In Kürze:
Wäre die Chirurgie im KLDW eine WG und würde eine WG-Anzeige schreiben, stünde da wohl "Alles kann, nichts muss"! Soll heißen, wenn man gar kein Bock auf Chirurgie hat, kann man im KLDW ein sehr entspanntes (aber auch sehr gutes!) PJ haben, wenn man aber bisschen Motivation zeigt, lernt man sehr viel und es macht ordentlich Spaß!
In aller Ausführlichkeit:
Das KLDW ist super organisiert, am ersten Tag wurden alle neuen Chirurgie- und Innere-PJler von der PJ-Beauftragten Frau Wienand empfangen und herzlich willkommen geheißen - und es gab direkt ein kleines Teaching über einen aktuellen Fall, den sie am Wochenende operiert hatte. Es gibt einen PJ-Raum mit riesigen Spinden, die man je nach aktueller PJler-Anzahl alleine hat oder sich mit einer Person teilt. Man kann also seine Wertsachen gut verstauen und wenn man genug Geld auf seiner Essenskarte hat (kriegt man in der Mensa, kostet 10€ Pfand), muss man den ganzen Tag nicht mehr an seine Sachen. Es gibt aber auch zwei PCs in dem Raum, sodass man auch mal in aller Ruhe etwas nachlesen oder eine E-Mail schreiben kann. Die Mensa ist okay (es gibt ziemlich guten Nachtisch, oft für 65 Cent), kostet aber ein bisschen, sodass ich mir meistens Essen mitgenommen habe. Ansonsten wird man schon am ersten Tag mit Schlüssel zum PJ-Raum und Spind sowie einem Chip für die Mitarbeiterzugänge ausgestattet, sodass es ab dann entspannt los gehen kann!
Auf Station kommt es (wie immer) einfach auf die Assistenten an: Alle sind supernett und erklären gerne, da muss man mal mehr mal weniger hinterher sein. Manche sind nur am Operieren interessiert und reißen auf Station jetzt nicht so viel, aber insgesamt ist die Stimmung super und man wird nie alleine gelassen. Morgens gibt es ein paar Blutentnahmen für den PJler, aber dann wird erst einmal mit allen zusammen Kaffee getrunken. Das ist immer sehr nett und trägt meiner Meinung nach sehr zu der guten Stimmung im Team bei. Im Anschluss ist dann Visite, wo man Verbandswechsel durchführt oder mal Klammern zieht, ab und zu dokumentiert - wie gesagt, alles kann nicht muss, im Zweifel kann man halt auch einfach hinterher laufen. Da die Assistentenanzahl extrem hoch ist, ist man quasi nie pflichtmäßig im OP eingeteilt, wenn man aber hingehen möchte, kann man das immer machen und darf man fast immer an den Tisch (in der VCH mehr als in der UCH). Hier hat es mir besonders viel Spaß gemacht mit der PJ-Beauftragten und OÄ Frau Wienand zu operieren, da man auf nette Art und Weise die ganze Zeit Sachen gefragt, aber vor allem super viel erklärt bekommt. Die Stimmung im OP ist eigentlich immer gut und ein so nettes OP-Team habe ich noch nie zuvor getroffen. Man wird nie schief angeguckt, mit ganz viel Nettigkeit an die richtige Stelle geleitet (ich meine, wie oft hat man keine Ahnung, wo man sich jetzt hinstellen oder welches Instrument man abgeben oder halt auch gerade nicht abgeben soll) und immer respektvoll behandelt! Auf Station kann man Briefe schreiben (die Assistenten freuen sich schon, wenn man's macht und gehen teilweise im Anschluss den Brief ganz genau mit einem durch, sodass man davon auch etwas hat), aber oft diktieren die Assistenten ihre Briefe schnell runter, sodass das auch kein Muss ist. Punkt 11:30 Uhr gehen immer alle zum Mittagessen, da werden auch alle Teamkollegen zusammen getrommelt, und oft kann man dann nach einer kurzen Weile nach Hause. Mittwochs ist sowieso kurzer Tag, da gehen alle um 13:30 Uhr. Als PJler hat man aber schon öfter einen "kurzen Tag", das hängt vor allem von der Arbeitslast und dem Stationsassistenten ab.
In der Notaufnahme kann man superviel selber machen: Die Pflege stellt einem den Patienten kurz vor, dann geht man schon einmal hin, und dokumentiert im Anschluss alles im PC, meldet in Rücksprache mit dem Assistenten Röntgen an, näht Sachen, wenn es was zum Nähen gibt, und schreibt den Entlassbrief vor, der vom Assistenten dann halt noch durchgecheckt und dann unterschrieben wird. Ich fand die Zeit in der ZNA richtig cool (auch wenn oft nicht viel los war), da ich mega viel machen durfte, mich aber nie alleingelassen gefühlt habe.
Was mir sehr gut gefallen hat, war das Teaching: Immer Dienstag und Donnerstag gibt es PJ-Unterricht. Der Unterricht am Dienstag wird zusammen mit dem Klinikum Bremen Nord organisiert, sodass der Unterricht teilweise im KLDW von den Oberärzten oder dem Chef abgehalten wird, man teilweise aber auch bis nach Bremen Nord juckelt - das ist schon ganz schön weit weg, dafür wird einem dann aber der Resttag frei gegeben. In Bremen Nord wurde der Unterricht fast immer von den Chefärzten gemacht, und ich fand v.a. den Unterricht vom viszeralchirurgischen, aber auch vom UCH-Chef richtig gut. Der eine PJ-Unterricht vom Oberarzt, der sich mit den Rücken zu uns gesetzt hat und einfach random auf den PC guckend seine 4 Jahre alte Powerpoint runtergelabert hat, hätte man sich echt sparen können, aber das war schon eher die Ausnahme. Der Donnerstagsunterricht war immer mit Frau Wienand und weniger als Unterricht denn als ein Zusammenkommen zum Fällebesprechen, Austauschen und vielseitigem Wissensaustausch zu verstehen. Da alle PJler aus dem Haus dabei sind, werden spannende Fälle aus allen Fachrichtungen besprochen oder aber man stellt sich gegenseitig z.B. seine Doktorarbeiten oder Themen, mit denen man sich (z.B. durch sein Wahlfach) ein bisschen auskennt, vor. Mir hat vor allem gefallen, mal so lebensnahe Sachen wie "Ab wann darf der Patient nach der OP eigentlich wieder essen und warum?" oder "Was machen wir zuerst, Herz oder Darm abklären/operieren?" zu besprechen.
Ein Highlight in dem doch durch "nur" drei verschiedenen Einsatzmöglichkeiten langem Tertial war die eine Woche Hospitation in der Herzchirurgie, die wir alle nacheinander machen durften. Da ich vorher noch keine Berührungspunkte damit hatte, war das echt cool, Bypass-Operationen und Klappenersätze zu sehen. Und gerade die Assistentin der Herzchirurgie, die für uns zuständig war, war sehr nett und total engagiert. Bei den Bypässen darf man ab der zweiten oder dritten OP die Venenentnahmestelle am Bein zunähen, womit man bei 30 cm Schnittlänge das intracutane Nähen auch richtig gut üben kann. Die Hospitation lohnt sich auf jeden Fall!
Vermutlich landet niemand im KLDW, der Bremen nicht kennt, aber für alle anderen:, Die Stadt ist wirklich cool, in Nicht-Corona-Zeiten ist ganz schön viel los und man kann nach Feierabend gut am Deich chilln oder im Sommer in den Werdersee hüpfen. Und das Krankenhaus ist sehr gut vom Zentrum aus mit dem Fahrrad zu erreichen, sodass man nicht unbedingt ein Monatsticket braucht.
Insgesamt würde ich auf jeden Fall wieder im KLDW mein Chirurgie-PJ machen und hatte eine sehr viel entspanntere (aber trotzdem lehrreiche) Zeit als viele meiner Freunde an anderen Häusern!