Ich habe mich für ein Tertial an der GRN Sinsheim entschieden, nachdem ich zahlreiche schlechte Berichte aus der Uniklinik gehört habe. Gleich vorweg, ich würde mich durch die vielen negativen Bewertungen nicht abschrecken lassen, die Abteilung hat darauf reagiert und es gibt deutliche Verbesserungen. Die chirugische Abteilung in Sinsheim ist eine Kooperationseinheit der Universitätsklinik Heidelberg, sodass die meisten Assistenten aus der Uni kommen. Das Team besteht meistens aus 5-6 Assistenten und 4-5 Oberärzten. Das Team ist wirklich nett und gibt sich viel Mühe einen einzubinden. Viele Assistenten sprechen sogar regelmäßig alle Patienten mit den PJlern durch und fragen einen zu den Krankheitsbildern ab. Der Tag beginnt um 7:00 Uhr mit der klinischen Visite, die nach üblicher chirurgischer Manier meistens 30-45 min dauert. Danach gibt es eine Frühbesprechung mit dem stv. Chefarzt Dr. Hassenpflug oder dem OA Dr. Heß. Je nach OP-Programm geht man als PJ dann entweder direkt in den OP oder erledigt auf Station die üblichen Aufgaben. Dazu gehören Viggos, Arztbriefe schreiben und Drainagen entfernen. Blutabnahmen werden normalerweise durch needle nurses erledigt, sodass diese Aufgabe nur selten an einem hängen bleibt. Leider gehören auch (meiner Meinung nach) pflegerische Aufgaben wie Verbandswechsel oft zu den täglichen Aufgaben. Damit meine ich nicht die interessanten und komplexen Aufgaben wie VAC-Wechsel oder die Erstversorgung von Stomata (bei denen man natürlich auch mithelfen kann und soll), sondern teilweise auch simple Bandagen- oder Pflasterwechsel. Ich denke aber, dass sich das in absehbarer Zukunft ändern wird, weil sowohl ich als auch meine Vorgänger das Thema öfters angesprochen haben. Einsätze in der Ambulanz oder auf der Intensivstation sind auf Wunsch jederzeit möglich. Hierbei sieht man vielfältige chirurgische Krankheitsbilder und lernt den Umgang damit. Auch eine selbsständige Betreuung von Patienten auf Station ist möglich, man muss aber aktiv nachfragen und sich aktiv einbringen. PJ-Unterricht in der ACH ist 1x/Woche und findet wirklich regelmäßig statt. Je nach Dozent gibts es ganz unterschiedliche Vorträge, die von der klassischen PowerPoint bis zur Röntgendemo und Fallbesprechungen reichen. Die Qualität ist je nach Dozenz gut bis sehr gut.
Zum Arbeiten im OP: Als PJ steht man durchaus öfters im OP und darf die berühmt berüchtigten Haken halten. Im Gegensatz zu Erfahrungen aus der Uniklinik steht man aber selten 8h am Stück am Tisch ohne Aussicht auf Auslösung. Es wird sehr genau darauf geachtet, dass man um spätestens 16.00 Uhr durch den studentischen Rufdienst ausgelöst wird. In Sinsheim werden erstaunlich vielfältige operative Eingriffe durchgeführt. Von den häufigen Leistenhernien, über Thyreodektomien bis hin zum Whipple bei Pankreaskarzinom habe ich alles gesehen. Bei laparoskopischen Engriffen wird man meistens sogar als erster Assistent eingesetzt und darf die Kamera führen. Die Stimmung am Tisch ist normalerweise gut und man wird je nach 1. Assistent oft über anatomisches Wissen oder die vorliegende Pathologie befragt. Man darf jederzeit Fragen stellen und hat gerade dadurch die Möglichkeit auch viel zu lernen. Fehler werden einem direkt rückgemeldet, aber immer objektiv und sachlich. Oft durfte ich am Ende der OP auch die Hautnaht durchführen (inklusive intrakutane Naht bei Lichtenstein-OPs!). Auch sonst darf man kleinere Tätigkeiten selbstständig durchführen wie z.B. Varizen strippen. Die üblichen blöden Sprüche wie "Sie sind hier zum Klappe und Haken halten" hört man natürlich trotzdem, die sind aber nie ernst gemeint und man hat doch das Gefühl, dass man als PJ wert geschätzt wird. Als allerletzten Tipp würde ich aber dennoch empfehlen die seltenen OPs bei denen Prof. Büchler aus Heidelberg kommt zu vermeiden. Mir wurde ein 20 minütiger Vortrag inklusive einiger Sprüche unterhalb der Gürtellinie gehalten, warum es eine dämliche Idee ist Innere machen zu wollen, der erst unterbrochen wurde, als Dr. Hassenpflug mein Engagment lobend hervorgehoben hat! Das restliche OP Team ist aber wirklich sehr nett und hilfsbereit (ich kann das gar nicht genug betonen) und gibt auch hilfreiche Tipps gerade zum Thema steriles Arbeiten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich ein Tertial in der Chirurgie in Sinsheim auf jeden Fall empfehlen würde. Ganz klar muss man natürlich hervorheben, dass es immer noch die Chirurgie ist, über die wir hier reden. Wenn einem das Fach absolut nicht liegt oder man nicht mit der direkten Art von Chirurgen zurecht kommt, wird man trotzdem nur bedingt Spaß haben. Ich bin aber der Meinung, dass man dann trotzdem an einem kleinen Haus wie Sinsheim besser aufgehoben ist, als an der Uni. Das Team ist durch die Bank weg nett und gibt sich Mühe, dass man gut angebunden ist. Dr. Hassenpflug hat immer ein offenes Ohr für Probleme und Wünsche und freut sich über jeden PJler, der nach Sinsheim kommt. Ich persönlich wurde insgesamt sehr positiv überrascht. Ich hatte vor dem PJ definitiv am meisten Sorge wegen des Chirurgie Tertials (ich will kein Chirurg werden, man hört oft die unterschiedlichsten Horrogeschichten über die Chirurgie, ich stand noch nie am Tisch) und muss am Ende sagen, dass es mir doch gut gefallen und sogar Spaß gemacht hat. Man lernt sehr vielfältige Eingriffe und Methoden kennen und ist durchaus praktisch mehr gefordert als in den anderen Tertialen, die ich absolviert habe. Ich bin immer pünktlich raus gekommen und hatte meistens genug Zeit zum Mittagessen. Es wurde sogar darauf geachtet, dass man während der PJ-Unterrichte (man darf jeden Unterricht von ACH über Innere, Neuro und Anästhesie besuchen) nicht angerufen wurde oder in den OP eingeteilt wurde. Insgesamt also ein klare Empfehlung.