rumkriegen ;) .
Kritikpunkte
- die IT Abteilung sollte meinen Chip für die Umkleide auf Intensiv freischalten, hat das aber bis zum Ende meines PJs nicht hingekriegt.
- die zur Verfügung gestellte Wohnung hat kein WLAN. Da außer mir aber auch einige Honorarärzte diesen Umstand angekreidet habe, hoffe ich, dass sich da demnächst was ändert.
- der späte PJ Unterricht. Meistens ließ sich mit den Dozenten aber eine frühere Uhrzeit verhandeln.