OP, Notaufnahme, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station
Heimatuni
Dresden
Kommentar
>> Vor dem Start
Kommunikation alles per E-Mail. Vertragsunterlagen per Post nach Deutschland und danach retour. Ca. 2 Wochen vor Beginn gibt's einen Link mit Infos zum ersten Tag: https://www.kssg.ch/arbeitsstart-unterassistenten-und-famulanten. Alles ist tiptop organisiert.
>> Wohnen
Man wohnt im Personalhaus auf dem Spitalgelände mit anderen UHUs und Assistenten zusammen. Eine WG besteht aus 10 Zimmern mit einer Küche, 2 WCs, eine Dusche und eine Badewanne. Waschen kostenlos im Keller. Aufenthaltsraum mit TV, aber leider ohne Couch. Die Zimmer sind zweckmässig und sauber. Bettwäsche wird gestellt. Schnelles Internet per WLAN überall auf dem Spitalgelände. Küche und Bad wird regelmässig gereinigt, sofern man Geschirr und Abfall weggeräumt hat, sonst gibt es Zoff mit dem Reinigungsdienst. Ich war zufrieden mit dem Wohnen. Das einzige was aufregt, sind andere UHUs die ihren Kram/Abfall nicht wegräumen und die Küche wie einen Saustall hinterlassen.
>> Erster Tag:
Wie im Link beschrieben oben. Vor Ort gibt es die Zusicherung zur Aufenthaltsbewilligung, welche das Spital selbstständig beantragt. Man muss nix extra machen. Cave! Es ist NICHT die eigentliche Aufenthaltsbewilligung L, was ggf. bei Beantragung eines Bankkontos zu Problemen führen kann (siehe Finanzen). Danach Vorstellung in der Klinikleitung und Sekretariat. Zum Schluss Einführung durch erfahrene Unterassistenten auf Station. Wer am ersten eines Monats beginnt, bekommt eine extra Einführung in das Patientendokumentationssystem, sonst Learning-by-doing. Man darf dann auch früher gehen und Behördengänge erledigen, falls notwendig.
>> Ablauf:
> St. Gallen
Tagesablauf: 7 bis 8 Uhr Röntgenrapport und ggf. Fortbildung. Danach gemeinsames Frühstück (Znüni), dann Sprechstunde oder Station. Wenn OP, dann meist noch vor dem Znüni in den OP. Dort gibt es heisse Suppe, frische Brötchen und kostenlosen Kaffee. Die anderen gehen meist um 12 in die Mensa. Je nach Wochenplan zwischendurch OP-Indikationsrapport (Besprechen der OP-Indikation), Gelenkinfiltrationen, Infektions- oder Teamvisite der Patienten. Zwischendurch gibt es immer mal spendierten Kaffee von den Assistenten oder Kaderärzten aus der italienischen Cafe-Bar.
Durch meinen 4-monatigen Aufenthalt immer 2 Wochen in einem Team rotiert (jeweils Wirbelsäule, Schulter, Hüfte, Knie und Sprunggelenk/Fuss). Jedes Team hat seine eigenen Teamleiter (Kaderärzte) und Assistenten mit eigenen Wochenplänen (OP, Sprechstunde, Infiltrationen etc.). Nach Rücksprache darf man meist in der Sprechstunden selbstständig Patienten (in der Regel Nachkontrollen, selten Neuvorstellungen) befragen, untersuchen, dem Kaderarzt vorstellen (rapportieren) und den Bericht diktieren.
Erste Priorität hat immer der OP und dann Sprechstunde. Auf Station kann man leider nicht viel machen, hängt aber auch von den Assistenten ab und wie gut man sich kennt. Wenn man den ganzen Tag im OP ist, bekommt man von Station meist eh nix mit. Im OP zweite Assistenz und je nach Assistent darf man auch nähen. Vorkenntnisse sind von Vorteil. Es gibt extra Lagerungspfleger, aber es wird erwartet, dass man bei der Lagerung mithilft. Danach ist man relativ frei, ob man bei anderen OPs mitzuschaut oder einfache Gelenksinfiltrationen unter Anleitung der Assistenten machen darf. Notfall darf man auch mithelfen, hat sich bei mir aber nie ergeben. Hier arbeitet man wie sonst auch mit einem Assistenten zusammen.
Ansonsten muss man die Eintritte untereinander machen. Das heisst den Patienten im System anlegen, die Diagnosen eintragen und am nächsten Tag die Medi ergänzen. Es ist eine Mischung aus Papier- und elektronischen Akten. Eine Eintrittsuntersuchung macht man nicht, da die Patienten meist über die Sprechstunde kommen.
Sowohl Ärzte und Pflegende und alle anderen, insbesondere OP-Pflege waren immer sehr nett und freundlich. Ausnahmen bestätigen die Regel. Nie wurde man angemault oder unfreundlich behandelt. Teaching muss man je nach Arzt einfordern, hängt aber auch vom eigenen Auftreten ab. Vorbereitung zum OP-Ablauf, insbesondere aber Anatomie des OP-Situs sind sehr von Vorteil. damit man bei Nachfragen glänzen kann: https://www2.aofoundation.org/wps/portal/surgery oder https://www.orthobullets.com/.
Dienste hat man in Form von OP-Bereitschaft für 12 oder 24h. Gerufen wurde ich in der Nacht nie und wenn dann meist abends. Die längste OP ging dann bis 1 Uhr. Man muss dann aber an nächsten Tag wieder normal zum Dienst antreten. Kompensation in Form von extra Lohn und Überstunden, die man dann woanders abbummelt.
> Rorschach
Man kann zusätzlich nach Rorschach oder Flawil eingeteilt werden. Das sind kleinere Spitäler und gehören zum Spitalverbund. Ich war einen Monat in Rorschach und empfand es als die beste Zeit, da ich dort am meisten selbstständig machen konnte: Sprechstunde, Notfall und OP. Im OP durfte ich auch mal einen Unguis incarnatus unter Anleitung selbstständig operieren. Oder regelmässig selbstständig Gelenksinfiltrationen unter Anleitung durchführen. Da hier nur ein Kaderarzt und zwei Assistenten in der Ortho sind, kennt man sich viel besser und darf automatisch mehr machen. Notfall ist interdisziplinär und man ist dort mit einem Assistenten, wenn auf Station nix mehr zu tun ist. Die Fahrt von St. Gallen nach Rorschach mit dem Zug 20 min (wird bezahlt). Leider hatten wir aufgrund eines Sommerlochs etwas weniger Patienten wie sonst. Vom Spital aus schaut man direkt auf den Bodensee. Lebensqualität pur! Meist durfte ich auch früher gehen.
>> Finanzen
>Konto: Ein Schweizer Bankkonto ist nicht gefordert. Das Geld wird immer am 25. mit dem aktuellen Umrechnungskurs und einer individuellen Gebühr nach D überwiesen. Gebühr abhängig von der eigenen Bank: 8 - 15 €. Die UBS in St. Gallen vergibt keine Konten mehr bis 4 Monaten Aufenthaltsdauer und benötigt, wenn überhaupt die eigentliche Aufenthaltsbewilligung L. Zusicherung reicht nicht. Postfinance vergibt ein Konto, die wollten aber eine Wohnungsaufenthaltsbescheinigung haben. Ein mehrfacher Briefwechsel mit Zusendung aller Unterlagen wie Arbeitsvertrag, Zusicherung und extra schriftlicher Darlegung der Wohnsituation hat dann aber am Ende gereicht. Eine extra Wohnungsaufenthaltsbescheinigung beim Einwohnermeldeamt hätte wieder extra Geld gekostet. Für mich war ein Schweizer Bankkonto wichtig, da ich das gesamte PJ in der Schweiz verbracht habe, sonst lohnt es sich nicht.
>Lohn: 1123 CHF minus ca. 100 CHF Sozial minus ca. 380 CHF Miete. Das reicht zum Leben aus. Für Dienste bekommt man extra Geld, so dass der Nettolohn auch bei über 1000 CHF liegen kann.
> Lebensmittel: Ja, ist viel teuer als in D, vor allem Fleisch. Aber auch qualitativ höherwertig. Was bei uns Bio ist, ist in der CH Standard. Ansonsten gibt es eine Migros und Denner in Fussnähe. Die haben auch Low-Budget Produkte. Aldi ist in der CH auch teurer als in D, aber billiger als Migros oder Denner (leider aber nicht in Fussnähe). Coop ist dann am teuersten. Essen in der Mensa sehr lecker und hochwertig. Kosten: ca. 8 CHF. Wer wie ich ein Jahr in der CH bleibt und ein Halbtax-Abo hat (Bahncard 50), für den lohnt es sich auch alle paar Wochen mit der Bahn (ca. 17 CHF hin und zurück mit Halbtax) nach Konstanz in den Aldi in Bahnhofsnähe zu fahren und dort einen Grosseinkauf zu machen. Die meisten Schweizer fahren am WE über die Grenze und kaufen die deutschen Läden leer (können sich MWST teilweise erstatten lassen). Es gibt Einfuhrbeschränkungen (1 kg Fleisch pro Person), allerdings wurde ich im Zug noch nie kontrolliert. Do it on your own risk!
>> Freizeit
Hat man nicht viel (~10 h pro Tag Arbeit und bei OPs und Diensten auch länger, aber auch kürzer je nach Team). Wandern in der Umgebung (Appenzell). Baden in den 3 Weiheren oben auf dem Hügel. In 20 min ist man mit dem Zug in Rorschach am Bodensee (wunderschön zum Baden). Kino und Bars gibt es auch. Ansonsten ist St. Gallen aber etwas langweilig im Vergleich zu Züri. Man trifft sich meist mit anderen UHUs in der WG-Küche oder unternimmt gemeinsam etwas, wie Ausflüge nach Konstanz oder Luzern etc. Einmal auch Wandertag mit dem gesamten Ortho-Team, bei dem alles spendiert wurde.
>> Letzter Tag
Die "schweizer" Ferientage (das Wort Urlaub benutzt keiner in der CH) nimmt man meist zur Kompensation der Überstunden am Ende des Tertials. In der Regel gibt es am Ende ein Arbeitszeugnis und Bewertungen, welche die Assistenten optional ausfüllen können. Hilfreich bei einer späteren Bewerbung am Spital. Die Äquivalenzbescheinigung rechtzeitig beantragen: https://www.med.uzh.ch/de/Medizinstudium/aequivalenz.html.
>> Fazit
Ich kann die Ortho in St. Gallen klar empfehlen für Studis, die gerne im OP sind oder die klinische Untersuchung/Anamnese verbessern wollen. Wer eigene Patienten betreuen will ist hier definitiv falsch. Das macht man besser an kleineren Spitälern. Etwas nachteilig ist, dass man durch häufige Teamwechsel, aber auch durch einen grossen Turnover an anderen UHUs (Schweizer sind meist nur einen Monat da) und der Grösse der gesamten Ortho nicht so fest integriert wird und dann oftmals etwas selbstständiger seine Lehre einfordern muss, als anderswo, wo man ein kleines Team hat und fest integriert ist. Dessen muss man sich vorher einfach bewusst sein.
Die Bodenseeregion ist im Sommer eine Augenweide und ansonsten gibt es bei der knappen Freizeit auch genug Möglichkeiten in der Umgebung (ausser Skifahren).
Und wenn man sein Geld nicht ständig zum Fenster raus wirft, dann reicht es zum Leben auch vollkommen aus.
Bewerbung
Ich habe mich Ende Oktober beworben und Anfang November die Stellenzusage für Mai erhalten. Die Aussage war jedoch, dass ich Glück hatte, dass noch etwas frei war. Dementsprechend wie immer in der Schweiz etwa ein Jahr vorher bewerben.