Mein PJ am Spital Frutigen zu beginnen, war das Beste was mir passieren konnte.
Die Unterassistenten haben einen festen Platz im Team mit definierten Aufgaben. Für mich war das die perfekte Mischung zwischen "ins kalte Wasser geworfen werden" und jederzeit Rückhalt und ein offenes Ohr bei den Assistenz- und Kaderärzten zu finden.
In der Notaufnahme erhebt man selbständig Anamnese und klinische Untersuchung, meldet Labor-/Röntgenuntersuchungen an und präsentiert den Fall dem Assistenten oder direkt dem Kaderarzt, der dann das weitere Procedere vorgibt. Je nach Verletzung bekommt man Erfahrung in chirurgischer Wundversorgung und Gipsen sowie im Beurteilen von Röntgenbildern und Indikationsstellung der Therapieformen. Der Unterassistent verfasst Arztbrief, Rezept und Krankmeldung und bekommt so Routine in der Patientenversorgung von Erstvorstellung bis zur Entlassung.
Die OP-Assistenz wird hauptsächlich durch die Unterassistenten abgedeckt. Hier wird man in das Arbeiten im sterilen Umfeld herangeführt und anders als an großen Häusern fehlt der Zeitdruck, ein umfangreiches OP-Programm durchzupeitschen, sodass stets Zeit für Erklärungen etc. bleibt.
Nachmittags sind die Unterassistenten für das "Ambi" zuständig (quasi Poliklinik mit Verlaufskontrollen und Nachsorgeuntersuchungen). Hier werden die Patienten wieder voruntersucht, der Befund dokumentiert und die Patienten dem Kaderarzt vorgestellt sowie das anschließende Procedere organisiert. Außerdem stehen regelmäßig Aufnahme für elektive OPs (v.a. Knie- und Hüft-TEPs) an.
Die Nächte, Wochenenden und Feiertage müssen auch von den Unterassistenten abgedeckt sein (je nachdem wieviele UA im Hause sind, ist man mehr oder weniger oft dran). Nachts wird man selten (!) zu einem Not-Kaiserschnitt als 2. Assistenz gerufen oder es wird abends noch ein Schiunfall operativ versorgt. An den Wochenenden/Feiertagen unterstützt man die Assistenten in erster Linie in der Notaufnahme und ist dann auch für Innere-Patienten zuständig, was ich persönlich sehr abwechslungsreich fand. Die Wocheenddienste haben mir immer viel Spaß gemacht, da man richtig "mitmischen" kann, wenn gerade Schihochsaison ist und die Notaufnahme voll ist. Die Pflege, Assistenzärzte und Kaderärzte schätzen deine Arbeit und sind dankbar für die Unterstützung und man selbst hat zum ersten Mal das Gefühl, wirklich ärztlich tätig zu sein.
Der Freizeitwert ist unmittelbar in den Bergen natürlich sehr hoch, gerade im Winter habe ich sehr vom nahe gelegenen Schigebiet Adelboden profitiert. Das Schwyzerdytsch habe ich mit der Zeit lieben gelernt und ich bin nur freundlichen Leuten begegnet. Und mit meinen Unterassistenten-Kollegen gab es auch immer genug zu lachen.
Wer in Frutigen die große Chirurgie sucht, ist fehl am Platz (hauptsächlich allgemeinchirurgische und orthopädische Routineeingriffe), aber wer Lust hat auf ein angenehmes Arbeitsklima und wer bisschen Eigeninitiative an den Tag legt, kann hier eine sehr wertvolle und lehrreiche Zeit verbringen. Ich habe in Frutigen definitiv viel ärztliches Handwerkszeug gelernt, habe erfahren wie viel Spaß die Arbeit machen kann und die familiäre und supportive Atmosphäre im Spital Frutigen hat mir den Abschied nicht gerade einfach gemacht.
