Ich kann mich den vorherigen Bewertungen nur anschließen. Mir hat die Zeit am BWK in der Neurologie extrem gut gefallen und bin nun nach Ende des Tertial ganz schön wehmütig, dass es schon vorbei ist. Ich wurde von Anfang an als vollwertiges Team-Mitglied aufgenommen. Die neurologische Station ist relativ klein, ca. 15 Betten (manchmal, gerade vor Weihnachten, sind aber auch weniger belegt). Pro Tag gibt es ca. 3 Aufnahmen, von denen man oft auch eine übernimmt. Wenn man möchte, darf man ziemlich selbstständig arbeiten. Anfangs wird man dabei noch mehr unterstützt, am Ende habe ich immer zwei eigene Patienten gehabt, die ich alleine aufgenommen habe, Briefe geschrieben habe, Anforderungen erstellt habe und sie dann auch entlassen habe. Im Hintergrund wird man natürlich von einer der Stationsärztinnen betreut, die einem zur Seite steht, sollte man Fragen haben. Am Nachmittag bespricht man die Neuaufnahmen mit dem Oberarzt, der sich alle neuen Patienten nochmal anschaut und ggf. auch etwas nachuntersucht. Durch das hohe Maß an Selbstständigkeit habe ich total viel gelernt und mich am Ende wie eine richtige Ärztin und nicht wie eine PJlerin gefühlt. Anfangs kann die hohe Verantwortung eventuell etwas verunsichernd sein, aber ich bin sicher, dass man das kommunizieren kann und dann auch unterstützt wird.
Zum Tagesablauf: Ich bin immer gegen 7:30 gekommen, um die Blutentnahmen vor der Frühbesprechung bzw. Visite erledigt zu haben. Es sind meistens aber auch nur 0-5 Blutentnahmen, also total machbar. Um 8 Uhr ist dann gemeinsame Frühbesprechung mit den Psychiatern, wo man hingehen kann, aber nicht muss (ist auch meistens nicht so spannend). Gegen 8:15 treffen sich die Ärzte und Ärztinnen dann zum Kaffee-Trinken im Aufenthaltsraum. Ab 8:30 beginnt die Visite, bei der man seine Patienten den anderen vorstellt. Danach ist oft noch Zeit für ein gemeinsames Frühstück. Vormittags kommen dann die Neuaufnahmen oder es stehen Lumbalpunktionen an (diese darf man von Anfang an unter Aufsicht auch selber machen). Am Nachmittag ist die Übergabe an den Stationsoberarzt. Danach werden Anforderungen gemacht und Briefe geschrieben. Fertig war ich meistens gegen 15:30-16:30 Uhr. Mal konnte ich auch früher gehen, manchmal blieb ich aber auch bis 18 Uhr, weil es noch etwas zu tun gab oder ich die einmalige Chance hatte, den Chef bei einer Hirntoddiagnostik zu begleiten.
Montags ist Oberarztvisite und nachmittags PJ Fortbildung. Dienstags ist nachmittags internistische Fortbildung und EKG Kurs (fiel allerdings ein paar mal aus). Mittwoch ist Kurvenvisite. Donnerstags ist Chef-Visite, Fortbildung für die Neuro-Station und Röntgendemo. Freitags ist normale Visite und (weil es eine Behörde ist) gegen 13 Uhr Feierabend! Bei den PJ Fortbildungen war ich allerdings fast nie, da ich immer noch etwas auf Station zu tun hatte. Den Studientag kann man in Absprache mit ggf. den anderen Neuro-PJlern (man ist alleine oder zu zweit auf der Station) an einem Tag der Woche nehmen, aufsparen der Studientage geht leider nicht.
Auch die Zusammenarbeit mit der Pflege ist super, alle sind eigentlich sehr hilfsbereit und freundlich. Das Wichtigste: von Anfang an vorstellen, wer man ist und immer freundlich grüßen, dann stehen einem alle Türen offen.
Fazit: Ich hatte eine tolle Zeit am BWK. Es ist ein relativ kleines Krankenhaus mit einer kleinen Neuro, bei der man allerdings ständig die wichtigsten Krankheitsbilder sieht (MS, Parkinson, PNP, Epilepsie, ALS, Schlaganfall). Es gibt relativ wenige exotische Fälle, fürs Examen und einen allgemeinen neurologischen Überblick fand ich es aber super, vor allem die Basics zu können. Trotz der kleinen Größe des Hauses wird hier vernünftige und moderne Medizin gemacht (das habe ich in kleinen Häusern schon anders erlebt, à la veraltetes Wissen und halbherzige Diagnostik). Da das Krankenhaus zur Bundeswehr gehört und damit eher einer Behörde gleicht, wird weniger auf Profitmaximierung geachtet, was man im Alltag sehr gespürt hat (über MRTs oder exotische Laborparameter wird nicht diskutiert, die kriegt jeder). Auch die Arbeitsbedingungen für Pflege und Ärzte sind sehr gut: geregelte Arbeitszeiten (mit elektronischer Arbeitszeiterfassung), wenige Überstunden, gute Besetzung (die Ärzte hatten meistens nur 3-5 Patienten zu betreuen). Dadurch sind alle weniger gestresst und gut gelaunt und es bleibt auch mal Zeit für ein Gespräch oder gemeinsames Frühstück. Auch die Patienten haben die gute Stimmung bemerkt und waren wirklich durchweg zufrieden mit der Behandlung (ich habe nur Lob gehört und kaum Beschwerden). Durch den Charakter einer Behörde sind manche Arbeitsabläufe allerdings auch etwas erschwert: man hat kein Internet auf den PCs aus Datensicherheitsgründen. Wenn man was googlen möchte, dann muss man es über das eigene Handy tun. Außerdem muss alles hin und her gefaxt werden und die Patientenkurven sind auch noch altmodisch aus Papier. Den militärischen Hintergrund des medizinischen Personals und des Krankenhauses spürt man relativ wenig (abgesehen von den militärischen Titeln wie Oberstabsarzt oder Stabsärztin etc). Von den durchschnittlich 15 Patienten waren auch höchstens 2 Soldatinnen oder Soldaten dabei. Um als Arzt dort arbeiten zu können muss man entweder über die Bundeswehr studiert haben oder als Quereinsteigerin einen Monat Grundausbildung machen und dann kann man als Stabsärztin arbeiten. Ich bin übrigens auch keine Soldatin oder habe über die Bundeswehr studiert. Nichtsdestotrotz hat es mir wirklich gut gefallen und ich würde jedem empfehlen, dort das PJ Tertial zu machen! Wenn man Engagement und Interesse zeigt, ist das Team wirklich super freundlich und bringt einem viel bei. Die Assistenzärztinnen sind durchweg jung, nett und lustig - ich habe mich total wohl gefühlt. Am Ende habe ich sogar eine Geschenktüte und mehrere Umarmungen bekommen als Dankeschön. Auch mit den Oberärzten ist man per Du, sie sind eigentlich auch ganz locker, fachlich sehr kompetent, orientieren sich an den neusten Studien und nehmen einen Ernst. Alles in allem: Danke an euch alle! Davor war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich Neurologin werden möchte, jetzt bin ich es (und das bestimmt auch wegen der guten Erfahrungen!!!).
Pro:
- nettes Team
- hohe Selbstständigkeit, gleichberechtigtes Teammitglied, immer eigene Patienten
- wenige Blutentnahmen
- hohe Wertschätzung als PJler/in
- Gehalt von 400 Euro
- gute Arbeitsbedingungen für Pflege und Ärzte
- auch mal Zeit für Pausen und gemeinsames Kaffee-Trinken und Frühstücken
- viele Fortbildungen
- moderne Medizin
- viele "Standard-Krankheitsbilder"
- LPs regelmäßig möglich
- ganz neue Station (Umzug erst Ende Februar)
Contra:
- erschwerte Arbeitsabläufe teilweise durch veraltete Technik und nur 3 PCs für 3-4 Ärzte und 2 PJler
- hohe Verantwortung
- teilweise hohe Arbeitsbelastung und man bleibt auch mal länger, hängt aber sicherlich auch von jedem persönlich ab. Ist sicherlich aber kein Haus zum Chillen, das kommt auch bei den Kolleginnen nicht gut an, Mitarbeit wird erwartet!
Bewerbung
Über das PJ-Portal. Meine Startzeit war am Ende der ersten Woche und glücklicherweise war der Platz noch frei.