Die PJ-Organisation läuft wie ein Schweizer Uhrwerk. Man bekommt sehr viel Tips und Anregungen sowie feste Regeln direkt vorgelegt. Es ist ein kleines Haus und man wird direkt voll versorgt und es ist alles für den ersten Arbeitstag vorbereitet. Man kann direkt starten. Das kennt man auch aus Deutschland oft anders.
OP:
Obwohl es sich um ein chirurgisches Tertia handelt bestehen die OPs zu 80% aus orthopädischen Eingriffen bei denen vor allem Hüft- und Knie TPs überwiegen.
Bei diesen OPs darf man zuerst nur Haken halten und das Bein heben. Später wenn man sich nicht ganz ungeschickt anstellt darf man auch mal als erste Assistenz viele kleinere Tätigkeiten wie Pins setzen oder ziehen, koagulieren, saugen usw. Nach der ca. 1 Monat und 20 solchen Eingriffen stagniert die Lernkurve für den PJler erheblich und diese Eingriffe werden zur Routine und eintönig.
Bei den Chirurgen ist man selten. Man muss sich mit den anderen PJlern um diese interessanteren Eingriffe streiten. Es gibt auch 1x/Woche einen Urologie Tag. Der dortige Urologe Dr. Thoms ist super nett und erklärt viel.
Die allg. Chirurgischen OPs bestehen meist aus Hernien und anderen kleineren Operationen wie z.B. Lipom - und Atheromentfernung, Keilexzisison, Ulceraversorgungen, Ringbandspaltungen. Schilddrüsen OPs oder Venenstripping gab es auch, aber da wird man nur sehr spärlich eingeteilt.
Die Notfallmäßigen OPs im Dienst sind dagegen besonders interessant weil man mit dem Oberarzt alleine operiert, während der Assistent die Ambulanz hütet.
Dort meist Appendektomien, Gallen, Ileus usw. Erklärungen und Teaching im OP variieren sehr stark von gar nicht bis sehr viel. Fragen stellen ist aber immer möglich. Im Allgemeinen ein sehr höflicher und lustiger Umgangston im OP. Kein Vergleich zu Deutschland. Es ist schon ein schönes Gefühl wenn man nicht jedes Mal beim Betreten des OPs von der OP Pflege angemacht wird, wie man das vor allem aus dt. Unikliniken gewohnt ist.
Einen Teil der Hautnaht darf man bei den meisten Operateuren nähen. Manchmal ist eine kurze Erinnerung, dass man gerne Nähen möchte notwendig. Es wird dem PJler viel Vertrauen entgegengebracht. Zeitmanagement und die Sorgfalt ist bei manchen Operateuren teilweise sehr von der Tagesform abhängig und generell gehen die Meinungen über Hautnaht/Klammern/Redons/Drainagen/Blutsperren/Monopolar usw. zwischen den Operateuren sehr auseinander.
Station:
Auf Station läuft man bei Visite mit und schreibt danach die Verläufe. Ansonsten erledigt man Botengänge, meldet Untersuchungen an oder schreibt Briefe für den Austritt. Teaching bei Visite ist sehr Arztabhängig. Je nachdem wie gut man sich mit dem Arzt versteht kann man nichts oder sehr viel lernen, wenn man ihn/sie verstehen kann. : ) Fragen werden eigentlich immer beantwortet und auch honoriert. Es entstand meist eine angenehme Arbeitsbeziehung mit den Stationsärzten mit großer Selbstständigkeit. Man konnte total viel von den Assistenten lernen. Der Ton war dabei steht sehr freundschaftlich und lustig. Allerdings muss man auch lernen unnötige Botengänge und persönliche Anfragen der Ärzte direkt abzuschmettern. Einige Bsp: Hol mir mal einen Flammkuchen aus der Kantine! Kannst du bitte die Station übernehmen, weil ich fahre nach Luzern um mir ein Kleid zu kaufen! Kannst du die Nachmittagsvisite mit der Pflege machen, ich muss meinen Hund abholen. Es kam mir wie eine Schweizer Eigenart vor, dass Fehler oder Beschwerden NIE offen ausgesprochen wurden, sondern über Dritte an einen Herangetragen wurden und das auch erst wenn das Fass bereits übergelaufen war. Das war für mich sehr befremdlich und ich hätte eine direkte und ehrliche Ansprache bevorzugt.
Ansonsten hatte man in Wolhusen im Gegensatz zu Dt. nicht das Gefühl überflüssig zu sein, sondern man war Teil eines Teams und wurde gebraucht.
Die Chefvisite war Montag nachmittags und komplett überlaufen und mehr ein Handschütteln und absolut nicht edukativ geprägt.
Zudem ist es Aufgabe der Unterassistenten die Patienten "aufzunehmen". Dies geschieht bei einem Teil der Patienten nach der Operation und die Informationen, die es zu erfragen gilt.
Die Pflege ist in Wolhusen durchweg gut besetzt. Man hat also Zeit sich auch bei der Pflege rat zu holen. Als Deutscher ohne Kenntnis des Luzääärner Dialekts hat man es am Anfang extrem schwer und alles ist erstmal lustig, komisch und schwer. Die Pflege ist meistens jedoch geduldig und versucht so gut es geht hochdeutsch zu sprechen in der Anfangszeit.
Man hat 1x im Monat Wochenenddienst, bei dem man komplett alleine als Arzt eine Station führt und Visite macht. Natürlich kann man hier auch beim Rapport den zuständigen Oberarzt fragen und die Pflege steht tatkräftig zur Seit. Faktisch ist man aber plötzlich der alleinige direkte Ansprechpartner und man möchte auch nicht wegen jeder Kleinigkeit direkt den Oberarzt piesacken. Das ist am Anfang sehr neu und schwer aber man wächst mit seinen Aufgaben.
Wohnen:
Man wohnt direkt neben dem Spital in einem Personalwohnheim. Kleines Zimmer mit gemeinsamer Küche. Die Zuneigung mancher Klinikmitarbeiter gegenüber uns Deutschen hält sich jedoch stark in Grenzen und birgt schon ein gewisses Konfliktpotential. Über die Hausverwaltungsangestellten kann ich hier keine freundlichen Worte verlieren. Völlig Realitätsfern, verständnislos und aggressiv wenn es um die Sterilität der Gemeinschaftsküche geht. Das Endete bei einigen PJlern in Tränen und in Stasimäßiger Zwangsschließung der Küche ohne Rücksicht auf Nachtschichten oder Notfälle im Spital, bei denen das Geschirr abspülen mal nicht erledigt werden konnte. Es herrschte ein Umgangston der geprägt war von gegenseitiger Abscheu und Angst. Zum ende meines Tertials wurden persönliche Sportartikel, die neben der Wohnungstür standen eigenhändig ohne Nachfragen von den Reinigungskräften entsorgt.
Fortbildungen:
Theoretisch finden sowohl am Dienstag, als auch am Donnerstag um 16:15 Uhr Fortbildungen statt. Vorausschicken möchte ich, dass die Fortbildungen, die stattgefunden haben wirklich sehr gut waren und die Ärzte durchweg bemüht waren einem etwas beizubringen. Allerdings ist dafür vonnöten zu Beginn der Woche den zuständigen Arzt anzurufen.
Notfall:
Abhängig von der UA-Anzahl ist man in der Regel 10 Tage auf dem Notfall eingeteilt. Dort kann es je nach Anzahl der Patienten mehr oder wenig spannend und interessant sein. Man darf Köpfe nähen, man lernt Gipsen, Ultraschallen kann man auch und im Allgemeinen macht man die Patienten komplett selbst und diagnostiziert dann mit den Ärzten. Der Notfall ist sehr beliebt weil man meist komplett befreit ist von Station und OP und man hat den größten Lerneffekt.
Fazit:
Aufgrund der sehr guten Bewertungen bin ich mit recht hohen Erwartungen in das Tertial gestartet. Das war auch der Hauptgrund dieses kleine Haus zu wählen.
Es ist aber eigentlich ein orthopädisches Tertial gewesen. Die allgemeinchirugie ist eher ein kleiner Nebenteil gewesen. Das ist auch mein Hauptkritikpunkt, Menschlich gab es ein paar dunkle Momente aber viel mehr Licht. Mit etwas Glück kann man auch bleibende Freundschaften mit den Assistenzärzten knüpfen. Alles in Allem habe ich es nicht bereut. Es lohnt sich während der Sommermonate zu kommen. Das Land und die Kultur sind einzigartig.
Bewerbung
2 Jahre früher, wäre aber nicht unbedingt so viel früher notwendig gewesen.