1. Bewerbung
Seit Mitte 2018 läuft die Bewerbung für ein Elective nur noch über das AMFC Portal, das etwas unübersichtlich ist, man aber wenigstens alle benötigten Dokumente einfach hochladen kann. Man kann sich nur in einem bestimmten Zeitraum (frühestens 25 Wochen vor Elective Start) bewerben und bekommt dann frühestens 16 Wochen vor Start eine Zu- oder Absage. Man muss einen CV, ein Führungszeugnis, einen Haftpflichtversichungsnachweis fürs Ausland (gibt’s kostenlos über den Marbuger Bund) und einen Impfnachweis inklusive Influenza und Tuberkulose-Test einreichen und einen Ansprechpartner an der Heimatuni angeben. Evtl. fragt dieser dann noch nach einem Sprachzertifikat, das ist wohl aber unterschiedlich je nach Uni.
Die Bewerbung kostet 925 CAD (ca. 600€). Wenn man eine Zusage bekommen hat, muss man sich zusätzlich noch beim College of Surgeon of Newfoundland Canada registrieren. Dafür benötigt man einen Letter of Recommendation vom Dekanat und muss noch mal 120 CAD (80€) zahlen.
Bei Fragen kann man sich immer an Denise Pilgrim wenden, sie ist die Studentenkoordinatorin und quasi eine Ersatzmutter. Sie kümmert sich wirklich um alles.
2. Anreise und Unterkunft
Man braucht als Medizinstudent für ein Praktikum in Kanada kein Visum, aber eine medizinische Untersuchung inkl.Rö-Thorax zum Tuberkulosenachweis. Früh genug drum kümmern, diese Untersuchung dürfen nämlich nur 3 Ärzte in Deutschland machen. Kostet (unverschämte) 350 €, wird aber bei der Immigration überprüft. Ansonsten braucht man nur ein ETA.
Die Anreise läuft ziemlich einfach mit einem Flug über Toronto nach St.Johns. Von dort fliegt die PAL Airlines nach St.Anthony. Dieser Flug ist ziemlich teuer, wenn man per Telefon bucht gibt es Studentenrabatt. Alternativen gibt’s leider nicht viele, man kann lediglich selber mit einem Mietwagen nach St.Anthony fahren (ca 12h), kostet aber fast genauso viel. Wenn man Denise Pilgrim früh genug die Flugdaten sagt, wird man mit dem Hospital Shuttle am Flughafen abgeholt. Bei mir gabs leider trotzdem Probleme und ich hatte Glück, dass der Shuttle zufällig wegen einem Paket fürs Krankenhaus am Flughafen war und mich mitgenommen hat.
Als Student darf man kostenlos im Curtis House wohnen, einer alten Arztvilla direkt hinterm Krankenhaus. Das Haus hat 6 Zimmer und ist komplett ausgestattet, inkl. Wifi und Waschmaschine und extrem bequemen Wohnzimmer-Sesseln. Normalerweise hinterlegt Denise die Zimmerschlüssel an der Krankenhaus-Rezeption. Leider hat sie es bei mir vergessen und ich musste erst mal noch warten bis ich ins Haus konnte, bei allen anderen Studenten hat das aber problemlos geklappt.
3. Krankenhaus und Arbeit
Das Charles Curtis Memorial Hospital ist das einzige Krankenhaus im Umkreis von 500km und hat eine Gyn/Geburtshilfe, Orthopädie, Innere und Allgemeinchirurgische Abteilung. Ich war in der General Surgery eingeteilt. Nach dem ich den letzten Bericht über eine neue sehr unfreundliche Ärztin gelesen hatte, war ich etwas nervös auf was ich mich da eingelassen habe. Mir ist es wichtig zu sagen, dass ich trotz dieser tatsächlich etwas schwierigen Chirurgin sehr viel bei ihr gelernt habe und letztlich trotzdem eine gute Zeit hatte. Sie ist sehr speziell und vor allem sehr pedantisch in allem was sie tut, man kann es ihr quasi nicht recht machen. Wenn sie aber merkt, dass man sich bemüht und Interesse zeigt, taut sie etwas auf. Mir hat Denise am ersten Tag gesagt, dass ich nichts von dem was sie sagt persönlich nehmen soll und damit bin ich letztlich auch gut zurechtgekommen. Die Chefin der chirurgischen Abteilung wiederum ist super nett. Sie ist sehr anspruchsvoll aber auch eine leidenschaftliche Mentorin. Da ich später auch Chirurgie machen möchte, hat sie mich von Anfang an gefördert und mich sehr viel alleine operieren lassen (inkl. Darmanastomosen). Das ist wohl auch der größte Unterschied zu Deutschland: es gibt hier keine Assistenzärzte, deswegen wird man als Student als solcher eingesetzt. Das heißt, dass ich morgens alleine Visite gehen musste/durfte und die Patienten dann den beiden Chirurginnen vorstellen musste und einen Plan fürs weitere Vorgehen überlegen. Habe dabei enorm viel gelernt und vor allem gelernt, Entscheidungen zu treffen und recht zu fertigen.
An 2-3 Tagen pro Woche wird operiert, das Spektrum reicht von Minor Procedures in Lokalanästhesie (eingewachsene Nägel) bis hin zur Laparotomie für eine Hemikolektomie links/rechts. Was mich persönlich irgendwann ziemlich genervt hat ist, dass an den anderen 3 Tagen endoskopiert wird. In Canada werden die Koloskopien/Gastroskopien nämlich von den Chirurgen gemacht. Das ist zwar spannend mal zu sehen, da man da aber nicht wirklich was selber machen kann wurden diese Tage zum Ende hin ziemlich langweilig.
Die Stimmung im OP ist sehr entspannt, jeder kennt deinen Namen und bemüht sich um eine gute Atmosphäre. Min 2-3 x /Woche gab es ein Teaching, entweder von den Chirurgen oder den Orthopäden/Gynäkologen. Ein Arbeitstag geht also von ca. 7:15 Uhr (selbstständige Visite, daher Start flexibel, muss aber bis zum Eintreffen der Chirurgen erledigt sein), 8:30 Uhr kommen die Ärzte, dann ist man im OP oder in der Ambulanz. Das geht dann meist bis 16/17 Uhr nachmittags. Jeden 4.Tag ist man On Call, also für sämtliche Notfalloperationen inkl. Sectios. Gibt aber nicht wirklich viele Notfälle, ist also ein sehr ruhiger Dienst.
4. Freizeit
St.Anthony ist mit 2500 Einwohnern natürlich eine sehr kleine Stadt, aber dennoch das Zentrum des Nordens von Neufundland. Wer gerne draußen in der Natur unterwegs ist oder wandern geht ist hier richtig. Überall gibt es Hiking Trails, mal mehr mal weniger anstrengend aber immer mit der Möglichkeit Eisberge und Wale zu sehen. St.Anthony selber hat nur einen Supermarkt, ein Fitnessstudio (20$/Monat, absolut zu empfehlen), Tim Hortons und Fastfood Restaurants. Vom Krankenhaus darf man sich ein Auto kostenlos ausleihen und damit Ausflüge in die Umgebung machen. Wenn möglich, macht auf jeden Fall einen Ausflug in den Gros Morne Nationalpark zum Wandern und Kanu fahren.
Die Ärzte und die Nurses laden einen auch immer zum Essen, Angeln, Boot fahren oder anderen Ausflügen ein. Im Sommer kann man viel draußen machen, also unbedingt Sportsachen mitbringen.
5. Fazit
Ich hatte eine wunderbare Zeit in St.Anthony und kann es jedem empfehlen dort 8 Wochen des PJs zu verbringen, wenn man sich auf ein kleines Krankenhaus im Nirgendwo von Kanada einlassen kann. Die Menschen dort sind aber die freundlichsten und dankbarsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Natürlich ist das OP-Spektrum dort begrenzt, dennoch habe ich vor allem bei den selbstständigen Visiten und der Ambulanz, wo man die Patienten auch immer erst komplett alleine untersuchen durfte, extrem viel Routine erlangt und viel für den klinischen Alltag gelernt, mehr als in allen Tertialen davor in Deutschland. Kommt am besten im Sommer, da kann man definitiv mehr unternehmen und es sind meist mehr Studenten dort ;)