Die Organisation:
Die Organisation im Spital seitens HR-Abteilung und der Hauswirtschaft war rundum top! Man wurde am ersten Tag mit offenen Armen begrüßt und war von Anfang an mit Mitarbeiterausweis, Computerzugang etc. ausgestattet.
Das Spital selbst ist ein sehr kleines Haus mit zwei Abteilungen: Innere Medizin und Chirurgie und insg. ca. 50 Betten.
Die Arbeitszeit:
Der normale Arbeitstag beginnt um 7:45 Uhr mit der Frühbesprechung und endet offiziell gegen 18:00 Uhr (50 Stunden-Vertrag). Die Arbeitszeit, -belastung und der -umfang fluktuieren wahnsinnig stark über das Jahr hinweg und in Abhängigkeit davon, wieviele Unterassistenten (UHUs) es gibt. Am meisten ist im Winter los (da kommen aber auch die meisten UHUs), gefolgt vom Sommer. Ich war im Frühling da, da ist es am ruhigsten, aber auch mit den wenigsten UHUs. Als wir zu zweit da waren, war man so um 18 Uhr fertig, als ich nur noch alleine war, musste ich bis 19-20 Uhr bleiben. Für jede Nacht und am Wochenende muss außerhalb der Saison ein UHU, in der Saison zwei UHUs für den „Pikett“ (Hintergrund) eingetragen sein. Für diese Dienste bekommt man jedesmal 90CHF, und für die Dienste am Wochenende oder an den Feiertagen zusätzlich einen Kompensationstag pro Dienst.
Tätigkeit:
Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass der Unterassistent in der Schweiz anders verstanden wird als der PJler in Deutschland. Es handelt sich dabei wirklich um den "unteren Assistenten". Man hat eigene, klar definierte Aufgaben, die meisten haben dabei nichts mit denen der Assistenten zu tun. Die Assistenten schmeißen die Station und die Notaufnahme, und sind dabei fast nie im OP. Die UHUs sind für den OP und die elektiven Patientenaufnahmen zuständig, und hat abgesehen von der Visite kaum mit der Station zutun. Bei der Visite übernimmt der UHU die Dokumentation. Falls in der Notaufnahme viel los ist, helfen UHUs dort mit. Die OP-Assistenz wird also komplett durch die UHUs abgedeckt (fast immer 1. Assistenz). Auch hier muss man bedenken, dass das die Bedingungen außerhalb der Saison sind. In der Saison ist man viel viel mehr in der ZNA tätig, elektive OPs und damit elektive Aufnahmen kommen wegen der unendlichen Notfälle da kaum vor.
Spektrum:
Allgemeinchirurgisch werden vor allem die Basics wie Hernien, Gallenblasen und Blinddärme abgedeckt, ganz selten Eingriffe am Darm. Während der Skisaison sieht man sehr viele unfallchirurgische Eingriffe wie Radiusfrakturen und Unterschenkelfraktur. Außerhalb finden elektive orthopädische/unfallchirurgische Eingriffe statt wie Arthroskopien, Endoprothesen und Metallentfernungen. Außerdem arbeitet dort eine Beleg-Gynäkologin, sodass dort hin und wieder sogar Sectios stattfinden, bei denen man assistieren darf!
In der Notaufnahme hat man Patienten selbstständig in Rücksprache mit dem Assistenz- oder Oberarzt betreut. Dazu gehörte die Anamnese, körperliche Untersuchung, Diagnosestellung und den Arztbrief zu schreiben.
Bei den elektiven Patientenaufnahmen hat man als UHU die Anamnese und die körperlichen Untersuchung durchgeführt. Hier konnte man bei vielen Aufnahmen sehr gut und ohne Zeitdruck selbstständig seine Untersuchungstechniken üben.
Das Team:
Das Team besteht aus einem Chefarzt, 4 Oberärzten und 5 Assistenten, von denen immer 2 im Tagdienst sind. Das Assistententeam sind sehr jung und frisch in der Ausbildung, da es ein Haus der Grundversorgung ist, und die Ärzte in der Schweiz meist zuerst eine Grundausbildung machen müssen, um danach etwas spezielles zu machen. Damit Durch das junge Team hatte man zu den Assistenten ein richtig tolles Verhältnis, viel Spaß, man hatte das Gefühl man würde mit seinen Kommillitonnen oder seinen Kumpels den Arbeitstag verbringen, und war komplett gleichwertiger Kollege im Team. Das Verhältnis zu den Oberärzten (alle aus Deutschland) war anders. Trotz des Duzens gab es dort nicht wirklich flache Hierarchien, Kommunikation und Umgang waren nicht wirklich auf Augenhöhe und wurden bei einigen Oberärzten durch den Status bestimmt. Das war vor allem im OP zu spüren, wo die Stimmung oft patriarchalisch war, und sich manchmal private Launen und unprofessionelles Verhalten zeigte. Von den OP-Schwestern war ich dagegen begeistert: Das waren unglaublich freundliche, hilfsbereite und geduldige Menschen! Kein einziges mal habe ich mich im OP gefühlt als "der doofe PJler, der alles unsteril macht" ;) Die OP-Pausen mit ihnen waren jedes mal ein lustiges Kaffeekränzchen. Die werde ich auf jeden Fall sehr vermissen.
Lehre:
Aufgrund des jungen Teams sind die Ärzte oft selbst noch unerfahren (die Dienstälteste hatte damals ein Jahr Berufserfahrung) und können einem bei Fragen oft selbst nicht weiterhelfen. Es fand also seitens der Assistenzärzte eher keine Betreuung oder Lehre statt (obwohl sie wirklich bemüht und motiviert waren!). Die elektiven Aufnahmen führt man als UHU komplett selbstständig durch. Insgesamt arbeitet man also schon recht viel selbstständig. In der ZNA trifft man aber natürlich keine Entscheidungen komplett alleine und ohne Rücksprache. Außerhalb der Saison findet einmal die Woche um 8 Uhr eine chirurgische Fortbildung statt. Leider konnte ich kein einziges mal dabei sein, weil man als UHU vor 8 in den OP musste um den Patienten zu lagern ;) Die Internisten haben aber einen vollen Wochenplan mit Fortbildungen, Fallbesprechungen, Journal Clubs, sodass man da dabei sein kann, wenn man Zeit und Lust hat.
Das Haus:
Das Personalhaus ist wirklich der Hammer! Sehr sauber, groß und hat zwei tolle Küchen, zwei Riesen-Wohnzimmer mit Fernseher und Terrasse! Das Leben im Personalhaus war mit seinen 400CHF Miete im Monat sehr (wirklich sehr) preiswert und schön. Man hat alles was man braucht, es ist top ausgestattet! Die gemeinsamen Abende und das Zusammenleben mit den anderen UHUs dort war unvergesslich und toll!
Freizeit:
Das beste kommt bekanntlich zum Schluss: Zweisimmen liegt mitten in den wunderschönen Berner Alpen, überall Berge, Berge, Berge! Und eine tolle Anbindung mit den Öffis an noch mehr Berge. Wer genau das sucht, ist hier komplett richtig, egal ob im Sommer zum Wandern oder im Winter zum Skifahren mit einem riesigen Skigebiet vor der Nase. Zweisimmen an sich ist ein kleiner, aber feiner Ort und bietet alles, was man zum täglichen Leben braucht. Zwei Sachen muss man hier bedenken: 1. Trotz der Öffis ist man hier mit dem Auto schon besser dran, einfach viel flexibler und unabhängiger. 2. Wer im Frühling hier wandern will, sollte vielleicht Schneeschuhe mitnehmen, da der Schnee noch ziemlich tief und ziemlich lange fast in den Juni hinein liegen kann.
Besonders schön war es, mit den anderen UHUs und Ärzten Zeit zu verbringen, zuhause oder beim Wandern.
Fazit:
Die Zeit in der Schweiz war für mich sehr schön. Ich habe viel gearbeitet aber dafür auch viel gelernt und konnte deutlich selbstständiger arbeiten als in Deutschland. Eins der Highlights ist auf jeden Fall die unendliche Herzlichkeit der Schweizer, durch die man sich in dem manchmal fremdartigen Land doch total gut aufgehoben und wohl fühlt. Die oben beschriebenen Problempunkte sind minimal im Vergleich zu der wunderschönen Natur, den Wahnsinnsleuten, und der unvergesslichen Zeit, die ich dort mit den UHUs und den Assistenten zusammen verbracht habe!