Das Chirurgietertial hat besonders viel Spass gemacht - egal, ob man sich für Chirurgie interessiert oder nicht.
Absolute Voraussetzung sind gute Portugiesischkenntnisse und selbst damit hatte ich Probleme, die Patienten zu verstehen. Die Ärzte und das Personal haben Geduld, sprechen teilweise englisch oder sind besser zu verstehen, aber bei Patienten ist es zum Teil schon schwierig gewesen.
PRAKTIKUM VOR ORT
Die Organisation des PJs lief so, dass ich die ersten 3 Monate in dem UNIVERSITÄTSKRANKENHAUS (Hospital Universitario Prof. Alberto Antunes) auf der Station mitgearbeitet habe. Dort gibt es keine Notaufnahme, es werden nur elektive Eingriffe vorgenommen. Die Studenten auf Station (meist so 6-10 an der Zahl) teilen sich die Patienten täglich auf und visitieren sie selbstständig. Ist man damit fertig, kann man in den OP gehen oder sonstige Dinge auf Station erledigen. MITTAGESSEN ist regelmässig möglich und sehr gut und gratis! Am Ende des Tages hält man Rücksprache mit dem Assistenzarzt (Residente), der für die Station verantwortlich ist, übergibt den Patienten und bespricht so das weitere Procedere. Wenn der Arzt einen mag, verbindet er das gleich mit etwas Teaching über den Fall. Die anderen Ärzte sind im OP und kümmern sich nach OP-Tag um ihre Patienten auf Station, schauen sich deine Evaluation an und leiten nächste Schritte ein.
Im OP darf man regelmässig in die Operationen eintreten, man muss aber gelegentlich warten, bis es losgeht. Wenn es zu viele Leute sind, schaut man nur zu, aber eigentlich ist es kein Problem, wenn man vorher fragt. Stellt man sich mit den Anästhesisten gut, darf man auch öfter intubieren oder sonstige Eingriffe machen.
Wie lange man im Krankenhaus bleibt, hängt von der eigenen Motivation und Organisation ab. Im Prinzip kann man gehen, sobald man den Patienten übergeben hat und das wiederum hängt vom verantwortlichen Assistenzarzt ab.
Die einheimischen Studenten machen einen Rotationsplan, wer am Nachmittag und am Wochenende bleibt. Am Nachmittag nimmt man die Patienten auf, man assistiert im OP und gelegentlich gibt es auch kleine Eingriffe zu tun. Aber da die Studenten ihren Plan schon gemacht hatten, war ich nicht Teil dessen und musste dementsprechend nicht bleiben.
UNTERRICHT gab es 2x die Woche. Theoretisch. Einer hätte bei der Professorin stattfinden sollen (hatte ich aber in der gesamten Zeit nur 2x!) und der andere war beim Professor mit Patientenvisite (jeder stellt seinen Patienten vor), Besprechung anschliessend und dann die Besprechung eines wissenschaftlichen Papers. Das war gut und hat regelmässig stattgefunden, aber es war schwierig, den Prof. zu verstehen...
Ausserdem geben gelegentlich die Assistenzärzte, die auf Station sind, Unterricht. Das ist aber nicht planbar, sondern entsteht spontan.
Im letzten Monat war ich im NOTFALLKRANKENHAUS. Dort schmeissen auch 6-10 Studenten die Notaufnahme, haben den Erstkontakt, fertigen die Anamnese und körperliche Untersuchung an, überlegen sich diagnostische oder therapeutische Schritte und gehen dann damit zum Arzt der Notaufnahme. Ist der einverstanden, setzt er seinen Stempel drunter und alles geht seinen Gang.
Dort kann man sehr viel sehen, machen und üben! Die Studenten nähen alles, kämpfen um zentrale Venenzugänge, versorgen Wunden, beurteilen Röntgen usw. In meinen Augen arbeiten sie dort viel eigenverantwortlicher als bei uns.
Desweiteren gibt es einen Rotationsplan, wann wer in die nächste OP geht. Dort im Krankenhaus gibt es keine MTAs, die instrumentieren, dementsprechend erledigen das die Studenten. So lernt man besonders gut, weil man immer mit am Tisch steht und dem Arzt direkt gegenüber steht, sodass er die OP viel mit einem bespricht. Eine OP durfte ich sogar komplett selbstständig durchführen mit ihm neben mir.
Die Dienste dort sind von 07.00 -19.00 Uhr und von 19.00 - 07.00 Uhr. Nachts teilen die sich auch auf, sodass eine Truppe von 23.00-03.00 Uhr arbeitet und dann schläft, die andere Truppe von 03.00-07.00 Uhr. Ich konnte das aber ein bisschen freier handhaben ;-)
Essen gehen konnte man auch immer, allerdings bevorzugten dort fast alle, dafür das Krankenhaus zu verlassen, denn das Essen dort war nicht so toll. (Man hätte auch Besteck, Seife und Handtuch mitnehmen müssen, beispielsweise).
Dort gibt es generell ziemlich wenig, man muss sich - im Gegensatz zum Universitätskrankenhaus - auf Anblicke, Gerüche und Zustände einstellen, die man aus Deutschland nicht kennt. Starke Nerven und Praktikabilität helfen.
Allerdings kamen nicht so viele furchtbare Verletzungen, wie auf was ich mich eingestellt hatte.
Generell waren ausnahmslos alle Leute super freundlich, total hilfsbereit und begeistert davon, dass ich da war, portugiesisch gesprochen habe und als Europäerin dort war.
MACEIO ALS STADT
GEWOHNT habe ich ausserhalb der Stadt in einem kleinen Fischerdorf namens Garca Torta. Das war wunderbar, mein Condominio war direkt am Strand. Ich bin also jede Nacht mit dem Geräusch des Wellenrauschens eingeschlafen. Auch mit den Leuten meines Condominio habe ich mich sehr gut angefreundet und echte Freunde dort gefunden. Das habe ich aber privat (über couchsurfing) organisiert, von der Uni wurde mir nichts speziell angeboten. Allerdings hätte man sich da vielleicht in Studentenforen besser informieren können.
Ansonsten ist die Strandpromenade von Maceio sehr schön und lang, mit Fahrradweg an Palmen ausgestattet und etlichen Kokosverkäufern.
An vielen Stellen kann man toll surfen, aber abgesehen von der Strandpromenade ist Fahrrad/Longboard fahren eher schwierig. Es gibt eine Ausgehmeile mit vielen Bars, Diskotheken und Theater. Besonders schön ist die Zeit im Juni, weil den gesamten Monat über "Festa Junina" ist und so viele Bühnen und Partys (hauptsächlich Forro) feiern.
REISEN
Da ich als Ausländerin einen Sonderstatus hatte, konnte ich relativ frei entscheiden, wann ich arbeite und konnte so viel reisen gehen. Die Professorin, die meinen Zettel unterschrieben hat, hat gar nicht mitbekommen, ob ich da war oder nicht und die Studenten waren dankbar, wenn ich überhaupt da war.
Man sagt, in Alagoas gäbe es die schönsten Strände Brasiliens - Wahnsinnsausflüge garantiert.
GEFAHR
Man sagt, Maceio sei gefährlich. Ist es wahrscheinlich auch, fast jeder, den ich kenne, wurde schon überfallen, einschliesslich mir einmal. Aber man muss sich an bestimmte Verhaltensregeln halten und so die Gefahr minimieren. Dennoch besteht die Möglichkeit, das sollte man sich bewusst machen und Massnahmen ergreifen.
Dennoch bin ich immer alleine joggen gegangen, Bus gefahren, habe sogar mein Handy im Bus rausgeholt und bin teilweise getrampt. Also auch nicht verrückt machen lassen und vernünftig handeln.
Bewerbung
2 Jahre vorher anfangen, den Kontakt zu suchen. Leider war die Kommunikation extrem schlecht, sodass es ewig gedauert hat, die richtigen Personen zu finden.
Wer sehr zuverlässig antwortet, ist der Coordinador do Curso de Medicina, Helcio de Barros (coordenacao.med@famed.ufal.br)
Für den Kurs verantwortlich ist Prof. Lucy, aber mit ihr ist der Kontakt extrem schwierig.
Das internationale Studentenbüro ist "assessoria.asi.ufal@gmail.com", mit denen muss man auch Rücksprache halten.
Bleibt man länger als 3 Monate im Land, muss man sich um ein Studentenvisum kümmern. Das bekommt man relativ schnell (innerhalb von ca 2 Wochen), benötigt aber eine Menge Dokumente dafür. (Website der Brasilianischen Botschaft in Berlin unter Visum: "Praktikum im Rahmen eines Studiums", http://berlim.itamaraty.gov.br/de/praktikum_im_rahmen_eines_studiums.xml)
Desweiteren muss man sich vor Ort bei der Bundespolizei vorstellen, um nicht am Ende für alle Tage , die man länger als die offizielle Frist von 90 Tage geblieben ist, 100 Reais zahlen muss. Dafür braucht man auch einige Dokumente (Fotos, Wohnungsvertrag (oder Nachweis über Wohnsitz), Vertrag von der Uni und eine Geburtsurkunde im Original! Die würde ich immer mitnehmen, braucht man für alles mögliche.)