PJ-Tertial Anästhesiologie in New Somerset Hospital (5/2019 bis 9/2019)
Station(en)
OP A, B, C
Einsatzbereiche
OP
Heimatuni
Nicht angegeben
Kommentar
Ich kann euch ein Tertial am New Somerset Hospital sehr empfehlen!
Allgemein kann ich euch sagen, dass ein längerer Aufenthalt in Kapstadt bzw in Südafrika euch viel weiterbringen wird. Sei es wegen der interessanten Erfahrungen im Krankenhaus oder wegen der tollen Landschaft/Stadt an sich.
Wohnheim:
Das NSH liegt direkt neben der Waterfront, ein Block weiter ist die "residence". Hier kann man während seines Aufenthaltes wohnen. Zur Klinik beträgt der Fußweg nur zwei Minuten, was ich besonders morgens (teilweise noch dunkel) angenehm fand. Die Zimmer sind klein und haben nur basics drin (Bett, Schreibtisch, Schrank, Kühlschrank, Waschbecken). Das Bad (Toilette und Dusche) wird geteilt mit dem Flur (je nach Belegung bis zu 10 Leute, es waren meist weniger, da hier hauptsächlich Austausch-Studenten oder -Ärzte wohnen). An sich wohnen in der residence aber viele der Krankenschwestern und jungen Ärzte. Sauberkeit war in Ordnung... Leider gibt es keine anständige Küche, sodass ich entweder nur auswärts gegessen habe oder mit UberEats Essen bestellt habe (keine Sorge, es ist wirklich günstig hier!, einkaufen wäre sogar teilweise teurer). Die residence kostet ca 10 Euro umgerechnet die Nacht und ich denke, man bekommt eben das, was man so für zehn Euro erwarten kann. Manche anderen PJler haben sich entschieden in einem Airbnb zu wohnen, was sicherlich deutlich teurer ist und niemals mit der Lage der residence mithalten kann - 2 Minuten zur Klinik, 5 Minuten bis direkt in die Waterfront. Auch lernt man in der residence schnell die anderen PJler näher kennen (es gibt immer noch andere.. ;D Kapstadt erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei Deutschen). Ein Airbnb ist vermutlich empfehlenswert, wenn man zu zweit herkommt, es ist sicherlich sauberer und heimeliger, aber eben auch weiter vom KH.
Krankenhaus:
Im Krankenhaus ist man als Deutscher kein Exot mehr. Dass deutsche Studenten in allen Bereichen sind, wundert keinen mehr. Ich habe mich bewusst dazu entschieden in die Anästhesie zu gehen und nicht "klassisch" in die Chirurgie. War für mich auch eine gute Entscheidung. In der Anästhesie ist man prinzipiell der einzige elective student. Dennoch "konkurriert" man mit den Blockstudenten und den "interns" (Jungärzte, die pj-ähnlich durch die Abteilungen rotieren). Diese müssen eine gewisse Anzahl an Intubationen etc. selbst durchführen, sodass man auch mal hinten ansteht. Es gibt nur drei OP-Säle, daher waren wir an manchen Tagen auch mal zu viele, die Anleitung brauchten bzw Aufsicht.
Bzgl des Deutschen: Wenn man hier aber länger ist und sich gewisse Abläufe einspielen, setzten einige Ärzte auch gutes Vertrauen in einen und man kann viel selbst machen. Es läuft nicht nach dem Motto "in Afrika darf ich alles"; die Ärzte haben mir von vorherigen Studenten erzählt, die sich mit der "I dont care"-Einstellung keine Freunde gemacht haben und manche haben den "medical tourism" scharf verurteilt. Lange Rede, kurzer Sinn: Sie lassen einen unter Aufsicht vieles machen, wenn man sich gut anstellt, sein Gesicht und Einsatz zeigt und Motivation beweist.
So konnte ich selbstständig intubieren, LMAs einlegen (im Prinzip komplett selbst die Narkose einleiten), Spinalanästhesien setzen, ... währenddessen gab es immer gutes teaching und alle waren bemüht viel zu erklären. So konnte ich die Medikamente aufziehen und vorbereiten, intraoperativ die Überwachung sämtlicher Geräte und Monitore übernehmen, das Narkoseprotokoll führen und mich als Teil des Teams fühlen. Präoperativ habe ich die Zugänge gelegt, die präop.-Gespräche geführt und die Untersuchungen durchgeführt.
Sprache ist natürlich Englisch, die am meisten vorkommende zweite Sprache war Afrikaans oder manchmal auch Xhosa (meist von Patienten). Solange man Englisch kann, kommt man aber gut klar und manche Afrikaans-Wörter versteht man auch..
Die stattfinden Operationen sind alle eher kleiner, also gibt es einen ganz guten Wechsel in den OP-Sälen (OP-Dauer max 3 Std). Generell lässt sich sagen, dass der Standard auf Anästhesie-Seite vergleichbar ist mit Deutschland. Die Ärzte wissen immer was sie tun und sind top-ausgebildet in praktischem Wissen! Es mangelt hier hauptsächlich an guter Kommunikation mit dem Patienten und an Hygiene. Desinfektionsmittel muss man auch im OP erstmal suchen...
Allgemein kommen die Patienten hier später zum Arzt als in Deutschland. Das Bewusstsein für die Gesundheit ist einfach oft nicht vorhanden. Da das NSH (wie alle Uni-Krankenhäuser) ein öffentliches KH ist, ist der Hauptteil der Patienten nicht sehr gebildet, was Patientengespräche erschweren kann. Auch gewisse Gerätschaften sind nicht vorhanden (so gibt es zum Beispiel kein MRT im Krankenhaus und keinen Herzkatheter). Wer PJ in Afrika machen will, um afrikanische Verhältnisse kennenzulernen, ist hier sicherlich richtig, auch wenn mir von allen Seiten gesagt wurde, Kapstadt sei noch fortschrittlich und es sähe in anderen Teilen ganz anders aus. Ich fand es eine tolle Erfahrung! Auch von den Ärzte und nurses her sind alle sehr freundlich und der Umgang ist sehr nett miteinander!
(Ich habe gesehen, dass es wenig Tipps zur Chirurgie gibt: Kann natürlich nur wiedergeben, was mir die anderen deutschen PJler erzählt haben, aber die fanden es auch prinzipiell gut. Es gibt da einen geregelten Ablauf für students jeden Tag und man hatte Aufgaben wie Aufnahmen, Blutabnehmen, Assistieren im OP).
Kapstadt:
Kapstadt ist sicherlich ein guter Ort, um neben der ärztlichen Tätigkeit auch ein tolles Land bzw eine tolle Stadt zu erkunden. Es gibt viele Outdoor-Akitivitäten und obwohl es Winter war, als ich da war, konnte man viel draußen unternehmen. Hikes zum Tafelberg, Winelands um Franschhoek, surfen, ... es gibt endlose viele Dinge zu tun. Es ist wunderschön hier! Ich persönlich bin froh, dass ich vier Monate hier war und nicht ein gesplittetes Tertial hier verbracht habe. Es dauert einfach die ersten acht Wochen, bis man sich eingewöhnt hat und dann, nachdem man alle Tour-Sachen gemacht hat, hier anfängt zu leben und Dinge zu tun, die Einheimische machen (Märkte etc). Definitiv sollte man die vielen Restaurants ausprobieren; durch Kapstadt kann man sich wirklich essen...
Sicherheit:
Sicherheit ist dabei natürlich ein Thema. Wir haben uns vornehmlich mit Uber bewegt. Gehen und laufen ist in der Gegend um die Waterfront Richtung Sea Point, somit auch dem KH, schon okay, aber man muss dauerhaft "alert" sein. Nach Einbruch der Dunkelheit aber auch hier (wie überall!) nur noch ein Auto oder Uber nehmen, Uber ist sehr sicher und sehr günstig! Man ist nie davor gefeit, dass einem was passiert (kenne leider ein paar Leute, die überfallen wurden), aber wenn man sich nicht in unsichere Situationen begibt, seine Wertsachen nicht öffentlich zeigt und seinen Kopf einschaltet, ist es okay. Man sollte sich nicht davon abschrecken lassen herzukommen - fast überall auf der Welt ist es unsicherer als in Deutschland.
Bewerbung
Für jede Abteilung sollte man sich mindestens anderthalb Jahre im Voraus bewerben. Kapstadt ist sehr beliebt und die Plätze begrenzt und schnell vergeben (laut Koordinatorin).
Ansprechpartnerin ist Susan Rodrigues. Es gibt zwar ein offizielles Bewerbungsverfahren der University of Cape Town; sämtliche anderen PJlern haben sich aber, ebenso wie ich, direkt bei Susan beworben. Die Email-Adresse kann man googeln.
Es gibt noch andere Krankenhäuser der UCT, die PJ-geeignet sind, u.a. Groote-Schuur (große Uniklinik als Pendant zum Tygerberg der Uni Stellenbosch), Victoria, Mitchells Plain (township), ... Kann das NSH aber einfach aufgrund seiner Lage empfehlen.