Frutigen ist nicht unbedingt der erste Ort, an den man beim Thema Schweiz denkt. Doch für mich wird es immer der erste Ort sein, der mich mit diesem Land in Berührung brachte. Wenn man vorher praktische Erfahrungen in Deutschland gesammelt hat, dann ist dieses vorerst klein anmutende Spital erstmal wie ein Kulturschock - im positiven Sinne! Mit solch einer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft wurde ich noch nie zuvor begrüßt, der Kontakt interdisziplinär, mit der Pflege & mit den Ärzten ist durchweg positiv. Die Möglichkeit zu selbstständigem Arbeiten und die häufig zwischendrin eingebaute Lehre haben mir hier gute chirurgische Grundlagen beigebracht!
Ein typischer Tag beginnt im Stadtmattehuus (dem gleich neben dem Spital gelegenen Personalhaus) mit einem grandiosen Ausblick auf Gehrihore, Elsighorn und in das Kandertal in Richtung Balmhorn. Nach einer kurzen Dusche in den Bädern, die man sich immer mit einem anderen UHU teilt, geht man in die gemeinsame Küche zum frühstücken und genießt erneut den Ausblick in Richtung Norden, auf den Niesen und in Richtung des Thuner Sees.
Anschließend wirft man sich die zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung über und ist in 3 Minuten (mit schnellem Schritt) im Konferenzraum zum Morgenrapport. Der findet meist um 7:50 Uhr statt, am Montag, durch die Patientenvorstellung des Wochenendes, aber auch um 7:40 Uhr.
Hier bestimmt sich der weitere Verlauf des Tages, wenn man mit den Assistenzärzten um den OP-Plan sitzt und die freien Stellen verteilt. Falls es einen nicht direkt in den OP rufen sollte, kann stattdessen den Ambi vorbereitet werden. In der Ambulanz kommen meist zwischen 14:00 - 16:30 Uhr Patienten zur postoperativen Verlaufskontrolle, die wir UHUs dann selbstständig vorbereiten und schließlich auch empfangen. Hierbei ist der Zugang mittels Badge zu allen Computern von extremen Vorteil, die Patientenakten, Kurven, alte Befunde, Röntgen- und Laboruntersuchungen etc. sind für uns digital zugänglich.
Ziemlich schnell sind die Patienten für den Tag vorbereitet. Wenn jetzt keine Notfallpatienten reinkommen und auch ansonsten keine Aufgaben anfallen bietet sich bereits die erste Pause des Tages und die Möglichkeit, nochmal zurück in das Stadtmattehuus gehen, um versäumten Schlaf nachzuholen, ein leckeres Essen vorzubereiten oder einfach auf einen der angrenzenden Berge raufzuwandern. Sollten an dem Tag noch Eintritte geplant sein (gleichzusetzen mit Aufnahmen), dann finden sich die Patienten dafür gegen 14:00 Uhr ein, werden orthopädisch untersucht, und Medikamente sowie Behandlungen werden anhand von Schemas verordnet. Parallel anfallende Arbeit kann sich mit den anderen UHUs aufgeteilt werden, generell ist die Zeit in Frutigen von viel Selbstplanung gezeichnet. Wenn etwa wenige Ambis anstehen, kann es sein, dass für einen die Arbeit für den Tag schon um kurz vor 9 Uhr beendet ist. Fairerweise übernimmt man dann an einem anderen Tag mehr und ermöglicht seinen Kollegen einen früheren Feierabend.
Wenn anschließend die Ambis um 14:00 beginnen, werden die Patienten durch die Pflege einem Behandlungsplatz zugewiesen, sie gibt dann Bescheid wo der Patient sich befindet. Nach einer zielgerichteten kurzen Anamnese und Untersuchung kann sich das weitere Vorgehen überlegt und im Anschluss ein Kaderarzt gerufen werden, der daraufhin den Patienten noch einmal mit den UHUs anguckt. Das weitere Vorgehen wird gemeinsam abgesprochen, jederzeit kann jeder UHU seine eigenen Fragen und Vorschläge zur Behandlung einfließen lassen. Die Ärzte sind eigentlich alle per Du und stehen jederzeit Rede und Antwort. Einige fragen selber gerne die UHUs mit StEx-ähnlichen Fragen ab, sodass eigentlich durchgehend Lehre stattfindet. Mit den Ärzten besprochene Medikamente/ Behandlungen und Wiedervorstellungen ordnet man an, führt man durch und vereinbart man. Dabei steht die Pflege immer zur Seite. Der Kontakt mit der Pflege ist außerordentlich gut und in beiden Richtungen von Respekt geprägt.
Eine weitere Aufgabe der UHUs ist die Assistenz im OP. Hier wird viel erklärt und auch überlassen. Das Üben von Intrakutannähten oder das Anlegen eines Fixateur Externe werden geduldig demonstriert. Hier ist ein Erlernen chirurgischer Grundlagen sehr gut möglich!
Wenn der letzte Patient das Ambulatorium verlassen hat und momentan auch kein Notfallpatient behandelt werden muss, dann beginnt für die meisten UHUs der Feierabend. Einer jedoch - und auch das wird in Selbstorganisation zwischen uns beschlossen - erhält das Diensthandy und muss bis zum nächsten Morgenrapport für Aufgaben aller Fachrichtungen innerhalb von 30 Minuten zur Verfügung stehen. Für den Fall, dass dieses Diensthandy einen zur Arbeit ruft, kann bei Notfall-OPs assistiert werden und Notfallpatienten können eigenständig gesichtet und untersucht werden. In jedem Fall und besonders bei schweren Patientenfällen gucken einer der anwesenden Assis oder Kaderarzt über die Schulter. Wenn dann etwa eine Rissquetschwunde genäht werden muss, kann das auch in Absprache alleine durchgeführt werden. An Wochenenden ist ein UHU von Freitag bis zum Rapport am Montag verantwortlich, solche Aufgaben zu übernehmen. Dass das viel Verantwortung, Arbeit und Zeit kostet, ist allen im Spital bewusst, daher wird auch mit einem Mittag-/ und Abendessen sowie Kaffeemarken für den Einsatz belohnt.
Eine weitere Belohnung sind sicherlich die unvergesslichen Weiterbildungen im Büro von Dr. Häfliger, der allen UHUs z.B. nochmal Anatomie, Bildgebung und Untersuchung der Schulter mit seiner humorvollen Art beibringt. Generell wird im Haus viel Wert auf gemeinsame Lehre gelegt. Es besteht Zugang zu verschiedenen wissenschaftlichen Services wie uptodate.com. Das kommt gelegen, wenn man eine der wöchentlich stattfindenden Mittwochsfortbildungen der Chirurgen übernimmt. Daneben finden noch einmal die Woche eine Radiologiefortbildung mit relevanten Fällen der letzten Tage und ein EKG Kurs sowie eine internistische Fortbildung statt.
Das Alles schließt eigentlich einen normalen Tag im Spital Frutigen gut ab, doch soll auch der Aspekt Freizeit hier noch kurz Anklang finden: Wie schon am Anfang erwähnt umgeben viele spektakuläre Berge das Spital, die alle bewandert werden wollen. Sollte man mit dem Auto mobil unterwegs sein, sind Berge wie der „Männlichen“ in der Nähe von Lauterbrunnen mit gutem Blick auf das Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau gut zu erreichen. Eine Fahrt ins Kandertal und eine Wanderung zum Gemmipass mit Blick in das Wallis sind auch eine große Empfehlung! Hier kommt gelegen, dass die FMI ihren Mitarbeitern Jahreskarten für verschiedene Attraktionen/ Seilbahnen gewährt. So ist zum Gemmipass die Sunnbühl-Bahn eine große Hilfe und gratis nutzbar.
Auch Ort wie Luzern, Thun oder Bern sind absolut empfehlenswert. Und falls man kein Auto zur Verfügung hat lassen sich meist Fahrgemeinschaften mit den anderen UHUs organisieren und die Bahn bringt einen in der Schweiz auch fast überall hin. Hier sei nur eine Vergünstigung ans Herz zu legen, da das sonst wirklich sehr teuer wird.
Alles in Allem war diese Stelle im Spital Frutigen für mich einzigartig unvergesslich und wird stets ihren festen Platz in meinen Erinnerungen behalten.
Bewerbung
Bewerbung 1 1/2h Jahre im Voraus direkt bei Dr. Häfliger