Poliklinik / Ambulanz / Sprechstunde, Notaufnahme, Station, OP
Heimatuni
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Kommentar
Also nach den katastrophalen Bewertungen der Vorjahre war ich auf das Schlimmste gefasst.
Nun muss man fairerweise dazu sagen, dass ich im vollen Pandemie-Betrieb meine Eindrücke gesammelt habe mit stark gedrosselter Auslastung, reduzierten OP-Kapazitäten aufgrund des Wegfalls des elektiven Programms und im Vergleich dazu PJler-Schwemme.
Nichtsdestotrotz war es ein sehr freundliches und aufgeschlossenes Kollegium. Großteils ist man primär für den OP eingetaktet und kann sich in Eigenregie mit seinen Kommilitonen für die OPs absprechen und einplanen. Die Absprache untereinander werden über die PJ-Telefone (1 pro Station) und eine morgendliche Planungsrunde am Stations-PC , während die ärztlichen Kollegen im Frührapport nach der Visite ihre Besprechung abhielten. Ein Student durfte aufgrund der Pandemiebestimmungen nur mit in den Rapport - was tatsächlich nochmal einen guten Eindruck über die Zugänge/ Aufnahmen und dem Programm des kommenden Tages gab. Im Nachmittagrapport um 14Uhr durften dann auch die Studenten beiwohnen, wo alle wichtigen Dinge für die Dienst aus dem Tagesverlauf berichtet wurden.
Wir waren so circa 3 PJler pro Station. Jedoch waren auch nur 3 geöffnet. Im OP war man entweder jeden oder jeden zweiten Tag - ganz nach Gusto und Mitstreiter. Das Klima und der Umgangston im OP auch uns Studenten gegenüber war stets angemessen und freundlich. Auch bei Fehlern oder ähnlichem wurde man in Ruhe und höflich nur darauf hingewiesen.
Auf Station konnte man je nachdem wie man sich angeboten hat, Aufgaben übernehmen. Vom Dokumentieren bei der Visite, über Blutentnahmen, Flexülen legen, Physiotherapie und Rehas anmelden im SAP... das war so das täglich Brot. Aber auch Radiologieanforderungen, Untersuchungen und Konsile anmelden, Befunde anfordern, Termine organisieren, Briefe schreiben, Medikamente spritzen, unter Supervision Transfusionen anhängen und auch mal Patienten zur Überwachung mit zu Untersuchungen begleiten. Und echter Kracher: Studentische Hilfskräfte im Früh- und Spätdienst, die auf Station die Blutentnahmen mit abfangen und im OP aushelfen, was wir PJler entweder nicht schaffen/ wollen bzw. den Feierabend gefährden! (Am ehesten also die Hüft-TEPs und Knie-TEPs)
Sonst durfte man auch mal mit dem Zentralen Patientenmanagment (Aufnahmen und Außenlieger visitieren) oder dem 1. Dienst mitlaufen, in allen Ambulanzen und Spezialsprechstunden reinschnuppern, in der Notaufnahme mitlaufen, in der Kinder-Ortho hospitieren.
Auf Station war gewünscht bei Chefvisite, dass 1 Zimmer bzw 1 Patient jeweils durch den PJler vorgestellt wird, was auch eine gute Übung war sich die One-Liner einer Patientenvorstellung anzueignen als auch sich in die Fälle reinzudenken und zu hinterfragen.
Jeden Freitag frühs wurde im Studentenseminar durch einen PJler ein Fall mit Präsi vorgestellt und mit den Kommilitonen und dem Professor besprochen. Auch eine nützliche Probe für die Assistenzarztzeit mit Lerneffekt: den Kasus und Frakturklassifikationen mit OP-Technik, Befundung der Bildgebung und Studienlage.
Absolutes Highlight waren aber die außerplanmäßigen Seminare mit Dr. Fakler: Materialkunde und OP-Strategie - etwas, was sich deutlich besser verstehen lässt, wenn man die unterschiedlichen Implantate mal in der Hand hatte.
Was unterscheidet die Anwendung eines intramedullären Nagel von der extramedullären Platte und wann und wieso nimmt man was. Wie funktioniert eigentl genau die Winkelstabile Platte und warum braucht die garnicht aufliegen. Wann benutzt man eine Dynamische Hüftkopfschraube (mit oder ohne Abstützplatte), wann die Duokopf- und wann die Hüft-Totalendoprothese und worauf muss man achten bzw. wie sind die einzelnen Komponenten aufgebaut... All diese kleinen Feinheiten kamen im stumpfen Ambosslernen bei mir nicht an, aber dadurch dass es im Verlauf des Tertials ich es nun mehrfach durchdacht habe (dank der Starthilfe des Seminars), hab ich deutlich mehr Gefallen an der operativen Versorgung und der handwerklichen Komponente des Berufs gefunden!!!
Ganz großes Lob!
Herr Dr. Fakler kam auf uns Studenten erstmalig zu und wir haben uns dann proaktiv mit ihm um weitere Seminare bemüht. Auch hat er und der Chef im Nachmittagrapport immer wichtige und interessante Informationen bei Patientenvorstellungen oder Bildbefunden für uns Studierende erläutert.
Auch lobend zu erwähnen war, das Seminar mit OA Henkelmann über Sprungelenksfrakturen (Ottawa Ancle Rules), dem Umfang mit unterschiedlichen Luxationen und deren Notfallmanagment.
Am Ende des Tertials gab es noch einen Knöpf/Nahtkurs mit Prof. Roth, was ja nie verkehrt ist für Studierende - dieser wäre strategischerweise am Anfang des Tertials sinnvoller gewesen, da einige Kommilitonen tatsächlich noch nie genäht hatten. Das haben wir aber direkt auch so rückgemeldet, dennoch durfte man im OP, wenn es sich anbot als Studierender mit nähen und knüpfen. Auch durfte man bei einigen Operateuren mal bohren und schrauben setzen, je nach eigenem Interessenbekunden.
Alles in Allem hab ich die Zeit in der Unfallchirurgie und Orthopädie sehr genossen. Wenn man der Unfallchirurgie und Orthopädie nicht in Gänze abgeneigt ist und sich auch die Handwerklichen Grundlagen der Patientenversorgung in diesem Gebiet aneignen will, kann man in der Zeit in diesen Abteilungen wirklich viele sinnvolle Dinge mitnehmen.
Natürlich war das Tertial im Q1 2021 durch die Pandemie fern von Regelbetrieb, aber wenn das eine oder andere außerplanmäßige Seminar (wie oben beschrieben) fortgeführt und angeboten wird, kann man über die Lehre auch echt nicht mehr meckern.