OP, Diagnostik, Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Station
Heimatuni
TU Muenchen
Kommentar
In den letzten Berichten ist schon das Meiste genannt worden, daher werd ich darauf nicht mehr genau eingehen.
Bewerbung über das AFMC Portal, dieses ist zunächst sehr verwirrend und man muss bezahlen, bevor man sicher einen Platz hat. Damit geht man mit der Bewerbung immer ein gewisses Risiko ein, aber bei einer Absage ist es meist möglich, ein anderes Fach oder einen anderen Zeitraum zu wählen.
Ich habe mich zusammen mit einer Freundin für die erste Hälfte meines ersten Tertials beworben. So konnten wir vor Arbeitsbeginn etwas vom Land sehen, was ich jedem schwer ans Herz legen würde! Während des Tertials ist keine Zeit für weitere Ausflüge (verlängertes Wochenende etc ist leider nicht möglich).
Wir sind nach Deer Lake geflogen und von dort mit dem Bus (dieser fährt Dienstags und Freitags) nach St. Anthony. In St. Anthony wusste leider niemand, dass wir kommen und es waren keine Zimmerschlüssel für uns hinterlegt. Daher am besten zwei-drei Tage vor Ankunft nochmals mit Denise Pilgrim Kontakt aufnehmen (2 Wochen vorher sind wohl zu früh...). Es ließ sich dann aber doch alles irgendwie regeln und wir konnten unsere Zimmer beziehen.
Zur Unterkunft ist in den anderen Berichten ebenfalls schon viel zu lesen - definitiv ein Ort, an dem man problemlos für einige Monate leben kann!
Arbeit:
Von den Studenten wird erwartet bis um 8:30Uhr mit der Visite fertig zu sein und diese nach dem SOAP Schema zu dokumentieren. Je mehr PatientInnen man zu betreuen hat, desto früher muss man also anfangen. Um 8:30 geht es dann mit den Operationen oder Koloskopien los.
In den Operationen ist man eigentlich immer erste Assistenz und darf zunähen oder auch kleinere Eingriffe selbstständig unter Aufsicht durchführen (zB Muttermalentfernung). Dabei wird erwartet, dass man auf den Eingriff gut vorbereitet ist, den Ablauf, Indikationen, Alternativen, Komplikationen,... kennt.
Die Koloskopien sind ab der zweiten Woche langweilig und anstrengend. Selbst kann man dabei nicht viel machen, dh man verbringt die Zeit damit die Patientengeschichte vorher zu erfragen und steht dann daneben, um ab und an eine Biopsie zu entnehmen.
Am Nachmittag (Di-Do) ist dann Sprechstunde. Dabei sieht man die PatientInnen zunächst alleine, dokumentiert die Anamnese und bespricht den Fall mit der/dem zuständigen Arzt/Ärztin. Dabei lernt man eine sehr gute und strukturierte Anamneseerhebung. Je nach Arzt/Ärztin gehen diese Sprechstundentage bis 19 Uhr (oder auch nur bis 16 Uhr).
Die Kollegen sind alle sehr nett. Die Pflege nimmt einen als vollständige Arbeitskraft ernst und man wird nicht wie ein nervender Student behandelt. Sie helfen und erklären einem auch alles, wenn man sich noch unsicher ist (!wer unfreundlich zur Pflege ist, wird das auch so zurück bekommen).
Bei den Ärzten gibt es eine etwas spezielle Ärztin, die teils eine sehr aufbrausende Art hat. Ich bin mit ihr sehr gut zurecht gekommen. Wenn sie merkt, dass man sich bemüht und etwas lernen möchte, dann erklärt sie einem sehr viel! Ich habe bei ihr unglaublich viel gelernt. Aber man muss auch einiges einstecken können, wenn man etwas "falsch" gemacht hat und sie einen schlechten Tag hat. Wichtig ist, immer vorbereitet und absolut pünktlich zu sein!! Die anderen Ärzte sind alle sehr nett und alle sind bemüht, dass man sich willkommen fühlt. Am Wochenende laden sie einen oft auf Ausflüge oder zum Essen ein.
Jeden vierten Tag ist man "on call" und bekommt dafür einen Pager mit. Innerhalb von 30 min muss man dann in der Klinik sein, wenn man gerufen wird - wurden wir alle jedoch sehr selten.
Freizeit:
Da ich in der Vorweihnachtszeit in St. Anthony war, gab es nicht viel zu tun. Es gibt einige Schneeschuhwanderungen im Umkreis, für die man jedoch ein Auto benötigt. Das Auto, das sich die Studenten normalerweise ausleihen konnten, war bei uns leider durchgehend kaputt. Wir waren also immer auf die Ärzte angewiesen, dass sie uns am Wochenende mit auf Ausflüge nahmen.
In St. Anthony selbst ist im Winter leider sehr wenig geboten. Restaurants (=Fast-Food Restaurants) haben größtenteils geschlossen, es gibt einen Supermarkt und seit Oktober 2019 auch eine Bar (Ragna Röck, geführt von einer der Allgemeinchirurginnen). Außerdem gibt es einen kleinen Fitnessraum, mit ganz guter Ausstattung. Im Januar/Februar kann man dann auch Langlaufen und Skidoo fahren.
Wir haben viel zusammen als Studenten unternommen und auch jeden Abend gemeinsam gekocht und Spiele gespielt.
Freizeitmäßig ist bestimmt der Sommer deutlich reizvoller in der Gegend. Im Winter langweilt man sich leider oft und kann nicht viel machen.
Es gilt hier jedoch auch noch zu sagen, dass die Neufundländer unglaublich freundliche Menschen sind! So etwas sind wir von Deutschland nicht gewöhnt. Wir waren an Weihnachten und Silvester immer sofort eingeladen und es wurde sehr wert darauf gelegt, dass wir uns wohl fühlen!
Fazit:
Alles in allem bin ich sehr froh, nach St. Anthony gegangen zu sein! Ich habe dort eine super Zeit verbracht, sehr nette Menschen kennengelernt. Auch medizinisch habe ich einiges gelernt, auch wenn es eine ganz andere Medizin als bei uns ist. Durch die isolierte Lage im Norden Neufundlands gibt es einfach nicht die gleichen Möglichkeiten, wie bei uns - zB kein MRT vor Ort, keine Radiotherapie, keinen Herzkatheter, wenig Personal. Dementsprechend gibt es eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten. Ich fand es sehr interessant, diese Art der Medizin mal kennenzulernen.
Die Bewerbung bringt einen hohen finanziellen Aufwand mit sich, doch wann bekommt man schon mal wieder die Gelegenheit an so einem Ort zu arbeiten?
Für Fragen könnt ihr mir natürlich gern schreiben!