Bevor ich nach Wolhusen kam, hätte ich niemals geglaubt, dass ich mich so für Chirurgie begeistern kann, aber von Anfang:
Pro:
Die Organisation am ersten Tag: Am ersten Tag bekommt man Batch (Zugangskarte) mit PC-Anmeldedaten für seinen persönlichen Zugriff, ein eigenes Telefon, Kleidung und eine Mappe mit allen sonstigen Infos. Die Sekretärin nimmt einen dann mit zum Rapport (7:35Uhr), wo man sich allen vorstellt. Nachmittags war man für einen Einführungskurs für das Kliniksystem in Luzern angemeldet.
Die Arbeit: Uhus (Unterassistenten) sind für die Eintritte (=Aufnahmen) und für den OP (1. oder 2. Assistenz) verantwortlich. Wenn man für den OP eingeteilt ist, steht man immer am Tisch (daneben stehen gibt's nicht) und darf auch selbst ran: Nähen/zumachen (das eigentlich immer), klammern, hin und wieder mal bohren und Schraube reinfahren, bei kleineren Eingriffen (z.B. Atheromentfernung) selbst das Skalpell bekommen, bei der Laparoskopie die Kamera führen... Wenn die zwei Hauptaufgaben abgedeckt sind, dann kann man auch immer in die Sprechstunde mitgehen (sehr empfehlenswert!) oder auf den Notfall. Anmerkung: Wenn man zu dritt oder viert als UHUs ist, dann ist's wirklich entspannt und geht sich locker aus, alleine oder zu zweit ist es verdammt stressig und viel und man bleibt oft bis Abends. Im OP herrscht eine gute Stimmung, als Student ist man anerkannt und auch gerne gesehen (im krassen Gegensatz zu manchen deutschen OPs). Pikket = nächtlicher Rufdienst. Wenn über Nacht operiert werden muss, hütet der chir. Assistent den Notfall während der Kaderarzt + Uhu operieren. Das ist ganz cool, weil man automatisch 1. Assistent ist (für Appendix, Sinus pilonidalis, Cholezystektomie...)...aber auch anstrengend bis Mitternacht im OP zu stehen und am nächsten Morgen um 7 Uhr anzufangen- ich wurde - offensichtlich im Gegensatz zu ein paar meiner Vorgänger schon häufiger angerufen und stand ein paar Nächte am Tisch. Es ist allerdings oft so, dass man als Uhu hauptsächlich bei viszeralchir. OPs angerufen wird, die orthopädischen OPs (z.B. Radius-Fx) machen die Assistenten in der Regel selbst - wenn man allerdings nachfragt, darf man das auch machen.
Wochenende: Man betreut eine Station komplett selbst, macht selbst Visite, alle Verordnungen, bespricht sich mit der Pflege und ist auf dem Notfall. An den Wochenenden habe ich am meisten gelernt!
Die Kollegialität: Das Spital ist klein und sehr familiär, jeder kennt jeden. Man ist mit jedem außer den Chefärzten per du, was eine angenehme Atmosphäre schafft. Fragen stellen wird gerne gesehen (auch im OP). Auf jede Frage bekommt man eine ausführliche Antwort.
Wohnen: Das Wohnheim ist 3 Gehminuten entfernt und penibelst sauber und ordentlich. Auch die Gemeinschaftsküche ist sehr sauber, der Müll wird täglich entleert und 1x/Woche wird die Küche sauber gereinigt. Man hat ein Zimmer mit Bad und Balkon. Kostenpunkt sind knapp 380 CHF, die einem direkt vom Gehalt abgezogen werden. Das Zimmer muss natürlich selbst gereinigt werden, ein Staubsauger und Putzzeug gibt es, welches auch hygienisch ist (!).
Freizeit: Ich bin an den Wochenenden, an denen ich frei hatte, in die Berge zum Wandern und Skitouren gehen - geht alles auch ohne Auto (SBB Halbtax!).
"Kontra": (in Anführungszeichen, weil es kein wirkliches Kontra ist, sondern, weil man schon wissen muss, auf was man sich einlässt):
- Unterricht: 1x pro Woche soll ein UHU-Fortbildungskurs stattfinden und 1x/Woche eine Assistenten-Fortbildung. Wie meine Vorgänger schon geschrieben haben, muss man sich da sehr reinhängen und den jeweiligen Arzt erinnern und mit ihm einen Termin ausmachen, damit dieser Kurs auch stattfindet. (geplant ist immer Dienstag Nachmittag, aber oft steht dann entweder Arzt oder UHU im OP, deshalb haben wir das oft verschoben). ABER wenn man einen Termin ausgemacht hat, sind die Fortbildungen wirklich supergut!
- Freizeit: Wer ein entspanntes PJ-Tertial mit viel Freizeit sucht, dem kann ich Wolhusen nicht empfehlen. Arbeitsbeginn ist offiziell um 7:00, wir waren meist schon um 6:45 Uhr da, damit wir alle Eintritte schaffen und um 7:00 Uhr mit auf Visite gehen können. (was sich nicht immer ausgeht). Arbeitsende ist offiziell um 17:30Uhr, aber meistens ging's bis halb 7/7. (vor allem wenn man nur zu zweit als Uhus da ist) und ca. jedes 3. Wochenende hat man Dienst.
Pikket-Dienst: Man hat ca. 2x/Woche Pikketdienst - und das kann sehr anstrengend sein.
OPs: Viele OPs! Viel Orthopädie, sehr viel Orthopädie allen voran Hüft-TEPs und Knie-TEPs: Bei Hüft-TPs ist man als Uhu als 2. Assistenz eingeteilt, steht auf der anderen Seite und hält Haken und sieht 2-3h lang nichts. 2-3/Woche passt das schon, aber es passiert auch , dass man für 3 an einem Tag eingeteilt wird. Knie-TPs sind besser, da sieht man mehr. Was ich damit sagen will, das OP-Programm ist sehr orthopädie-lastig, aber es kommen auch interessante und ungewöhnliche Fälle z.B. Skiunfälle - vielleicht ist's nicht so spannend und abwechslungsreich wie an einer großen Klinik, aber für mich hat das voll gepasst und ich habe nichts vermisst.