Organisatorisches:
Den Entschluss, einen Teil meines PJs in der Schweiz zu absolvieren, fasste ich recht zeitig in meinem Studium. Folglich bewarb ich mich etwa 2,5 Jahre im Voraus für das chirurgische Tertial in der deutschsprachigen Schweiz und war dankbar, so zeitig dran gewesen zu sein. Die Plätze für Chirurgie und Innere Medizin sind sehr begehrt und rasch vergeben. Wenn man sich seinen Standort und das Spital aussuchen möchte, sollte man sich tatsächlich etwa 2 Jahre im Voraus bewerben. Allerdings springen immer wieder Studenten ab, sodass man mit etwas Glück auch ganz kurzfristig noch eine Stelle am präferierten Spital erhalten kann. Ähnlich lief es bei mir. Denn ich musste aufgrund der Corona-Pandemie meinen Studienplan umstellen und konnte meine im Voraus festgelegte Stelle nicht mehr antreten. Mir blieb nur noch ein halbes Jahr bis zum Start des Praktischen Jahres und so gut wie jedes Spital hatte keine freien Vakanzen mehr. Schlussendlich erhielt ich noch eine Stelle in einem äußerst kleinen Haus in einem sehr entlegenen Dorfe. Sechs Tage vor PJ-Beginn erhielt ich eine E-Mail des chirurgischen Sekretariats des Kantonsspital Nidwalden in Stans. Sie hatten meine damalige Bewerbung auf die Warteliste gestellt und meldeten sich, da aufgrund einer Absage personeller Notstand ausgebrochen sei. Ich wurde gefragt, ob ich noch zur Verfügung stehen würde. Ohne große Probleme und ohne sagenumwobener Strafzahlungen konnte ich in dem kleinen Spital ab- und somit meinem präferierten Haus in Stans zusagen. Die Abwicklung bürokratischer Elemente lief absolut reibungslos. Der Vertrag wurde mir per Mail zugesandt und Verwaltungsangelegenheiten, wie die Anmeldung bei der Einwohnermeldebehörde, wurden für mich erledigt. Ein Konto musste ich nicht eröffnen, da in diesem Spital der Lohn jeden Monat bar ausgezahlt wurde. Wie bei fast jedem Spital in der Schweiz wurde mir auch hier ein vollständig möbliertes Zimmer im Wohnhaus direkt nebenan für 350 CHF pro Monat angeboten. Parkmöglichkeiten für ein eigenes Auto waren direkt vor dem Wohnhaus vorhanden, eine Parkkarte kostete 30 CHF im Monat. Da die Schweiz nicht zum EU-Roaming-Gebiet gehört, empfehle ich, sich eine SIM-Karte von einem Mobilfunkanbieter vor Ort zuzulegen. Ich erwarb vom Anbieter Lebara ein Datenpaket für 30 CHF im Monat mit 10 GB Datenvolumen und unbegrenzten Telefonminuten in alle Netze. Eine Auslandsreisekrankenversicherung habe ich über die Deutsche Ärztefinanz abgeschlossen. Eine Unfallversicherung ist hingegen meist nicht nötig, da man in der Schweiz bei einer Mindestarbeitszeit von 8 Stunden pro Tag über den Arbeitgeber unfallversichert ist. Das gilt auch für Unfälle, die in der Freizeit, wie beispielsweise beim Skifahren, passieren.
Das Wohnhaus
Ich habe mich in Stans stets wohl- und aufgehoben gefühlt. Das Personalhaus ist sechsstöckig und besitzt eine herrlich große Dachterrasse mit Rundumblick auf die Berge. Nicht nur der Ausblick zeichnet die Lage des Wohnhauses aus, auch der Arbeitsweg von 100 Metern ist unschlagbar. Auf jeder Etage gibt es eine Gemeinschaftsküche und zwei Gemeinschaftsduschen. Für einen Aufpreis von 200 CHF ist auch eine eigene Dusche im Zimmer zu haben. Ansonsten beinhalten die eigenen vier Wände ein Bett, einen Schreibtisch, einen großen Schrank, Toilette und Waschbecken. Seit Februar 2021 hat jeder Bewohner eine eigene Küchenbox, welche das Nötigste an Küchenutensilien beinhaltet. Ansonsten wurde die Küche absolut leergeräumt und steril gemacht. Den Gedanken dahinter konnte keiner so richtig nachvollziehen. Mikrowelle, Herd und Ofen sind noch vorhanden, Wasserkocher und Toaster nicht mehr. Dies ging leider auf Kosten des Gemeinschaftsgefühls und es hat sich bereits Widerstand geformt. Für die persönliche Wäsche stehen im Keller zwei Waschmaschinen und Trocknertrommeln zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung. Insgesamt habe ich das Zusammenleben mit den anderen Bewohnern des Personalhauses stets als sehr familiär und respektvoll empfunden. Auch über die Etagen hinaus gab es gemeinsame Koch- oder Spieleabende.
Das Spital
Das Kantonsspital Nidwalden ist ein für deutsche Verhältnisse sehr kleines Haus mit 90 Betten. Allerdings hat es einen hervorragenden Ruf und durch die enge Bindung an das Kantonsspital Luzern mit professionellem Personal und Wissen ausgestattet. Die ersten zwei Tage besuchte ich verschiedene Einführungsveranstaltungen. Alles ist perfekt organisiert und man erhält sofort sein Badge, den Schlüssel für das Spital und einen Informatik-Crash-Kurs mit Anleitung für die verwendeten Betriebssysteme. Letzteres hat mir besonders dabei geholfen, mich schnell und effizient in den Stationsalltag einzufinden. Berufskleidung gibt es in allerlei Größen im Wäschepool im Keller, wo man sich jeden Tag selbstständig neu bedienen konnte. Auch auf eine gute Qualität der Verköstigung möchte man hier nicht verzichten. Es gibt jeden Tag drei verschiedene warme Gerichte, wovon eines fleischlos ist. Besonders gepunktet hat bei mir die große Auswahl an der Salatbar. Oftmals gab es gratis ein Stück Obst oder einen kleinen Saft dazu. Eine mittlere Portion kostete 6,50 CHF, die große 8,50 CHF. Fair für die teureren Preise in der Schweiz. Das Highlight der Verköstigung war das tägliche „Food-wasting“, wo es kostenlos die tagsüber nicht verkauften Gerichte zu erwerben gab. Einfach eine Box mitbringen, und Gemüse oder sogar gutes Fleisch fürs Abendessen aufladen.
Nun zum Klinikalltag. Durch die Nähe zu den Bergen und Skigebieten wie Engelberg ist die Notaufnahme im Winter gut gefüllt. Als Unterassistentin der Chirurgie rotiert man auf drei verschiedene Stationen: Notaufnahme, Allgemein-/Viszeralchirurgie und Orthopädie/Traumatologie. Wie man die Aufteilung zwischen den verschiedenen Stationen verteilt, kann man nach persönlichen Vorlieben und immer in Absprache mit den anderen Unterassistenten gestalten. Vorbestimmt sind jedoch die zwei Wochen Notfall, die ich als besonders wertvoll erachte. Die Notaufnahme bietet das ganze Spektrum der Medizin mit all ihren Facetten. Hier ist es möglich, die Grundlagen der Akutversorgung kennenzulernen und viel selbstständig zu arbeiten. Ich durfte stets Platzwunden oder Schnittverletzungen nähen, sonographieren, neurologische Untersuchungen durchführen und einiges mehr. Man wird aber nie allein gelassen und kann stets alles mit einem Assistenz- oder Kaderarzt besprechen.
Die restliche Zeit verteilte ich gleichmäßig auf die Orthopädie und Allgemeinchirurgie. Überall sind die Assistenzärzte sehr nett und absolut aufgeschlossen, Fragen zu beantworten. Nach einer kurzen Einarbeitungszeit darf man auf der Station eigene Patienten übernehmen und sie allumfassend betreuen. Natürlich stets in Rücksprache mit den Assistenz- und Oberärzten. Auf der Orthopädie sind die Unterassistenten fest im OP-Plan eingebunden und verbringen manchmal auch den ganzen Tag im OP-Saal. Dadurch, dass alle – sowohl Ärzte als auch OP-Pfleger – per Du mit einem sind, entwickelt sich ein sehr freundschaftliches und herzliches Klima. Es war immer lustig und schon bald kannte einen das ganze Op-Team beim Namen. Je länger ich da war (nicht nur auf die ganze Zeit gesehen, auch auf den Tag bezogen), desto lehrreicher wurde es. Manchen Ärzten muss man einfach etwas Zeit geben und ihr Vertrauen gewinnen, bis man vom Hakenhalten zum tatsächlichen, aktiven Assistenten aufgestiegen ist. Besonders auf der Allgemein- und Viszeralchirurgie hat man im OP mehr Möglichkeiten, aktiv mitzuarbeiten und Verschlussnähte zu setzen. Fragen wurden immer sehr freundlich und ausführlich beantwortet. Operativ sieht man allgemeinchirurgische Basics wie Hernien, Cholezystektomien, Appendektomien oder Lipomexzisionen. Der Chef der Allgemeinchirurgie ist Leiter des Adipositaszentrums in Luzern, sodass man auch einen guten Einblick in die bariatrischen Operationsmöglichkeiten erhält. Auf der Orthopädie werden viele Prothesen verbaut, was als Hakenhalter nicht so spannend ist. Dafür kann man bei traumatologischen Osteosyntheseverfahren oder Osteosynthesematerialentfernungen umso mehr bohren und schrauben.
Sehr zu empfehlen ist der Besuch der oberärztlichen Sprechstunden. Je nach Arzt darf man mal mehr mal weniger selbstständig die Patienten befragen und untersuchen. Zu den Aufgaben der Unterassistenten zählte noch, die Patientenverläufe während der Visite zu notieren und diese dann im System zu dokumentieren. Für elektiv eintretende Patienten wurde man zum „staten“ (den Status machen) gerufen. Diese Aufgabe beinhaltete, die Patienten anamnestisch zu befragen und fokussiert zu untersuchen und dies im Anschluss zu protokollieren. Hierbei habe ich Routine in verschiedenen Untersuchungstechniken gefunden.
Nun noch ein paar Zahlen: Arbeitszeiten sind zwischen 7.00 und 17.00 Uhr auf den operativen Stationen, auf dem Notfall zwischen 9.00 und 19.00. Ein 10-stündiger Arbeitstag ist vertraglich festgelegt (50 Stunden pro Woche). Auf der Orthopädie war ich öfters bis 18.00 im Op, auf der Chirurgie konnte ich hier und da auch schon früher gegen 15/16.00 Uhr gehen. Der Pikett-Dienst beginnt werktags um 17.00 Uhr und endet um 7.00 am nächsten Morgen. Am Wochenende sind die Dienstzeiten von Samstag 7.00 Uhr bis Montag 7.00 Uhr. Die Dienste werden unter allen Unterassistenten vor Ort aufgeteilt, sodass man auf ca. 4-6 Dienste im Monat kommt.
Die Vergütung beträgt 1.200 CHF im Monat. 200 CHF sind als Inkonvenienzen für die Dienste bereits inkludiert.
Fazit
Ich habe die Zeit in der Schweiz als sehr lehrreich und intensiv empfunden. Sowohl zu den Unterassistenten als auch zu den Assistenzärzten habe ich sehr enge freundschaftliche Kontakte knüpfen können und stets Begleitung für Wochenendausflüge oder eine abendliche Joggingrunde gefunden. Die Umgebung lädt zu traumhaften Wanderungen in die Berge oder um Seen ein, im Winter ist das Ski- und Langlaufparadies nicht weit entfernt. Aufgrund des grandiosen Angebots für Mitarbeiter des Spitals, Gondelkarten für umliegende Bergbahnen zu reservieren, konnte ich häufig gratis herrliche Aussichten von Berggipfeln oder kostenlose Skitage verbringen. Fachlich wurde ich intensiv eingebunden und habe rasch Aufgaben der Assistenzärzte übernehmen dürfen. Ich schätze, wenn man motiviert und engagiert ist, kann man in diesem Haus einige chirurgische Basics, Untersuchungstechniken und Stationsarbeit lernen. Ich habe mich stets willkommen gefühlt, alle waren per Du und jeder kannte den anderen beim Namen. So herrschte eine sehr familiäre und aufgeschlossene Atmosphäre. Die Arbeit, die ich dort verrichtet habe, wurde sehr wertgeschätzt und anerkannt, sodass ich nie das Gefühl hatte, nur für unliebsame Aufgaben gebraucht zu werden.
Bewerbung
ca. 2 Jahre im Voraus. Mit etwas Glück sind auch sehr spontan und kurzfristig noch Plätze frei. Einfach erkundigen beim Sekretariat der Chirurgie (Kontaktperson: Marcia Näpflin - total nett!).