Ich hatte mich aufgrund der vielen guten Bewertungen für ein Tertial im Vincenz entschieden. Mein Resümee ist durchwachsen.
Schon die Organisation war ernüchternd. Nach finaler Zuteilung über das PJ-Portal erfolgte die Kommunikation erst kurz vor knapp zum Tertialbeginn. Die Daten des PJ-Beauftragten waren aufgrund eines Wechsels nicht mehr aktuell und über die PJ-Mail des Krankenhauses erhielt ich zuvor keinerlei Reaktion. Mein Vertrag landete erst nach mehr als einem Monat per Hauspost auf irgendeiner anderen Station mit der Bitte um unverzügliche Einreichung des zurückdatierten Exemplars. Den notwendigen Personalbogen erhielt ich ebenfalls erst, nachdem ich schon einige Tage gearbeitet hatte. Seitens der Inneren Medizin gibt es leider keine offiziellen Rotationspläne. Im verantwortlichen Sekretariat herrschte vorwiegend Achselzucken, wenn es um organisatorische Aspekte des Tertials ging und zwischen den Medizinischen Kliniken gibt es diesbezüglich offenbar keinen Informationsaustausch. Daher teilt man sich die Zeit in den Abteilungen selbst unter den PJlern auf, wobei die Maßgabe ist, dass mindestens je vier Wochen in der Med. I und Med. II verbracht werden, erst dann darf eine Rotation auf ITS, in die Nephrologie oder Notaufnahme stattfinden. Je nach Anzahl der PJler gestaltet es sich schwierig, dass jeder ausreichend lange in letztere Bereiche rotieren kann. Da die Stationen nicht unbedingt mit einem rechneten, wurde jeder Wechsel zu einer kleinen Überraschung für beide Seiten.
Am allerersten Tag gab es immerhin eine kurze allgemeine Einführung, bei der man sein Namensschild erhielt und mit den Studierenden aus anderen Tertialen einen Hausrundgang machte. Hier ging es auch zur Anprobe in die nicht mehr ganz zeitgemäße Kleiderkammer. Das System der Wäscheausgabe beruht mehr oder weniger auf Glück: Am Vortag wird ein Notizzettel auf den Tisch im Wirtschaftsraum gelegt und eventuell findet man am nächsten Morgen (oder Mittag) seine Arbeitskleidung vor, aber eigentlich nie mehr als eine komplette Garnitur, auch wenn man mehr bestellt hatte. Bei spontaner Verschmutzung gibt es keinen schnellen Ersatz und der tägliche Wechsel wird unnötig erschwert. Dieselben Wäschegrößen fallen unterschiedlich aus (man bekommt z.B. mal Damenkittel, mal Herrenkittel), öfter fehlen Knöpfe oder klemmen Reißverschlüsse. Zudem mangelt es an Abwürfen. Gesonderte Umkleiden sind wohl (auch für Stationsärzte) nicht vorhanden und man zieht sich zwischen Tür und Angel um. Garderobe und Wertsachen sind nur verwahrbar, falls zufällig eines der begehrten Schließfächer im Arztzimmer frei ist (Vorhängeschloss mitbringen).
Ein Zugang für das Computersystem wird zur Verfügung gestellt, allerdings abgespeckt, d.h. hiermit können keine Arztbriefe bearbeitet werden. Außerdem gilt dieser nicht für die Notfallambulanz, sodass man hier ständig auf die Kollegen angewiesen ist und selten direkt dokumentieren kann. Nicht auf jeder Station sind ausreichend Computer zur eigenständigen Arbeit vorhanden.
Ein Lob muss ich an dieser Stelle dem Unterricht aussprechen. Jeden Montag gibt es mehrere Seminare aus verschiedenen klinischen Disziplinen (auch Ausgefalleneres wie Ethik und Pharmazie) und nur vereinzelt ist ein Programmpunkt kurzfristig entfallen. Das Vincenz steuert mit seiner interaktiven fallbezogenen Differentialdiagnose sicherlich eines der wertvollsten Formate bei. Der Unterricht wird zusammen mit den PJlern vom Brüderkrankenhaus realisiert und so besteht Austausch und die Möglichkeit für gemeinsame Aktivitäten im Anschluss. Komischerweise kursierten zwischen den Krankenhäusern unterschiedlich aktuelle Versionen des Unterrichtsplans.
Zum Wohnheim: Ruhig gelegen, ca. 15-20 Minuten Fußweg zum Vincenz. Mehrere Waschmaschinen (3x1 € je Waschgang) und Trockner sind im Keller vorhanden. Die Einrichtung war rustikal, bot wirklich viel Stauraum und das eigene Bad im Zimmer befand sich in einem sehr guten Zustand. Bedauerlicherweise fehlten bei mir Jalousien, daher wurde der Raum nachts durch die Flutlichter vom Parkplatz erhellt. Gegen Mitternacht war das Heißwasser eher lauwarm. Bettwäsche und Geschirr selbst mitbringen! Internet stand wider Erwartens kostenlos zur Verfügung. Unkomplizierter Ein- und Auszug mit Schlüsselübergabe an der Pforte. Es sei angemerkt, dass Besuch im Wohnheim generell nur eingeschränkt erlaubt ist (nur bis 23 Uhr, keine Übernachtungen). Wegen der Pandemie war der Aufenthalt auf fremden Fluren und in anderen Gemeinschaftsküchen nicht gestattet, was die Gemeinschaft trübte, da wir PJler in verschiedenen Fluren untergebracht waren.
Grundsätzlich habe ich mich im Klinikalltag bei Pflege und Ärzteschaft willkommen gefühlt. Die Strukturen und Abläufe divergieren zwischen den Abteilungen erheblich. Geordnete Visiten haben manchmal nicht oder erst sehr spät stattgefunden. Ich hatte im Laufe des Tertials die Möglichkeit, geplante Aufnahmen von onkologischen und kardiologischen Patienten durchzuführen. Weiterhin habe ich einige Entlass- und Verlegungsbriefe verfasst. Wirkliches Feedback bekam ich allerdings selten. Leider hält sich der Zugewinn an praktischen Fertigkeiten in Grenzen, beispielsweise was therapeutische Punktionen, sonographische Diagnostik, Portversorgung oder die Befundung angeforderter Untersuchungen anbelangt. Größter Hemmschuh stellte die Tatsache dar, dass viele Assistenzärzte und Assistenzärztinnen entweder selbst nicht ausreichend damit vertraut (bzw. korrekt darin eingewiesen) waren oder die Maßnahmen routinemäßig nur von erfahreneren Leuten durchgeführt wurden und man dann meistens nicht zur Stelle war oder informiert wurde. Gerade Berufsanfänger hatten (verständlicherweise) nicht genügend Zeit, sich noch um einen PJler zu kümmern, oder wussten nicht, was wir wirklich lernen sollten (Zitat: „Das lernt man nicht im PJ“). Ich hätte mir sowohl für sie als auch für mich deutlich mehr Supervision und Anleitung gewünscht.
Weitere Aspekte:
+ täglich virtuelle radiologische Demonstrationen für die Stationen
+ reguläre Morgenbesprechungen und abteilungsinterne Fortbildungen fanden statt
+ Kardiologie: jederzeit Einblick in Funktions-/ Schrittmacherdiagnostik & Herzkatheterlabor möglich
+ Intensivstation: super Kernteam, hier wäre ich gerne länger als bloß zwei Wochen geblieben
+ ordentliche Verpflegung in der Cafeteria
+ Erholungswert von Paderborn und Umgebung
- keine digitale Patientenkurve
- Aufenthalt im Sonographie- und Endoskopiebereich nicht standardmäßig vorgesehen
- regelmäßige Corona-Schnelltests waren für PJler erst durch gesetzliche Angebotspflicht möglich
- ohne ausdrücklichen Hinweis wurde dem Göttinger Logbuch nicht Beachtung geschenkt
- nach der Einführungsvereinstaltung hört man nichts mehr vom PJ-Beauftragten