Ich hatte wenig Erwartungen an mein Tertial in der Chirurgie, da ich zum einen bereits während des Blockpraktikums und diversen Nebenjobs mit anderen chirurgischen Abteilungen und den Tätigkeiten und Aufgaben von Studenten Erfahrungen sammeln konnte, mir zum anderen von Kommilitonen bereits über deren Erfahrungen in der Chirurgie berichtet wurde.
Dennoch wollte ich gewisse Grundlagen chirurgischer Tätigkeiten wie beispielsweise Wundversorgung, Nähen und das peri- und postoperative Management erlernen.
Daher war ich insgesamt positiv Überrascht, da zum einen der Chefarzt und auch die Oberärzte gegenüber uns PJlern sehr freundlich und aufgeschlossen waren. V.a. der Chef war sehr bemüht eine gute Lehre zu ermöglichen, und es wurde einem auch das Gefühl vermittelt, Fragen und ernsthaftes Interesse an Patienten und Tätigkeiten seien gern gesehen. Die vom Chef angebotenen Lehrvisiten waren sehr lehrreich und sind eine super Vorbereitung für das anstehende M3 und daher definitiv zu empfehlen!
Auch im OP durfte man immer mal wieder mithelfen (Haken halten immer, ab und zu mal Nähen oder etwas absetzen/schneiden) und in der Notaufnahme hatte man die Möglichkeit Patienten selbständig aufzunehmen, zu untersuchen und teilweise auch selbst zu versorgen.
Eigentlich sollte neben wöchentlichen PJ-Unterrichten in der Inneren, Neurologie und Radiologie (insg. 3 Fortbildungen pro Woche) auch 1x Woche ein chirurgischer PJ-Unterricht stattfinden, dieser fiel allerdings das ein oder andere Mal aus.
Eingeteilt wurde man in der Ambulanz (Aufklärung von Patienten, Wund- und Befundkontrollen), in der Notaufnahme (Aufnahme und Untersuchung von Patienten, Wundversorgung, Dokumentation), auf der Station (Blutentnahmen, Viggos legen, Briefe schreiben und bei Visite mitlaufen) oder im OP (Haken halten, nähen, tackern, schneiden/absetzen).
Besonders Operationen mit einem orthopädischen Chirurg, welcher als Belegarzt an 2 Tagen die Woche kam, sind sehr zu empfehlen, da man hier besonders viel selbst machen darf (wenn man mit der Art des Arztes klarkommt, was für mich im vergleich zu anderen kein Problem war).
Insgesamt waren wir von der Anzahl viiiiiel zu viele PJler auf der Chirurgie (insg. 7), was bei coronabedingt eingeschränktem OP-Programm und den wenigen zu verteilenden Aufgaben dazu führte, dass man wenn man für den OP/auf der Station eingeteilt war (was in 90% der Zeit der Fall war, da ZNA und Ambulanz von 2 Komillitoninnen besetzt war, die wenig/garnichts mit dem OP/der Station zu tun haben wollten), ab spätestens 10h (nachdem BEs, Viggos legen und Briefe schreiben erledigt war) nichts mehr zu tun war und man auf den lang ersehnten Feierabend wartete, welcher trotz Mangel an Aufgaben/Arbeit immer erst um 15h-15:30h war. Angesichts des heranrückendem Examen hätte ich die Zeit besser nutzen können, als in Sulzbach auf den Feierabend zu warten.
Die Zusammenarbeit mit den Assistenzärzten war (bis auf ein paar Ausnahmen) leider nicht wirklich gut. Es kam es öfters mal vor, dass Assistenten einem leichtere Aufgaben wie eine Wunde nähen "wegnahmen", vor allem wenn sie dies selbst noch nicht oft gemacht hatten (wofür ich Verständnis habe, allerdings kommen einige Studenten je nach Berufswunsch mit der Chirurgie nicht mehr in Berührung, weshalb das Chrirurgie-Tertial die einzige Möglichkeit gewesen wäre, gewisse Dinge einmal zu machen/zu sehen- Schade!).
Auch stellte sich heraus, dass einige chirurgische Assistentsärzte den PJlern gegenüber nicht sonderlich wohlwollend gestimmt waren und ihre neu gewonnene Beförderung vom Student/-in zum/zur Arzt/Ärztin auskosteten. Dies zeigte sich beispielsweise in Kontrollen von Anwesenheit und wann wir Feierabend machten (wobei die bis dato vorherschenden flexiblen Arbeitszeiten von der gemeinten Assistenzärztin zu deren Zeiten im PJ einige Monate zuvor noch gerne ausgenutzt wurden) und von Aufgabenzuteilungen die nichts mit ärztlichen Tätigkeiten zu tun hatten wie beispielsweise Hol- und Bringdiensten). PJlern mit nicht-chirurgischen Berufswünschen wurde gesagt, sie bräuchten gewisse Dinge (z.B. Leistenhernien einmal tasten) nicht machen, da sie ja sowieso eine Facharztausbildung in einem anderen Bereich anstrebten. Generell machte sich eine gewisse Bevorzugung von Studenten, die eine Anstellung in der Chirurgie in Erwägung zogen, bemerkbar-auch das: Schade!
Insgesamt wurde man nur wenig in den Arbeitsalltag der Chirurgen mit eingebunden, die einzigen Berührungspunkte (zumindest wenn man für den OP/Station eingeteilt war) waren die Visite und die OPs. Den Rest vom Tag waren die PJler unter sich und beschäftigten sich so gut es ging selbst mit anfallenden Aufgaben oder versuchten zu lernen. Hierfür hatten wir ein eigenes Zimmer auf der Station.
Insgesamt würde ich das Chirurgie-Tertial bis auf ein paar Ausnahmen als gut bewerten. Meine Erwartungen bezüglich dem was ich lernen wollte wurden teilweise erfüllt, teilweise ließen dies die Umstände nicht zu. Der Lernerfolg fiel dank Lehrvisiten und OPs einigermaßen gut aus, viele Dinge die ich für das M3 wissen/können muss, werde ich mir allerdings zuhause in Eigenstudium selbst noch aneigen/lernen müssen. Insgesamt hätte ich von einem Lehrkrankenhaus hier ein bisschen mehr erwartet.
Meine Verbesserungsvorschläge wären: weniger PJler (max. 5), AUSREICHEND Studientage zum Eigenstudium (da oftmals wirklich ab dem frühen Vormittag v.a. bei vielen PJlern nichts mehr zu tun war), regelmäßige Lehrveranstaltungen (die bestenfalls bei Verhinderung des einen Arztes durch einen anderen übernommen werden können), bessere Einbindung der PJler (z.B. zur Zuteilung zu einzelnen Ärzten).