PJ-Tertial Chirurgie in CHU de Caen (9/2019 bis 11/2019)
Station(en)
Chirurgie Vasculaire
Einsatzbereiche
Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station, Diagnostik, OP
Heimatuni
Goettingen
Kommentar
Daten:
Praktikumsort: CHU de Caen Normandie, Chirurgie Vasculaire
Programm: Erasmus+ Key Action 103 Programm „Working E+xperience“
Zeitraum: 09.09.2019 – 08.11.2019 (Ein halbes PJ-Tertial + eine Woche extra)
Erasmus-Ansprechpartner für Medizin in Caen: Julien Dubourg, julien.dubourg@unicaen.fr
Die ersten Schritte und Überlegungen:
Etwa ein Jahr vor Praktikumsbeginn habe ich nach Erfahrungsberichten von Tertialen in französischsprachigen Ländern gesucht, die meisten davon findet man entweder auf pj-ranking.com oder über einschlägige Suchmaschinen – so bekommt man ein buntes Bild von möglichen Städten sowie Krankenhäusern und kann leicht andere Kommilitonen um ihren Rat fragen. Da ich persönlich eine mittelgroße, studentische Stadt in Europa den großen und teuren Metropolen wie Paris und Lyon bevorzugt habe und mich auch ein Erfahrungsbericht besonders überzeugt hat, fiel die Wahl auf das CHU in Caen, im Bereich Gefäßchirurgie, wofür das Krankenhaus auch überregional bekannt ist.
Vorbereitung Sprache:
Da für die meisten Erasmus-Aufenthalte ein Sprachniveau von B2(.1) erwartet wird, habe ich während des Studiums Sprachkurse an unserer Uni belegt und würde im Nachhinein jedem raten, früh, vielleicht sogar in der Vorklinik, damit anzufangen - auch wenn man noch gar nicht so genau weiß, wohin man eigentlich gehen möchte. Bei mir hat es rückblickend wirklich nur mit viel Glück gepasst, da die Kurse zeitlich gut lagen und nicht überfüllt waren. Für die Erasmus-Bewerbung in Göttingen hat einfach der selbstgenerierte Leistungsnachweis aus dem FlexNow als Sprachzertifikat ausgereicht. Zuvor war ich nur ein Mal in Frankreich, daher hat mir vor allem die Sprache am meisten Sorgen bereitet – rückblickend kann ich aber auch da sagen, dass es dazu eigentlich keinen Grund gab und man sich nicht allzu sehr sorgen sollte. Wirklich zu empfehlen ist das Buch „Französisch für Mediziner“, sei es zum Hineinschnuppern vor dem Aufenthalt oder zum schnellen Nachlesen von Fachvokabular – insbesondere das Abkürzungsverzeichnis hat oft Licht ins Dunkle gebracht …
Bewerbung:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass fast alle Fakultäten in Frankreich ein „praktisches“ Praktikum nur mit einem Erasmus-Vertrag erlauben, weshalb ich jedem empfehlen würde, sich dafür zu bewerben, ich habe es als deutlich unbürokratischer empfunden als eigentlich erwartet. Am besten klärt man vorher mit den Ansprechpartnern seiner Uni und dem Prüfungsamt, ob das Praktikum im Ausland auch als Tertial angerechnet werden kann. Um die Erasmus-Förderung für ein halbes Tertial zu bekommen, musste ich ein bisschen tricksen und die erste Woche der anderen Tertialhälfte in Deutschland Urlaub nehmen, da der minimale Erasmus-Förderungszeitraum 60 Tage betrug. Ich habe mehrere Mails mit einem kleinen Bewerbungsschreiben, einem CV und einem Empfehlungsschreiben meiner Uni (letzteres war sehr schnell und unkompliziert über das Dekanat zu bekommen) an Chefärzte (chef de pôle/service) verschiedener Fachbereiche geschrieben und in den CC meist zwei andere Oberärzte (chef de clinique) gesetzt, meist kam nach 1-2 Tagen auch eine positive Antwort zurück. Bewerbungsschluss für das Erasmus-Programm war 3 Monate vor Praktikumsbeginn, dafür musste u.a. ein Nachweis der aufnehmenden Praktikumseinrichtung mit Stempel im Original vorliegen, es lohnt sich also, ein bisschen mehr Zeit für den Briefverkehr einzuplanen. Bekommt man dann eine Bestätigung, kann man sich in das Mobilitätsportal einloggen und bis 6 Wochen vor Praktikumsbeginn das Learning
Agreement hochladen, um anschließend die endgültige Zusage zu bekommen. Auch hier lohnt es sich, etwas früher zu sein, um im Fall der Fälle noch kurzfristig Änderungen im PJ-Portal vornehmen zu können. Erasmus-Ansprechpartner in Caen ist Julien Dubourg (Mail siehe oben), der schnell, zuverlässig und unkompliziert antwortet und sehr unbürokratisch weiterhilft. Man sollte nur beachten, dass viele Fakultäten im August nicht geöffnet sind und aufgrund der Ferien nicht arbeiten. Etwas seltsam war, dass keiner nach Impfungen usw. nachgefragt hat, also habe ich Herrn Dubourg in der Woche vor meiner Abreise darauf angesprochen und daraufhin eine Liste an einzureichenden Dokumenten bekommen (u.a. Sachen, die auf Französisch hätten übersetzt werden müssen, zeitlich also gar nicht mehr realisierbar) – habe dann einfach meine Dokumente vom Betriebsarzt aus Göttingen angehangen und nie wieder darauf eine Antwort bekommen … Sowohl für die Erasmus-Bewerbung als auch für diese Liste waren Versicherungen nötig, die man aber mit den einschlägigen Rundum-Sorglos-Paketen verschiedener Versicherungen abschließen kann.
Wohnungssuche:
Da man nicht an der Universität eingeschrieben ist, kann man leider ebenfalls nicht vom Wohnungsangebot des französischen Studentenwerks CROUS profitieren, auch das Uniklinikum stellt keine Zimmer. Gute und bekannte Seiten sind leboncoin.fr (funktioniert wie eBay Kleinanzeigen, daher trifft man auch manchmal auf bizarre Annoncen), Roomlala, diverse Facebook-Gruppen sowie locaviz.fr, über diese Seite, die mit dem CROUS kooperiert und daher eher seriöse Angebote beinhaltet, habe ich eine sehr nette Gastfamilie gefunden, die ich auch gerne weitervermitteln darf. Man sollte mit etwa 350 Euro Miete monatlich rechnen. Ich habe etwa 6 Wochen vor Praktikumsbeginn 30 Anfragen verschickt, Skype-Gespräche geführt und innerhalb von zwei Wochen eine Bleibe gefunden – wenn man über mehrere Kanäle geht, sich rechtzeitig kümmert und viele Anfragen verschickt, ist das alles gut machbar. Wer länger bleibt und ein Bankkonto eröffnet, kann vom Wohngeld der CAF profitieren. Auch Jugendherbergen oder Zimmer für Kurzaufenthalte gibt es in Caen, viele erfordern aber nochmal besondere Versicherungen, Aufenthaltsbestätigungen etc., was deutlich mehr bürokratischen Aufwand erfordert.
Die erste Woche vor Ort / Organisatorisches:
Man darf sich von den ersten Wochen nicht entmutigen lassen! Alles ist am Anfang sehr anstrengend und allein die andere Sprache macht zu Beginn einfach sehr müde. Auf Station wusste nur die Pflegeleitung von meinem Praktikumsbeginn Bescheid, den Chef habe ich nur sehr wenig gesehen und mich kurz im Vorbeigehen auf dem Flur vorgestellt. So war es auch mit dem gesamten Team, aber nach und nach kannte mich jeder, hieß mich sehr willkommen und wusste, dass ich ein Erasmus-Praktikum mache. Im Krankenhaus selbst kommt man in den ersten Tagen auch sehr unkompliziert an einen Kittel und Zugang für das Patientenverwaltungssystem heran. Das Uniklinikum ist ein ziemlich altes und ranziges Gebäude, in den Fluchtfluren findet man Zigarettenstummel (das Rauchen erreicht in Frankreich sowieso ein ganz anderes Niveau, selbst die Assistenzärzte rauchen E-Zigarette im Schreibzimmer …) und von den 6 Aufzügen, die einen bis zum 21. Stock bringen können, fallen auch immer mal wieder welche aus. Das Uniklinikum ist teilweise von der Küstenregion der Normandie zu sehen und wird daher „Der Turm“ genannt. Einige Hygienevorschriften werden insbesondere vom ärztlichen Team auch gerne vergessen, Arbeitskleidung auf Station ist ein kurzärmliger Kittel, den man über seine Alltagskleidung trägt und im OP werden die Instrumente auch teilweise auf den OP-Tisch abgelegt. Das Einwaschen wird noch mit Bürste und Seife begonnen und das Desinfektionsmittel ist eher ein Desinfektionsgel.
Das Tertial:
Der Status der französischen Studenten unterscheidet sich schon zu unseren Aufgaben im Krankenhaus. Im französischen System wird alle zwei Monate zwischen Vorlesungszeit an der Uni (in Frankreich fast ausschließlich frontal orientiert) und Praktikum im Klinikum rotiert, sodass eigentlich immer Studenten unterschiedlicher Semester auf Station sind. Meine Kommilitonen aus dem 6. und damit letzten Jahr durften schon gegen Mittag das Krankenhaus verlassen, um für den concours zu lernen, die unteren Semester bleiben auch am Nachmittag. Unsere Aufgaben auf Station bestanden darin, die Visite zu dokumentieren (alles digital am PC), EKGs zu schreiben, Neuaufnahmen zu untersuchen und Bürokram zu erledigen. Die „Patientenakte“ ist im CHU Caen ein riesiger Briefumschlag, in den alle Befunde auf Papier reingelegt werden. Blutentnahmen werden von den in Frankreich sehr gut ausgebildeten Krankenpflegern ausgeübt, die BGAs von uns Studenten (man punktiert dort direkt die A. radialis). Natürlich konnte man auch jederzeit in den OP, zur Sprechstunde oder zu interventionell-radiologischen Eingriffen gehen und sich auch steril einwaschen. Besonders in der interventionellen Radiologie konnte man auch Führungsdrähte, Stents und andere Instrumente anreichen und auffädeln. Ich wurde wirklich vom gesamten Team sehr herzlich aufgenommen, wenn ich etwas sprachlich nicht verstanden habe wurde es mir ganz selbstverständlich nochmal langsamer erklärt und auch im OP herrschte eine gute Stimmung. Meine Arbeitszeiten waren ebenfalls sehr flexibel, da wir als Studenten zu sechst auf Station waren und uns immer gut abwechseln konnten. Wirklichen Unterricht gab es nicht, dafür erklären die Ärzte viel mehr und häufiger, als dies in Deutschland der Fall ist. Es werden täglich Themen wiederholt und viele Fragen gestellt, das Lehrkonzept hat mir wirklich gut gefallen.
Erasmus-Leben / Kultur:
Da in Frankeich die Vorlesungszeit mit dem „rentrée“ im September beginnt, konnte ich von vielen Angeboten (Ausflüge, Kennenlernabende, Sprachtandems, …) der Gruppe „Erasmus & Internationals In Caen“ profitieren, hatte einen Studdy-Buddy, der mich schon vor der Ankunft bei Fragen unterstütze und lernte viele Menschen aus aller Welt kennen. Schwieriger war der Kontakt zu den französischen Medizinstudenten, da diese den „concours“ am Ende ihres Studiums absolvieren und anhand ihrer Prüfungsergebnisse ihre Facharztausbildung aussuchen dürfen – die meisten meiner Kommilitonen wollten nach der Arbeit direkt wieder lernen. Caen ist eine tolle Studentenstadt mit vielen Cafés und Kneipen, einem enormen Wochenmarkt am Sonntag, schönen Straßen, einem kleinen Fluss sowie wiedererkennbarer Architektur, geschichtlich ist die Stadt und die Normandie durch den D-Day im 2. Weltkrieg geprägt. Für die Normandie lohnt es sich tatsächlich, ein Auto zu besitzen und damit die schlecht erreichbaren Orte zu erkunden, allerdings ist auch das Busnetzwerk mit FlixBus, OuiBus und co. für 2 Monate ausreichend, unter der Woche könnte man sogar für einen Euro nach Paris kommen. Ein kleiner Nachteil im Herbst ist natürlich, dass es wirklich sehr häufig regnet, man kann somit aber auch gemütliche Nachmittage in einem Café verbringen. Mit 1,50 € kann man für eine Stunde Busse und die erst kürzlich erneuerten Trams der gesamten Region nutzen, somit auch zur Küste kommen und vom hervorragenden Angebot des Nahverkehrs profitieren. Auch Fahrrad-Fans kommen nicht zu kurz, im „maison du vélo“ gibt es reparierte Fahrräder zu günstigen Preisen – man sollte allerdings beachten, dass es von der Innenstadt zum Uniklinikum einen kleinen Anstieg von 60 Höhenmetern zu überwinden gibt. Ein paar kleine kulturelle Unterschiede gibt es auch: In Frankreich kann selbst in Kneipen oder an Snackautomaten mit der Bankkarte gezahlt werden, anderenfalls legt man sein Bargeld in kleine Schälchen und lässt sie beim Verlassen auf dem Tisch, die Post und Pakete nach Deutschland sind sehr teuer (für das Verschicken von kleinen Paketen empfehle ich euch nicht DHL (80 Euro !) sondern Mondial Relay), im Straßenverkehr muss man aufpassen, nicht umgefahren zu werden (Zebrastreifen werden generell missachtet), man kann hervorragend in französischen Boulangerien und Patisserien schlemmen, das Baguette nimmt tatsächlich eine sehr wichtige Rolle ein und meist isst man
erst am späten Abend warm. Wer sich auf eine liebevolle, französische Grundsatzdiskussion einlassen möchte, ob das heißgeliebte Schokocroissant „pain au chocolat“ oder doch „chocolatine“ heißt, kann damit ebenfalls einen ganzen Abend verbringen.
Zusammenfassung:
Ich habe zwei sehr interessante Monate in Frankreich erlebt, Land, Leben und Kultur kennenlernen und vom Eramsus-Status profitieren dürfen, ich wurde von meiner Station und meinem Team sehr herzlich aufgenommen und kann das Praktikum uneingeschränkt weiterempfehlen! Auch den Zeitraum habe ich als genau angemessen empfunden – in der Gefäßchirurgie laufen sehr oft ähnliche Eingriffe ab, für einen längeren Aufenthalt würde ich euch empfehlen, nochmal in eine andere Abteilung zu rotieren.