Vorab gesagt: Ich möchte nicht in die Chirurgie gehen & hatte eigentlich ein Auslandstertial vor, was aber corona-bedingt nicht möglich war. Erstmal ein paar allgemeine Feststellungen:
PRO
- Super Organisation durch die zuständige Sekretärin, die auch während des gesamten Tertials immer ein offenes Ohr für uns hatte. Man bekommt am ersten Tag einen Spind, die OP-Zugangskarte, die Karte fürs kostenlose Mittagessen und Kleidung
- Insgesamt bis auf ganz wenige Ausnahmen ein sehr nettes Klima sowohl auf den Stationen als auch im OP, so wie ich es bis jetzt noch in keinem Haus erlebt habe
CONTRA
- Während der gesamten Zeit kein PJ-Unterricht (wegen Corona…)
- Das Covid-Management dort war grottig, habe zuvor die Tertiale anderswo in Deutschland absolviert und war echt geschockt teilweise.
Endokrine Chirurgie:
Vom Spektrum her überschaubar (Thyreoidektomien, Hemithyreoidektomien, Parathyreoidektomien und hin und wieder mal eine Nebenniere), dafür sind sie darauf echt spezialisiert. Das Team war im Allgemeinen echt nett und man konnte sich meist selbst aussuchen, was man machen möchte. Morgens waren erstmal die Blutentnahmen dran. Auf Station gab es hauptsächlich Briefe zu schreiben oder die allmorgendliche Indikationskonferenz (Besprechung der OPs für den Folgetag) vorzubereiten. Das ist wie gesagt recht repetitiv, aber man kann nochmal ganz gut die typische Klinik und Paraklinik der häufigsten Schilddrüsen-/Nebenschilddrüsenerkrankungen festigen. Im OP musste man manchmal Haken halten, wenn keiner der (sehr gut) bezahlten studentischen Hakenhalter da war. Deswegen habe ich das wirklich nur gemacht, wenn es nötig war. Man durfte aber auch öfter mal Nähen. Die Ambulanz ist recht interessant, hier werden auch Sonos und Feinnadelpunktionen durchgeführt. Erwähnenswert ist auch eine Oberärztin, die mich am ersten Tag direkt mit hilfreicher Literatur zum Thema versorgt hat.
Unfallchirurgie:
Vom Spektrum her eher kleiner und oftmals mit den typischen Frakturen, große Polytraumata sieht man nicht. Das kleine Team ist wirklich extrem nett und angenehm, allerdings ist die Arbeitsbelastung nicht allzu hoch. Oder anders gesagt: Es kann mal ein bisschen langweilig werden. Im Gegensatz zu früheren Berichten konnte ich bei den meisten OPs nur unsteril zuschauen, und da sieht man meist nicht so viel. Mag vielleicht etwas anders sein, wenn man mehr Interesse zeigt als ich. Auf Station gibt es neben den BEs (aber die meist auch nur für die Außenlieger oder wenn die BE-Schwester nicht da ist) Briefe zu schreiben, Verbandswechsel macht man meist mit den Assistenten bzw. Stationsärzten gemeinsam. Auf Nachfragen wurde aber gern sehr viel erklärt und man kam immer sehr, sehr pünktlich nach Hause 😉.
Allgemeinchirurgie:
Hier ist das Spektrum natürlich größer, die häufigsten Eingriffe sind Hernien (TAPPs), Cholezystektomien und proktologische Eingriffe. Hin und wieder gibt es auch mal größere OPs (ob das nun mit Hinblick auf die „Mindestmengen“ so sinnvoll ist, lasse ich mal außen vor). Grundsätzlich kann man im OP oft die erste Assistenz übernehmen, auf Station gibt es neben den BEs und Zugängen jeden Tag postoperative Sonos, die man dann mit den Assistenten nachbespricht. Außerdem kann man Verbandswechsel durchführen, Briefe schreiben und in der ZNA Patienten voruntersuchen und dann den Assistenten vorstellen. Zum Beginn meiner Rotation waren wir leider viel zu viele Studenten (4 PJler + Famulant), da wurden dann irgendwann „Forderungen“ etabliert (es sollte immer ein Student im OP sein – egal ob am Tisch benötigt oder nicht-, es sollte meistens ein Student bis zum Feierabend bleiben auch wenn nichts zu tun war - falls es doch noch eine BE/Zugang geben sollte, es MUSSTE ein PJler im Spätdienst kommen), die dann aber nicht so richtig nachließen, als wir nur noch zu zweit waren. Außerdem schwand durch die Einarbeitung einer neuen Ärztin unsere Betreuung auf Station noch mehr, es wurde einfach erwartet, dass wir Studis einander gegenseitig einarbeiten und unsere Aufgaben „laufen“. Wegen der Zugänge und BEs morgens (gerne auch mal für Patienten anderer Abteilungen) verpasste man regelmäßig die Visite oder Frühbesprechung zumindest in Teilen und bekam so wenig vom Verlauf der Patienten mit. Die meisten Assistenten/Stationsärzte waren sehr nett und umgänglich, manchmal bekam man aber auch die ein oder andere Laune zu spüren. Insgesamt empfand ich mich auf Station daher leider oft als kostenlose Hilfskraft.
Im OP wiederum hat es mir überraschend gut gefallen. Man konnte oft die erste Assistenz (z.B. Kameraführung bei laparoskopischen OPs) übernehmen und auch mal kleinere OP-Schritte mitoperieren und nähen. Dabei haben insbesondere die Oberärzte wirklich viel erklärt und uns gut eingebunden. Insbesondere chirurgisch interessierte Mit-PJs kamen da voll auf ihre Kosten. Auch mit den allermeisten OP-Schwestern kam ich gut aus.
Alles in Allem würde ich das Tertial in der Chirurgie hier durchaus empfehlen, aber in Nicht-Corona-Zeiten läuft es sicherlich besser. Leider kann man diese Ausrede aber ein Jahr nach Pandemiebeginn nicht mehr so wirklich gelten lassen und muss sich ein paar sinnvolle Konzepte überlegen!