Die Bewerbung erfolgt seit März 2018 über das AFMC Student Portal. Auf dem institutional profile lassen sich alle wichtigen Informationen zu den Bewerbungsmodalitäten finden. Es gilt ein Bewerbungszeitraum von 26 bis 16 Wochen vor PJ-Beginn. Da nur zwei Plätze zur Verfügung stehen, solltet ihr euch frühestmöglich bewerben. Grundsätzlich sind maximal nur 8 Wochen möglich.
Für die Bewerbung müsst ihr einen Account erstellen, was mit einer Registrierungsgebühr verbunden ist. In eurem Account legt ihr ein Profil mit persönlichen Daten, Kontaktdaten eurer Heimatuniversität und Informationen zu euren Blockpraktika, Unterricht am Krankenbett und Famulaturen an. Ebenfalls könnt ihr hier die benötigten Bewerbungsunterlagen hochladen.
Bewerbungsunterlagen:
• aktuelles Foto
• Lebenslauf
• AFMC Immunization and Testing Form
• Haftpflichtversicherung
Die AFMC Immunization and Testing Form stellt eine durch einen health care professional ausgefüllte Bescheinigung über euren Impfstatus und das Ergebnis eines zweistufigen Tuberkulosehauttest da. Es können gerne Befunde von der arbeitsmedizinischen Untersuchung für das PJ eingetragen werden, dadurch spart ihr euch die Laborkosten. Der zweistufige Tuberkulosehauttest sollte beim Gesundheitsamt möglich sein. Eine Haftpflichtversicherung könnt ihr kostenfrei bei der Deutschen Ärztefinanz abschließen.
Nachdem ihr eure Bewerbung abgeschickt habt, wird eure Heimatuniversität kontaktiert und muss eure Angaben verifizieren. Erst danach kann eure Bewerbung weiterbearbeitet werden. Eine Antwort von der Uni solltet ihr 16 bis 8 Wochen vor Antritt erhalten. In meinem Fall waren es rund 16 Wochen.
Wenn ihr eine Zusage von der MUN habt, müsst ihr euch beim College of Physicians and Surgeons of Newfoundland and Labrador registrieren. Die Unterlagen dafür erhaltet ihr in eurem acceptence package.
Registrierungsunterlagen:
• ausgefüllte Formulare (gestempelt von der Heimatuniversität)
• Führungszeugnis
• zwei certified Passfotos
• letter of good standing
Das Führungszeugnis sowie die Fotos dürfen maximal 8 Monate alt sein. Die Fotos müssen auf der Rückseite von eurer Heimatuniversität unterschrieben und gestempelt werden. Die ausgefüllten Unterlagen sowie Fotos und Führungszeugnis könnt ihr per E-Mail an das CPSNL schicken. Der letter of good standing darf jedoch maximal 9 Wochen vor Antritt von der Heimatuniversität an das CPSNL geschickt werden. Dies ist auch per E-Mail möglich. Die Bearbeitung der Registrierung dauert! Ich bin ohne Rückmeldung und ohne Abbuchung der Gebühren nach Kanada gereist. Letztlich erhielt ich die Bestätigung erst nach Rückreise. Ebenfalls wird von der MUN der Nachweis über einen Online-Lehrgang zum Thema Datenschutz gefordert. Informationen dazu findet ihr ebenfalls im acceptence package.
EINREISE
Für die Arbeitserlaubnis ist eine Immigration Medical Examination notwendig. Diese kostenintensive Untersuchung ist nur bei einem panel physician möglich. Geeignete Ärzte findet ihr über die Internetseite der kanadischen Regierung. Für einen Termin in Berlin benötigte ich 4 Wochen Vorlauf. Die IME besteht aus einer körperlichen Untersuchung, Urinuntersuchung, Blutentnahme sowie einem Röntgen-Thorax und einem abschließenden Beratungsgespräch. Ihr erhaltet zum Abschluss ein eMedical Information Sheet für eure Unterlagen. Bei mir hat die Untersuchung für ein student visa gereicht. Für die Einreise wird aber kein Visum per se benötigt. Ihr müsst lediglich eine eTA beantragen. Gemeinsam mit der eTA Nummer und dem Information Sheet schreibt ihr der kanadischen Botschaft in Wien eine E-Mail (zusätzlich Kopie vom Reisepass und der elective confirmation). Diese schickt euch einen letter of introduction zu. Die Bearbeitungszeit dauert in etwa zwei Wochen. Diese E-Mail benötigt ihr dann für die Einreise.
Für die Reise nach St. Anthony bestehen je nach Wochentag nicht sehr viele Möglichkeiten. Provincial Airlines bieten Inlandsflüge von St. John’s nach St. Anthony an. Bei telefonischer Buchung könnt ihr einen Studentenrabatt erhalten. Nichtsdestotrotz bleibt der Flug vergleichsweise teuer. Der Flughafen befindet sich etwas außerhalb, der Transport in die Stadt wird aber vom Krankenhaus organisiert. Alternativ ist die Anreise auch per Bus über Deer Lake möglich. Der Bus der Gesellschaft Norpen Bus Service verkehrt jedoch nur dienstags und freitags.
UNTERKUNFT UND VERPFLEGUNG
Die Unterkunft wird kostenfrei vom Krankenhaus gestellt. Die Schlüssel werden im Krankenhaus an der Rezeption im Foyer („Rotunda“) hinterlegt. Alle Studenten leben in einem Haus direkt hinter dem Krankenhausgebäude. Man lebt mit bis zu sechs anderen Medizinstudenten zusammen, häufig Kanadier oder Deutsche. Es gibt Einzel- und Zweierzimmer, zu meiner Zeit musste sich aber niemand ein Zimmer teilen. Auf zwei Etagen findet sich alles Nötige: Zwei Badezimmer und ein WC, ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine Küche sowie eine Waschküche. Das Haus ist sehr gut ausgestattet, sodass es einem an nichts mangelt – lediglich das Bügeleisen und Bügelbrett sind eine kleine Herausforderung. Es gibt außerdem WLAN!
Für Verpflegung muss selbst gesorgt werden, Mittagessen wird nicht vom Krankenhaus gestellt. In der Cafeteria des Krankenhauses ist es aber möglich, sich etwas zu kaufen. Für eine warme Mahlzeit belaufen sich die Kosten auf rund fünf kanadische Dollar. Für das Mittagessen sind wir aber in der Regel nach Hause gegangen und haben gekocht. In St. Anthony gibt es einen Supermarkt, der ganzwöchig geöffnet hat. Die Lebensmittel sind vergleichsweise teuer, vor allem wenn man Wert legt auf frisches Obst und Gemüse. Auch Milchprodukte sind besonders kostenintensiv.
KRANKENHAUS UND ARBEITSALLTAG
Das Charles S. Curtis Memorial Hospital ist für die medizinische Versorgung des nördlichen Neufundlands und südlichen Labradors verantwortlich. Das Krankenhaus umfasst rund 50 Betten und deckt folgende Fachgebiete ab: general surgery, internal medicine, pediatrics, obstetrics/gynecology, anesthesia, ophthalmology, orthopedic surgery, ENT, psychiatry, radiology, pathology und family medicine. Zur Akutversorgung des Krankenhauses gehören ebenfalls folgende Abteilungen:
• emergency/outpatient department, intensive care unit
• oncology/chemotherapy services, day surgery services
• dialysis unit
• laboratory and diagnostic imaging (general radiology, ultrasound, CT, mammography)
• physiotherapy, occupational therapy, speech language pathology
• respiratory therapy, EEG/ECG, pharmacy, audiology
• clinical nutrition, diabetes education
• social work, mental health and addictions, psychology
Am ersten Arbeitstag werden zunächst organisatorische Aufgaben geklärt. Denise Pilgrim, die Sekretärin des Pathologen Dr. Dankwa, ist die Ansprechpartnerin für studentische Angelegenheiten organisatorischer Natur. Normalerweise meldet man sich am ersten Tag zwischen 08:00 bis 08:30 Uhr in ihrem Büro. In meinem Fall war Denise im Urlaub, sodass ich mit ihrer Vertretung Gaye Ropson den Papierkram erledigt habe. Es gibt einige Dokumente, die unterschrieben werden müssen wie z.B. Datenschutzerklärungen. Außerdem könnt ihr auch euren Führerschein zum Kopieren abgeben und eine Erklärung ausfüllen, damit ihr euch bei Bedarf ein Auto vom Krankenhaus leihen könnt. Zum Leihen meldet ihr euch bei Watson von R/T, Denise sollte euch zeigen, wo er im Haus zu finden ist. Anschließend wird noch der Zugang zum elektronischen Patientenverwaltungsprogramm Meditech sowie Login-Daten für Windows beantragt. Ihr bekommt zudem einen Dienstausweis mit Lichtbild und könnte danach in den eigentlichen Tag starten.
Im Haus arbeiten viele Locums, eine Art Vertretungsärzte, da einige Stellen dauerhaft oder zeitweise unbesetzt sind. In der Chirurgie gibt es drei attendings: Dr. Lauren Smithson, sozusagen die Chefärztin, sowie Dr. Brandi Iio und Dr. Judith Roger, beides Locums. Assistenzärzte gibt es keine, sodass man als Medizinstudent direkt mit den attendings zusammenarbeitet. Zeitweise werdet ihr eventuell noch andere Locums kennenlernen, je nachdem ob Dr. Smithson oder Dr. Iio abwesend sind.
Die Stationen sind nicht explizit nach Fachgebieten aufgeteilt, sodass auf einer Station Patienten verschiedenster Disziplinen und verschiedener Ärzte liegen. Patienten werden nämlich in der Regel von einem attending im Verlauf ihres gesamten Aufenthalts betreut.
Ein typischer Arbeitstag besteht aus den pre-rounds, den eigentlichen rounds, OR/endoscopy und nachmittags anschließend clinic. Für Medizinstudenten und residents gibt es einen Stundenplan, an dem man sich für den Ablauf orientieren kann.
Die pre-rounds führt man eigenständig vor 8:00 Uhr durch, das heißt bevor die Chirurgen in die Klinik kommen. Wenn mehrere Studenten anwesend sind, kann man die verschiedenen Patienten untereinander aufteilen. In der Patientenakte wird die Visite strukturiert dokumentiert. Dafür benutzt ihr das SOAP-Schema: subjective, objective, assessment, plan. Unter subjective fällt die Anamnese eueres Patienten (Wie geht es ihm aktuell? Gibt es irgendwelche Beschwerden? Stuhlgang? Miktion? etc.), wohingegen zu objective alle eigenständig erhobenen bzw. gemessenen Befunde gehören (Vitalparameter, Labor, Bildgebung, körperliche Untersuchung). Letztlich bewertet bzw. fasst ihr kurz die aktuelle Lage zusammen und macht euch Gedanken über den weiteren Plan. Ich habe mich anfangs an vorherigen Einträgen in der Patientenakte orientiert. Im englischsprachigen Raum sind einige Abkürzungen sehr üblich; es lohnt sich also, sich explizit mit medical english vorher vertraut zu machen – oder zumindest ein Handy zum Googlen dabei zu haben.
Die Patienten werden anschließend oder im Tagesverlauf durch den jeweiligen attending visitiert, der auch mit euch die progress notes in der Patientenakte bespricht. Ihr bekommt also direktes Feedback!
Im Tagesverlauf stehen in der Regel Operationen oder endoskopische Eingriffe an. Auch hier kann man sich im Falle mehrerer Medizinstudenten aufteilen. Da im Krankenhaus keine residents anwesend sind, ist man als Medizinstudent häufig die erste Assistenz im OP. Dadurch wird einem mehr Verantwortung als in Deutschland übertragen – aber der Lerneffekt ist auch höher! Hands-on surgical experience ist das, was PJ in St. Anthony ausmacht. Zu Beginn heißt es gain in trustability! Bekommt zunächst ein Gefühl dafür, wie die einzelnen Chirurgen arbeiten. Ihr werdet bald immer mehr und mehr Verantwortung übernehmen. Leider lag zu meiner Zeit ein kleines Sommerloch vor, sodass einige Ärzte zeitweise im Urlaub waren, es weniger Patienten und somit auch weniger OPs gab. Wenn dann auch noch weitere Medizinstudenten anwesend sind, ist die Einbindung in den OP etwas suboptimal. Es ist jedoch auch möglich, in anderen Fachgebieten wie zum Beispiel orthopedic surgery zu assistieren. Zu den gängigen OPs gehören Appendektomien, Cholezystektomien, Hernioplastiken, Hemikolektomien bzw. Darmresektionen allgemein, Vasektomien sowie Mastektomien. Dr. Roger führt auch einige plastische Eingriffe durch wie z.B. Lidstraffungen oder Bauchstraffungen. Sie operiert außerdem häufiger Dupuytren-Kontrakturen. Zu den kleineren Eingriffen zählen vor allem Exzisionen von sämtlichen Hautläsionen, Zysten und Lipomen. Diese kleineren Eingriffe dürft ihr auch eigenständig durchführen. Wie viel ihr im eigentlichen OP machen dürft, hängt von eurem Geschick und der Anzahl der OPs ab. Solltet ihr in vielen OPs assistieren, könnt ihr gegen Ende mit Sicherheit Teilschritte oder ganze Operationen selbstständig unter Anleitung und Supervision durchführen. Wenn – wie in meinem Fall – wenig OPs anstehen, werdet ihr diesen Punkt vermutlich nicht erreichen.
In Kanada sind vor allem in den ländlichen Gebieten Koloskopien und ÖGDs Aufgaben des chirurgischen Personals. Aus diesem Grund gibt es einige Tage, an denen ihr beinahe ausschließlich endoskopieren werdet. Auch hier steigt eure Verantwortung mit der Zeit. Zu Beginn seit ihr für die Probenentnahmen zuständig. Im Verlauf könnt ihr jedoch auch das selbstständige Endoskopieren erlernen. Eine Besonderheit im Norden Neufundlands ist die hohe Prävalenz von Rektum- und Kolonkarzinomen. Viele sind von HNPCC betroffen! Daher gibt es ein eigenes Screeningprogramm für diese Region. Außerdem wird dazu auch am Charles S. Curtis Memorial Hospital geforscht. Wenn ihr möchtet, könnt ihr sogar in das Forschungsprojekt involviert werden.
Bevor Patienten operiert oder endoskopiert werden, solltet ihr die Anamnese erheben und eine körperliche Untersuchung durchführen. Die Patienten befinden sich in der Day Surgery Unit, wo ihr auch die Patientenakte findet. Die Anamnese folgt im englischsprachigen Raum auch einer gewissen Struktur, informiert euch vorher am besten im Internet. Im Anschluss an die Untersuchung präsentiert ihr den Patienten dem Chirurgen. Nicht an jedem Tag war es mir zeitlich möglich alle Patienten vorher zu sehen, was aber nicht weiter schlimm war. Versucht dafür aber Zeit zu schaffen. In der Day Surgery Unit könnt ihr auch dabei helfen, Zugänge zu legen – wenn die Zeit es erlaubt. Üblicherweise ist das nicht Aufgabe der kanadischen Medizinstudenten, daher solltet ihr aktiv nachfragen. Außerdem könnt ihr am Vortag bei Kristen vom OR booking eine Liste mit den anstehenden Operationen für den Folgetag bekommen. So könnt ihr euch auf die Eingriffe (und Patienten) vorbereiten.
Am Nachmittag findet die clinic statt. Das bedeutet Sprechstunde. Auch hier erhebt ihr die Anamnese und einen körperlichen Status, stellt den Patienten dem Chirurgen vor und besprecht eure Ergebnisse. Anschließend schaut ihr euch den Patienten gemeinsam an. Je nachdem wie viele Patienten an diesem Tag einbestellt wurden, kann Clinic bereits um 16 Uhr vorbei sein – oder aber auch bis 19 Uhr gehen. Die Anamnesen sind manchmal etwas anstrengend. Die neufundländische Patientenklientel ist etwas speziell: Sehr freundlich, aber zuweilen auch sehr einfach. Viele Patienten wissen gar nicht, wieso sie einen Termin in der Sprechstunde haben. Oder geben an, aktuell keine Beschwerden zu haben. Daher heißt es: Ordentlich nachhaken! Ich empfehle auch, vorher die Patientenakte zu durchstöbern (analog wie digital). Patienten, die sich in der clinic vorstellen, sind entweder zur postoperativen Verlaufskontrolle anwesend oder benötigen ein chirurgisches Konsil. Manchmal stellt sich auch heraus, dass gar kein chirurgisches Problem vorliegt.
Neben der regulären Arbeit in der Klinik gibt es für das gesamte Krankenhaus auch eine on call Liste. Alle vier Tage habt ihr als Medizinstudenten Rufbereitschaft. Das betrifft nicht nur chirurgische Fälle, sondern umfasst alle Fachbereiche. Ihr könnt den Pager in der Rotunda an der Rezeption nach Ende des Arbeitstages abholen und am nächsten Morgen wieder dort abgeben. Der Pager zeigt euch einen vierstelligen Code an, den ihr vom Haustelefon anrufen könnt. Sollte ihr in der Umgebung von St. Anthony unterwegs sein, ruft einfach von eurem Handy an der Rezeption an (709-454-3333, dann die 0 wählen) und lasst euch die Infos durchgeben. In den meisten Nächten wurde ich nicht wachgeklingelt, je nachdem mit welchem attending ihr jedoch on call seid, kann es jedoch auch öfter vorkommen. Wir wurden bisher nur von den Chirurgen gerufen, beispielsweise für Consults oder OPs. Solltet ihr am Wochenende on call sein, bedeutet das außerdem, dass ihr die chirurgischen Patienten morgens visitiert.
Jede Woche finden Lehrveranstaltungen statt. Dies betrifft nicht nur die Chirurgie, sondern auch andere Fachgebiete. Möchte man jedoch teaching sessions in anderen Disziplinen, muss man sich aktiv darum kümmern. Chirurgisches teaching findet in der Regel am Mittwoch um 08:00 Uhr morgens statt. Es gibt vorgegeben Themen, jedoch kann sich auch etwas gewünscht werden. Abgesehen von diesen formellen Lehreinheiten wird auch im Arbeitsalltag Wert auf Lehre gelegt. Oftmals stellt man seine eigenen Vermutungen und Vorschläge zuerst vor, die im Anschluss besprochen werden, im OP werden einzelne OP-Schritte erklärt.
Im Krankenhaus gibt es auch eine Bibliothek, die man nutzen kann. Dort findet ihr einzelne Lehrbücher und Fachzeitschriften, die jedoch zum Teil etwas älter sind. Das Krankenhaus hat aber Zugriff auf UpToDate, sodass ihr auch dort recherchieren könnt. In der Bibliothek befindet sich auch ein Drucker, den ihr nutzen könnt.
FREIZEIT
St. Anthony ist ein kleiner Ort mit rund 2000 Einwohnern an der Nordspitze Neufundlands. Die gesamte Great Northern Peninsula ist eher sporadisch besiedelt. Für Naturliebhaber ist dies also der richtige Ort! Viele Informationen zu St. Anthony findet ihr auf der town website: https://www.stanthony.ca/. Dort findet ihr übrigens auch Informationen zur Trinkwasserqualität. Manchmal werden precautionary boil orders ausgesprochen. Schaut also auf der Website nach, ehe ihr Leitungswasser trinkt. Wie bereits erwähnt, ist der Norden Neufundlands eher dünn besiedelt. Zum Glück ist es möglich, ein Auto vom Krankenhaus zu bekommen. Dafür müsst ihr eine Kopie eures Führerscheins abgeben und einen Fragebogen ausfüllen. Ihr seid anschließend über das Krankenhaus versichert und könnt mit dem Auto die Gegend erkunden. Für Mitarbeiter des Krankenhauses stehen verschiedene Autos verschiedenster Zustände zur Verfügung. In der Regel bekommen die Medizinstudentin jedoch eher ältere Autos, da sie in der Hierarchie an letzter Stelle stehen. Um ein Auto zu bekommen, müsst ihr euch bei Watson melden, der diese verwaltet. Meist könnt ihr nur relativ kurzfristig die Verfügbarkeit erfragen. Meistens kann er jedoch ein Auto auftreiben. Werktags erhaltet ihr das Auto von 16:00 bis 08:00 Uhr, an den Wochenenden könnt ihr es entsprechend von Freitag bis Sonntag nutzen. Bitte haltet diese Zeiten ein und bringt das Auto rechtzeitig zurück. In der Vergangenheit gab es einige Probleme mit Medizinstudenten, sodass auch schon zur Debatte stand, die Autos überhaupt an Studenten zu verleihen! Während meines Aufenthalts war es leider so, dass der graue Chevy Venture des Öfteren in die Werkstatt musste. Wenn möglich, fragt also, ob ihr eines der grünen Autos bekommen könnt.
Was ihr eurer Freizeit machen könnt, hängt stark von der Jahreszeit ab, zu der ihr da seid! Wenn man Glück hat kann man im Sommer noch die Eisberge sehen, die mit dem Labradorstrom nach Neufundland ziehen. Es gibt einige Unternehmen in der Umgebung, die extra iceberg und whale watching Touren anbieten. Solche Angebote habe ich nicht wahrgenommen, da Eisberge und Wale auch von der Küste aus zu sehen sind und ich in der Vergangenheit bereits Waltouren gemacht habe. In Saint Lunaire-Griquet ist es auch Kayaking möglich. Auch dabei kann einem ein Wal begegnen! Die meisten Tage habe ich mit Wandern und Spazieren verbracht. In St. Anthony selber gibt es den Daredevil Path, der am Fishing Point 476 Treppenstufen auf die Küstenklippen hinaufführt. Von dort oben habt ihr eine wunderschöne Aussicht! Die Klippen könnt ihr auch durch eine Wanderung erreichen, die hinter dem Studentenhaus startet. Leider zeigt Google Maps viele kleine Wanderwege an, die zugewachsen sind. Verlauft euch also bitte nicht! Am Fishing Point selbst ist es auch möglich, schön Spazieren zu gehen. Weitere Routen in und um St. Anthony findet ihr auf der town website. Mit der App AllTrails sind noch weitere Wanderrouten in der Umgebung zu finden. Zu empfehlen sind dabei Cape Onion, Burnt Cape, Camel’s Back, Triple Falls und eine Wanderung in Goose Cove. Insgesamt habe ich die Wanderungen eher wie lange Spaziergänge empfunden. Es kann an der Küste jedoch sehr windig werden!
Einen Ausflug wert ist auch auch L’Anse aux Meadows, eine ehemalige Wikingersiedlung in Neufundland. Dort findet ihr ein kleines Museum und die Ausgrabungsstätten der Siedlung. Es werden täglich kostenfreie Führungen angeboten, die sehr zu empfehlen sind. In einer kleinen nachgebauten Siedlung könnt ihr die Häuser betreten und mit „Wikingern“ sprechen. Die Umgebung lädt auch zu schönen Spaziergängen ein. In L’Anse aus Meadows findet ihr außerdem das beste Restaurant der Nordspitze Neufundlands! Das Norsemen ist zwar auch etwas teurer, dafür bietet es aber auch fabelhafte Gerichte. Dies lässt sich von außen noch nicht erahnen. Ich empfehle, vorher einen Tisch zu reservieren, da es sehr voll – und auch laut – werden kann. Zu weiteren empfehlenswerten Restaurants gehören das Daily Catch und Northern Delight. Im Daily Catch müsst ihr unbedingt das frittierte Eis probieren! In Saint Lunaire gibt es ein sehr gemütliches Café namens Dark Tickle, das gleichzeitig als gift shop fungiert. Hier haben wir mehr als einen Nachmittag verbracht. In St. Anthony gibt es leider nicht viele gute Möglichkeiten, essen zu gehen. Hier kann ich lediglich das Lighthouse am Fishing Point empfehlen. Von den Betreibern des Restaurants wird auch ein Vikingerabend angeboten mit Verkleidung und traditionellem Essen.
Insgesamt bietet die Küche in Neufundland viel Fisch und Meeresfrüchte. Als Vegetarier oder gar Veganer muss man sich auf wenig Auswahl einstellen – womit ich aber gerechnet habe. Neufundland ist für seine Beeren bekannt, weswegen ihr bei Desserts häufig zwischen bakeapple und partridge berries wählen könnt.
Ein absolutes Muss in Neufundland ist ein Besuch im Gros Morne National Park! Dieser liegt zwar rund 300 km von St. Anthony entfernt, ist aber einen Besuch wert. Wir sind über ein verlängertes Wochenende im Tertail dort hingefahren. In St. Anthony könnt ihr Autos mieten (wenn eure Kreditkarte eine rental car insurance enthält). Eventuell fährt auch jemand aus dem Krankenhaus. In der Vergangenheit sind Medizinstudenten auch häufig mit den Krankenhausautos gefahren, was jedoch nicht erwünscht ist. Im Gros Morne National Park kann man den Gros Morne Mountain besteigen. Dieser ist zwar nur 806 mm hoch, der Aufstieg hat es aber in sich. Dafür ist der Ausblick atemberaubend – und man ist ganz schön stolz. Als einer der beliebtesten Trails, ist dieser jedoch auch voller Menschen. Aufgrund der beschränkten Zeit haben wir uns noch für einen Ausflug zu den Table Lands und dem Western Brook Pond entschieden. Die Table Lands gehören zum UNESCO Weltnaturerbe und sind eine geologische Rarität: Hier liegt Gestein des Erdmantels oberhalb der Erdkruste. Auch hier werden kostenfreie Führungen angeboten, jedoch besteht auch die Möglichkeit, mit einer Tourapp eigenständig etwas über die Table Lands zu erfahren. Ohne Informationen ist die
kleine Wanderung nämlich schnell langweilig. Auf dem Western Brook Pond ist ein dreistündige Bootstour durch die Fjordlandschaft möglich. Auch hier bieten sich wunderschöne Ausblicke, die drei Stunden können sich jedoch auch ganz schön ziehen. Der Nationalpark bietet noch viele weitere schöne Ziele. Ich kann euch einen Ausflug nur wärmstens ans Herzen legen. Eine der preiswertesten Übernachtungsmöglichkeiten bietet ein Hostel in Norris Point, wo ihr in den Patientensälen eines ehemaligen Krankenhauses übernachten könnt.
Insgesamt ist ein Tertial in St. Anthony wohl eher ungeeignet für feierwütige party animals. Im Herbst 2019 hat aber eine Craft Beer Bar in St. Anthony aufgemacht. (zu den Inhabern gehört übrigens Dr. Smithson). Ich bin mir sicher, dass zukünftige PJler hier einige Abende verbringen werden.
KOSTEN
Hier findet ihr eine Aufschlüsselung der Kosten:
• 575 CAD Registrierungsgebühr AFMC Student Portal
• 350 CAD Bewerbungsgebühr MUN
• 125 CAD Registrierungsgebühr CPSNL
• 7 CAD Electronic Travel Authorization
• 583 CAD Inlandsflug mit PAL Airlines
• 980 EUR Transatlantikflug
• 320 EUR Immigration Medical Examination
• 15 EUR Führungszeugnis
• 15 EUR Varizellen-Titerbestimmung
• 40 EUR Tuberkulosehauttest
• 15 EUR Passfotos
FAZIT
Ein halbes PJ-Tertial in St. Anthony ist sehr zu empfehlen. Medizinstudenten in Kanada arbeiten selbstverantwortlicher und übernehmen mehr ärztliche Tätigkeiten als der durchschnittliche deutsche PJler. Dies ist vor allem zu Beginn etwas überfordernd, jedoch ist so auch der Lerneffekt wesentlich höher. Das Tertial ist vordergründig für diejenigen zu empfehlen, die auch praktische Skills erlernen möchten. Auch Chirurgieneulinge werden hier eingespannt – lasst euch durch Unerfahrenheit nicht von einem Tertial hier abschrecken. Ich hatte vor Beginn des Tertials einige Befürchtungen, da ich noch nie außerhalb von
Übungskursen genäht habe. Die Chirurginnen fanden dies aber nicht schlimm und führten mich Schritt für Schritt heran. Leider fanden im Sommer nicht so viele Operationen wie erwartet statt, weswegen ich weniger Zeit im OP verbracht habe. Zu anderen Jahreszeiten stehe wohl mehr auf dem OP-Plan. Auch müsst ihr euch auf eine Menge Kolo- und Gastroskopien einstellen!
Das Leben in St. Anthony entschleunigt. Die Natur bietet Gelegenheit zur Selbstreflexion und zum Nachdenken. Feierwütige und Strandmäuse sind hier Fehl am Platz. Auch im Sommer muss man hier mit Nebel und Nässe auskommen, an wenigen Tagen wurden Temperaturen über 20° Celsius erreicht. Die Newfies sind zwar speziell aber unfassbar liebenswert und hilfsbereit. Mischt euch unter die Einheimischen und lernt ihren Alltag kennen. Für den organisatorischen und finanziellen Aufwand der Bewerbung werdet ihr definitiv entlohnt.