An den Anfang möchte ich das Wichtigste in Kürze zusammengefasst stellen. Wer möchte, kann im Anschluss den ausführlichen Bericht über meine persönlichen Erlebnisse in diesem Tertial lesen. Eine Empfehlung, an die AK St. Georg zu gehen kann ich nach eigener Erfahrung und Rücksprache mit anderen PJlern ( auch von anderen Stationen wie Innere und Neurologie ) auf keinen Fall aussprechen!
Pro:
-Essen für PJler kostenfrei ( inkl. Getränk ) und wirklich gut
-Zusammenhalt unter den PJlern und gegenseitiges Aufbauen beim Mittagessen
-Bis auf eine Ausnahme ist der Umgangston mit den OTAs und dem OP Team überraschend entspannt und kollegial
-Kleidung wird gestellt und ist frei zugänglich
-Man hat eine Umkleidekabine mit eigenem Spind
Kontra:
-Organisation ( Auf der Allgemeinchirurgie teilweise nur 7 Patienten, aber 6 PJler, 2 Famulanten und eine Hospitantin gleichzeitig )
-Jeder gegen jeden ( nach Gesprächen mit der Pflege und anderen PJlern wurde mir dieser Eindruck unabhängig bestätigt )
-Wahnhafter Rationalisierungszwang ( Bei nahezu jeder OP fehlten wichtige Instrumente )
-Irreführende Bezeichnung als "Lehrkrankenhaus" ( Wenn man etwas nicht kennt und danach fragt, wird es nur von wenigen Mitarbeitern wirklich erklärt )
-Hygiene/Mülltrennung/Verschwendung :
Die gezogenen Drainagen, Braunülen und gewechselten Verbände kommen in den normalen offenen Patientenmülleimer im Zimmer.
Pinzetten, Scheren und Knopfkanülen etc. aus Metall werden nicht sterilisiert, sondern als Einmalprodukte weggeworfen.
-M-KIS funktionierte keinen einzigen Tag ohne Probleme,
-Aufgabenbereich und Berechtigung der PJler äußerst überschaubar ( Hatte ich im 8. Semester bei Famulaturen mehr )
-Keine Aufwandsentschädigung
-Umgangston und allgemeine Stimmung ( Trotz stark reduzierter Patientenanzahl )
Unterricht habe ich nur zwei Mal miterleben können.
1:1 mit dem Chef der Unfallchirurgie und 1:3 mit dem Chef der Neurologie ( als ich an diesem Tag dort ausgeholfen habe ).
Beide Male war der Unterricht wirklich sehr gut und auf Augenhöhe.
Dem ausführlichen Bericht möchte ich gerne noch voranstellen, dass ich durch Beruf und Famulaturen bereits einige und mitunter sehr gute Erfahrungen mit OP-Assistenzen, kompletter Patientenbetreuung ( von Erstkontakt/Aufnahme bis Entlassungsgespräch ), eigenständiger Diagnostik ( körperlicher Untersuchungen, Sono, LPs, EKGs, etc. ) sowie Stationsarbeit mitbringen konnte und entsprechend motiviert ins PJ startete.
Als erstes sollte es in den Pflichtteil Chirurgie gehen und ich wollte nach Hamburg, nicht zwangsläufig nach St. Georg, aber so schlimm kann es ja nicht werden.
Die Vorabkommunikation via E-Mail war gut und die benötigten Unterlagen ( Impfbescheinigung, Betriebsärztliche Untersuchung, Zeugnis M2 etc. ) konnten digital an die Personalabteilung ( 2 Wochen vor Antritt ) übermittelt werden. Nach dem obligatorischen Termin in der Perso am ersten Tag wurden wir vier Chirurgie PJler von der Koordinatorin empfangen und aufgeteilt: Zwei in die Allgemein- und Visceralchirurgie, eine in die Unfallchirurgie und ich kam in die Gefäßchirurgie. Die Einteilung konnten wir dann noch anpassen, der Rotationsplan stand aber im Wesentlichen fest.
Allgemeine Gefäßchirurgie, AGC, 4 Wochen:
Dienstbeginn 7:30, Dienstende: Je nach Bedarf und Ende der Nachmittagsrunde: ca. 16:00
Das Patientenklientel ist hier das klassische, wobei St. Georg typisch noch etwas näher an der "Straße".
Die Assistenzärzte waren total begeistert einen PJler mal für länger als eine Woche zu haben ( Die PJler von der Asklepios Medical School rotieren sonst nur eine Woche durch die AGC und haben Freitags ihren Sudientag ) und so wurde ich von Anfang an sehr gut in das Team integriert. Klassische Aufgaben wie Nadeln legen und Blutentnahmen teilten wir uns. Bei den Visiten wurden die entsprechenden Krankheitsbilder und OPs besprochen, sowie meine Fragen beantwortet. Verbände haben wir zusammen gewechselt und verschiedene Tätigkeiten wurden gut erklärt und gezeigt.
Aufgrund der Coronasituation bat der Chef darum, dass ich als Student ab der zweiten Woche nicht mehr an der Früh- und Nachmittagsbesprechung teilnehmen solle.
Die OPs dauern, wie es für die GefäßChirurgie typisch ist, recht lange: Bypässe, TEAs, PTAs, Aneurysmata ( erstaunlich häufig offen operiert ), aber auch Amputationen. Dadurch war es oft nicht möglich, Mittagessen zu gehen. Man muss mitunter 6 Stunden Haken halten können, bei kleineren Operationsfeldern den Armen des Operateurs ausweichen und wehe die Spitze ist dabei nicht betont oder man zieht nicht kräftig genug, dann bekommt man sehr schnell die Hierarchie zu spüren. Das waren dann auch bereits die Tätigkeiten eines PJler im OP.
Der Umgangston ist je nach OA von freundlich bis harsch und respektlos ( sowohl den Studenten, als auch dem OP Team gegenüber ). Entsprechend wurde nahezu nie etwas von selbst erklärt und wenn man fragte, wurde man auf später vertröstet, weil man sich "jetzt konzentrieren" müsse. Das später kam dann selbst bei Nachfragen nicht zu stande. Die Möglichkeit in der Akutsprechstunde mitzuhelfen war ebenfalls gegeben. Diese wird von den OÄ oder einem kurz vor der FA-Prüfung stehenden Assistenten durchgeführt.
Highlight dieses Abschnittes waren für mich zwei Zehenamputationen, die ich eigenständig von Schnitt bis Naht unter Anleitung eines Assistenzarztes durchführen durfte.
Unfallchirurgie, 4 Wochen:
Dienstbeginn 7:00, Dienstende: Je nach Bedarf : ca. 16:00
Die Arbeit und Atmosphäre auf der Unfallchirurgie unterschied sich drastisch von den vorherigen 4 Wochen auf der AGC: Die Visiten wurden eher "schnell schnell" durchgeführt und die Patienten konnten teilweise nichtmal Fragen stellen, geschweige denn ausreden, bevor die Karawane weiterzog.
Hier waren BEs und Braunülen fest im Verantwortungsbereich des PJlers. Briefe konnte ich ebenfalls schreiben, wobei sehr viel Wert auf Effizienz und einheitliche Formulierung gelegt wurde.Ergo: Nach 3 Briefen hatte ich aus älteren Briefen meine eigenen Textbausteine zusammengesammelt und die neuen Briefe waren zwar schnell geschrieben aber im Prinzip untereinander austauschbar. Ein regelmäßiger Zugang zum M-KIS war nicht garantiert, weil es nur zwei PC-Arbeitsplätze gab, bei meistens zwei Assistenten auf Station.
Operationsstechnisch bewegten wir uns in den 4 Wochen zwischen Olecranon-, Clavicula- und Acetabulumfrakturen sowie klassischen Sturztraumata ( es war Dezember ) und Verkehrsunfällen. Sehr häufig waren Weber- und Wirbelkörper Frakturen. Von der Gefäßchirurgie geprägt, war meine Vorfreude auf die OPs eher getrübt, aber die Fach- und Oberärzte haben hier wirklich viel erklärt und mich aktiv mitarbeiten lassen.
Entgegen der Anweisung, PJler sollen aufgrund der Coronasituation nicht in der ZNA mitarbeiten, konnte ich durch Eigeninitiative doch schlussendlich noch einen Tag dort verbringen. Selbst auf Nachfragen wurden mir aber weder Arbeitsabläufe noch Tätigkeiten erklärt, geschweige denn eine Einweisung in die Räumlichkeiten ( Isozellen, Behandlungsräume, Schleusen, wo finde ich was... ) oder Geräte ( z.B. BGA ) gegeben. Der mich betreuende Assistenzarzt hat sich sogar auf mehrfaches Nachfragen aktiv dagegen gesperrt mir die Dinge zu erkären mit den Worten: Mach halt einfach mal, ist ja kein Hexenwerk...
Allgemeine- und Visceralchirurgie, 8 Wochen:
Aufgrund der Vielzahl an PJler/Famulanten, wird hier ein Studenten-Schichtsystem betrieben.
Frühdienst: 7:00 - ca. 12:00, Spätdienst: 12:00 - je nach Bedarf ( zwischen 14:30 und 18:30 war alles dabei ).
Samstags muss ein PJler da sein ( meist nur 2h und dafür bekommt derjenige dann einen Wochentag frei ! )
Hier wären weniger Studenten deutlich angenehmer für alle Beteiligten.
Zur Bestzeit waren wir auf 7 Patienten 6PJler, 2 Famulantinnen und 1 Hospitantin bei 3 - 4 Stationsärzten...Dadurch hatten wir dann allerdings z.T. sogar 2 Studientage/ Person/Woche.
Durch das wechselnde Schichtsystem und die uneinheitlichen Tagesabläufe war es für uns sehr schwierig die wechselnden Termine ( TuKo, RöBe, FrühBe etc. ) zu verinnerlichen.
Tätigkeiten der PJler: Studentendienstplan erstellen, BEs, Nadeln legen, (auch nichtärztliche ) Botengänge, bei der Chefarztvisite: Der Chefin unsterile(!) Handschuhe anreichen, Betten hoch- und runterfahren, den Patienten beim Ausfüllen der Meinungskarten helfen ( Es wurde mehrfach explizit auf diese Dinge hingewiesen!), Verbandswechsel, Drainagen ziehen.
Mitarbeit in der Oberärztlichen Sprechstunde ( entweder allgemeinchirurgisch oder proktologisch ) ist zu empfehlen. Proktologisch bewegt man sich im Spannungsfeld zwischen Sinus Pilonidalis, Analabszessen &- fisteln, Hämorrhoiden, Condylomen, Prolaps und Anal-CA.
Die Oberärzte erklären bei Fragen ruhig und ausgiebig, nehmen einen gut "an die Hand" und lassen einen Patienten auch selbst untersuchen.
Hier lernt man wirklich viel, sieht spannende Fälle. Die Stimmung ist angenehm und wertschätzend.
Ganz anders auf Station:
Ich habe noch nie eine so schlechte Integration ins Team, miese Laune und vor allem mangelnde Kommunkation auf Station erlebt wie hier. Fragen - zu Begriffen, Organisation oder Tätigkeiten- wurden, wenn überhaupt, entweder mit dem klassischen "Mach einfach mal" oder mit einer unfassbar genervten Art und abfälligen Kommentaren erklärt, dass wir relativ schnell davon abließen. Die Visite startete uneinheitlich mal um 7:15 mal um 7:30 und durch die BEs rennt man nicht selten hinterher. Wenn man fragt, ob BEs gestellt sind, wird man zur Geduld gemahnt, wenn man nicht fragt, wird gemeckert, warum man noch nicht losgezogen ist...Ob die Visite startet, bekommt man aber selbst im Arztzimmer nicht zwangsläufig mit, weil die Assistenzärzte auch einzeln loslaufen und einem meist auch nicht Bescheid sagen. Wenn der ganze Tross ( + Verbandswagen ) dann durch die Zimmer wandert, wird gerne ÜBER DIE STUDENTEN allgemein gesprochen, dass DIE STUDENTEN ruhig mithelfen sollen, "das würden sie schon hinkriegen", anstatt konkret in der Situation zu sagen, wie man unterstützen kann. Als ich dann aber einmal das Desinfektionsspray vom Verbandswagen nahm, um einen Verband zu wechseln, wurde es mir von einem Assistenten aus der Hand gerissen, mit dem Kommentar, dass es " seins sei", auf den Wagen gehöre, er es brauche und meine Mit-PJlerin ja schon eins in der Hand habe, das solle ich doch nehmen...
In der Regel werden Fragen nicht beantwortet und Patienten/Fälle kaum bis gar nicht besprochen. Teaching fand ebenfalls trotz der wenigen Patienten so gut wie nicht statt, es war eher learning by doing und so haben wir PJler uns je nach Kenntnisstand gegenseitig Skills beigebracht.
Im Nachmittagsdienst war selten etwas zu tun. Er begann mit ausgiebiger Mittagspause. Danach gab es ab und an eine OP, die Röntgen-Besprechung und mal BEs oder Nadeln legen.
Absolutes Negativ-Highlight dieses Abschnittes war für mich, dass die Chefin mich im OP -nach sterilem Einwaschen und bereits am Tisch stehend- völlig übergriffig an beiden Armen packte, um mich "zu positionieren", weil ich ihr scheinbar nicht schräg genug am Tisch stand. So etwas hatte ich noch nicht erlebt...
Will man im OP richtig mithelfen, wird es einem bei bauchchirurgischen Eingriffen untersagt, dass solle dann der Assistent machen.
Letztendlich durfte ich - außer wie sonst die Haken- sogar mal die Kamera bei einer laparoskopischen Appendektomie halten und im Anschluss eine ( ! ) Hautnaht durchführen.
Neben dieser "Aufwertung" war mein positives Highlight dieses Abschnittes eine Hartmann-OP, bei der ich einem Oberarzt von Anfang bis Ende assistieren durfte. Dies beinhaltete den vollen Umfang, vom Staplen ( Mit einem Uraltgerät, das der Chirurg noch aus seiner Ausbildungszeit kannte und darüber scherzte ), Arterien ligieren, Darm absetzen, Stoma annähen, Vac-Verband anlegen etc...
Wir konnten uns gut austauschen, waren fix durch und die Stimmung im OP war unter seiner Leitung sehr angenehm.
...Dieser Chirurg kam allerdings von extern...
Dem Bericht möchte ich gerne einige Situationen mit Zitaten aus diesem Abschnitt anhängen, die ich als repräsentativ erachte:
-Die Assistenzärztin hat morgens auf ihrem PC den OP-Plan auf und meine Frage, welche OPs für den Tag geplant seien, wurde beantwortet mit: "Die Pflege hat auch PCs, da kannst Du selbst nachschauen"
- Nach nochmaligem "Anschiss", dass wir während (!) der Visite die Verbände der Patienten noch nicht abgemacht hatten, merkte ich an, dass wir bestimmte Patienten schlichtweg nicht kennen ( die Stationsliste wurde mit SnippingTool zurechtgeschnitten & ohne Diagnosen ausgedruckt ) und wir entsprechend nicht "einfach mal machen", vor allem, während der Visite und des Gespräches mit dem Patientin:
Darauf wurde mir entgegnet " Macht euch bei der Visite Notizen, dann kennt ihr die Patienten und könnt auch unterstützen"
-Frage während OP, ob diese Struktur X,Y sei, wurde beantwortet mit: ,,Das sind Basics, die schaut man sich vorher an". ( Es gab vorher allerding keine Info, welche OP überhaupt ansteht, ich sollte einfach mal in den Saal gehen )
-Für die nächste OP sollte ich im Saal bleiben und meinte, dass ich bei guter Anleitung gerne assistieren könne. Darauf hieß es: ,,Naja, Haken halten, werden Sie schon hinkriegen, oder?"
Abschließen möchte ich meinen Bericht mit dem sehr einprägsamen Zitat einer Mit-PJlerin, von einer anderen Station, die vorher zwei tolle Tertiale an anderen Häusern absolvieren durfte:
"Ich bin erst wenige Wochen hier, aber das erste Mal seit Studienbeginn zweifle ich an meiner Berufswahl"